Language of document : ECLI:EU:C:2020:118

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

27. Februar 2020(*)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 7 Abs. 1 Buchst. f – Absolutes Eintragungshindernis – Marke, die gegen die guten Sitten verstößt – Wortzeichen ‚Fack Ju Göhte‘ – Zurückweisung der Anmeldung“

In der Rechtssache C‑240/18 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 4. April 2018,

Constantin Film Produktion GmbH mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin E. Saarmann und Rechtsanwalt P. Baronikians,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Hanf als Bevollmächtigten,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič (Berichterstatter) und C. Lycourgos,


Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2019,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juli 2019

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Constantin Film Produktion GmbH, das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 24. Januar 2018, Constantin Film Produktion/EUIPO (Fack Ju Göhte) (T‑69/17, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:27), aufzuheben, mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 1. Dezember 2016 (Sache R 2205/2015‑5) über die Anmeldung des Wortzeichens „Fack Ju Göhte“ als Unionsmarke abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

2        Die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) wurde durch die am 23. März 2016 in Kraft getretene Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21) geändert. Die Verordnung Nr. 207/2009 in der durch die Verordnung 2015/2424 geänderten Fassung wurde durch die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 aufgehoben und ersetzt. Aufgrund des Zeitpunkts der hier in Rede stehenden Anmeldung, dem 21. April 2015, sind auf den vorliegenden Rechtsstreit jedoch die materiellen Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar.


3        Art. 7 („Absolute Eintragungshindernisse“) Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt:

„(1)      Von der Eintragung ausgeschlossen sind

f)      Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen;

(2)      Die Vorschriften des Absatzes 1 finden auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der [Europäischen Union] vorliegen.

(3)      Die Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b, c und d finden keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.“

4        Art. 75 („Begründung der Entscheidungen“) der Verordnung Nr. 207/2009 sieht vor:

„Die Entscheidungen des Amtes sind mit Gründen zu versehen. …“

5        Art. 76 („Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen“) Abs. 1 der Verordnung lautet:

„In dem Verfahren vor dem Amt ermittelt das Amt den Sachverhalt von Amts wegen. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist das Amt bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.“

6        Im 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2015/2424 heißt es:

„(21) … Außerdem sollte die vorliegende Verordnung so angewendet werden, dass den Grundrechten und Grundfreiheiten, insbesondere dem Recht auf freie Meinungsäußerung, in vollem Umfang Rechnung getragen wird.“

7        Im 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001 wird der in der vorstehenden Randnummer wiedergegebene Wortlaut des 21. Erwägungsgrundes der Verordnung 2015/2424 wortgleich übernommen.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

8        Am 21. April 2015 meldete die Rechtsmittelführerin, die Constantin Film Produktion, nach der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO eine Unionsmarke an.

9        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen „Fack Ju Göhte“, was außerdem der Titel einer von der Rechtsmittelführerin produzierten deutschen Filmkomödie ist, die in Deutschland zu den größten Kinoerfolgen des Jahres 2013 zählt. Zwei von der Rechtsmittelführerin produzierte Fortsetzungen dieser Filmkomödie kamen unter den Titeln „Fack Ju Göhte 2“ und „Fack Ju Göhte 3“ in den Jahren 2015 und 2017 ins Kino.

10      Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 9, 14, 16, 18, 21, 25, 28, 30, 32, 33, 38 und 41 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 3: „Wasch- und Bleichmittel; Putz‑, Polier‑, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel“;

–        Klasse 9: „Bespielte Datenträger aller Art; elektronische Publikationen (herunterladbar), nämlich Audio‑, Video‑, Text‑, Bild- und Grafikdaten im digitalen Format; fotografische, Film- und Unterrichtsapparate und ‑instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; …“;

–        Klasse 14: „Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; …“;

–        Klasse 16: „Druckereierzeugnisse; Fotografien; Schreibwaren; Büroartikel …“;

–        Klasse 18: „Reise- und Handkoffer; Regenschirme und Sonnenschirme; Spazierstöcke; Gepäck; …“;

–        Klasse 21: „Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Kerzenständer“;

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“;

–        Klasse 28: „Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Christbaumschmuck“;

–        Klasse 30: „Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel; Reis, Tapioka und Sago; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; …“;

–        Klasse 32: „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; …“;

–        Klasse 33: „Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“;

–        Klasse 38: „Telekommunikationsdienstleistungen; Bereitstellung von Internetchatrooms und Internetforen; Übermittlung von Daten über das Internet …“;

–        Klasse 41: „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung, insbesondere Film- und Fernsehunterhaltung, Zusammenstellung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, Rundfunk‑, Fernseh- und Filmproduktion, Vermietung von Filmen, Filmvorführungen in Kinos; sportliche und kulturelle Aktivitäten“.

