Deutschland interveniert erfolgreich in Taiwan wegen Chip-Knappheit

Volkswagen und viele Hersteller weltweit produzieren weniger Autos, weil ihnen Halbleiter fehlen. In einem ungewöhnlichen Schritt hat sich deshalb der Wirtschaftsminister Peter Altmaier an sein Pendant in Taiwan gewandt, wo wichtige Chip-Fertiger sitzen.

Matthias Sander, Pingtung
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Der legendäre Gründer des taiwanischen Chip-Herstellers TSMC, Morris Chang, spricht im November an einer Medienkonferenz in Taipeh neben der Staatspräsidentin Tsai Ing-wen.

Der legendäre Gründer des taiwanischen Chip-Herstellers TSMC, Morris Chang, spricht im November an einer Medienkonferenz in Taipeh neben der Staatspräsidentin Tsai Ing-wen.

Ann Wang / Reuters

Die Verzweiflung muss gross sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier sich direkt an die taiwanische Regierung wendet, die Deutschland wegen der Ein-China-Politik nicht anerkennt. Direkte Kontakte zwischen Regierungsvertretern der beiden Seiten sind deshalb, soweit bekannt, sehr ungewöhnlich. Als etwa Taiwan im April Deutschland Schutzmasken spendete und der Regierungssprecher Steffen Seibert danach gefragt wurde, vermied er es, den Namen der Insel auszusprechen.

Jetzt also ist Deutschland Bittsteller. Wie die Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters berichteten, schrieb Altmaier vergangene Woche einen Brief an die taiwanische Wirtschaftsministerin Wang Mei-hua. Darin bat Altmaier um Hilfe für deutsche Autobauer. Volkswagen, Audi, Daimler und viele andere Hersteller weltweit müssen derzeit ihre Produktion herunterfahren, weil Chips knapp sind. Taiwan ist der wichtigste Standort für Halbleiterproduzenten und Heimat des grössten Auftragsfertigers der Welt, TSMC. Deshalb wandten sich laut Medienberichten auch Vertreter aus Japan und den USA an Taiwan.

Firmen «werden ihr Bestes tun»

Altmaier schrieb Wang laut Reuters: «Ich wäre erfreut, wenn Sie sich dieses Themas annehmen könnten und gegenüber TSMC die Bedeutung zusätzlicher Halbleiter-Kapazitäten für die deutsche Automobilindustrie unterstreichen könnten.» Gesagt, getan: Am Mittwoch empfing Wang Vertreter von TSMC sowie von UMC, Vanguard International und Powerchip zu einem Treffen im Wirtschaftsministerium in Taipeh. Danach verkündete Wang, die Firmen würden ihr Bestes tun, um mehr Chips «herauszuquetschen».

Das mag sein. Doch die Knappheit lässt sich nicht von heute auf morgen beheben, sonst hätten die Chip-Hersteller längst mehr Aufträge angenommen. Vielmehr dürfte der Mangel die Autoindustrie noch einige Monate belasten. Zudem drohen anderen Branchen ähnliche Probleme.

Die Knappheit hat, wie berichtet, eine Reihe von Gründen. Unter anderem reduzierten die Autobauer ihre Chip-Bestellungen während des Wirtschaftseinbruchs in der ersten Corona-Welle stark. Als die Nachfrage nach Autos unter anderem in China überraschend stark stieg, wollten die Autobauer plötzlich wieder viel mehr Chips. Spezialisierte Hersteller von Auto-Chips wie Infineon aus München und STMicroelectronics aus Genf können die Nachfrage nicht allein stemmen, weshalb sie sich an TSMC und andere Auftragsfertiger wandten. Diese sind jedoch auch wegen der grossen Nachfrage nach Heimelektronik während der Corona-Lockdowns schon voll ausgelastet.

Autos sollen Priorität bekommen

Dies bestätigte am Mittwoch der Co-Präsident von UMC, Jason Wang. In einer Telefonkonferenz zu Geschäftszahlen sagte er, die Produktionsstätten operierten mit einer 100-prozentigen Auslastungsrate. «Es ist schwierig, die Kapazität zu erhöhen», sagte Wang. «Es geht mehr um Repriorisierung. Den Automobilmarkt priorisieren, damit wir hoffentlich etwas Druck ablassen können.»

Das lassen sich die Fertiger einiges kosten. Laut Medienberichten wollen sie die Preise für Auto-Chips um 10 bis 15 Prozent erhöhen. Erst vor wenigen Monaten hatten sie bereits die Preise in etwa dieser Spanne erhöht. Solche Preiserhöhungen drohen bei den Endkunden anzukommen, also bei den Autokäufern. Zudem bedeutet eine Repriorisierung bei bereits voller Auslastung natürlich im Umkehrschluss, dass andere Branchen zurückstecken müssen. Es bleibt spannend, welchen Sektor der Chip-Mangel als Nächstes voll trifft.