11      Mit Entscheidung vom 25. September 2015 wies der Prüfer die Anmeldung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 2 für die in der vorstehenden Randnummer genannten Waren und Dienstleistungen zurück.

12      Am 5. November 2015 legte die Rechtsmittelführerin gegen die Entscheidung des Prüfers beim EUIPO Beschwerde nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 ein.

13      Mit der streitigen Entscheidung wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

14      Mit Klageschrift, die am 3. Februar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin eine Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung.

15      Sie stützte ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 und zweitens einen Verstoß gegen deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. b geltend machte.

16      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht diese beiden Klagegründe zurückgewiesen und daher die Klage insgesamt abgewiesen.

 Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

17      Die Rechtsmittelführerin beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben, und

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

18      Das EUIPO beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen, und

–        der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

19      Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf drei Gründe, nämlich erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009, zweitens eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und drittens eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung.

20      Zunächst ist der einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 betreffende erste Rechtsmittelgrund zu prüfen.

 Vorbringen der Parteien

21      Die Rechtsmittelführerin rügt mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, dass das Gericht im Rahmen seiner Prüfung der Frage, ob die angemeldete Marke gegen die guten Sitten verstoße, mehrere Fehler bei der Auslegung und der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 begangen habe. Dieser Rechtsmittelgrund besteht aus vier Teilen.

22      Erstens macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht gegen den Grundsatz der Einzelfallprüfung verstoßen habe, da es nicht die angemeldete Marke „Fack Ju Göhte“, sondern das Zeichen „Fuck you, Goethe“ geprüft habe.

23      Zudem hätten die Ausdrücke „fuck“ und „fuck you“ aufgrund der Entwicklung der Sprache in der Gesellschaft ihre vulgäre Bedeutung verloren. Die Eintragung von Ausdrücken, die diese Begriffe enthielten, als Marken werde nicht allgemein abgelehnt, wie die Eintragung von Zeichen wie „Fucking Hell“ und „MACAFUCKER“ als Unionsmarken zeige.

24      Zweitens rügt die Rechtsmittelführerin, durch die Anwendung der die Begriffe „fuck“ und „fuck you“ betreffenden Beurteilungen auf die Anmeldemarke in ihrer Gesamtheit habe das Gericht ebenso eine zu weitgehende Anwendung des die guten Sitten betreffenden absoluten Eintragungshindernisses des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 gewählt, wie mit seiner Feststellung, dass dem Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ eine dieses prägende Vulgarität innewohne, die der Bestandteil „Göhte“ nicht mildern könne.

25      Die Rechtsmittelführerin vertritt u. a. die Auffassung, das Gericht habe nicht die erforderliche Vorsicht und Sorgfalt bei der Anwendung dieses Eintragungshindernisses walten lassen, das sich zwar auf subjektive Werte beziehe, aber eng und so objektiv wie möglich anzuwenden sei, um zu vermeiden, dass Zeichen allein deshalb von der Eintragung ausgeschlossen würden, weil sie nicht dem persönlichen Geschmack des Prüfers entsprächen. Das Gericht hätte daher berücksichtigen müssen, dass der Gesamteindruck der angemeldeten Marke im Hinblick darauf, dass es sich dabei um die lautschriftliche Übertragung des Ausdrucks „fuck you“ ins Deutsche in Verbindung mit dem auf ein unbeliebtes Schulfach verweisenden Bestandteil „Göhte“ handele, harmlos, verspielt und kindisch sei und den Schulfrust zum Ausdruck bringe.

26      Drittens habe es das Gericht zu Unrecht für nicht erwiesen gehalten, dass die deutschsprachigen Verkehrskreise an der angemeldeten Marke im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen Anstoß nähmen. Das Gericht habe insoweit die Regeln über die Verteilung der Beweislast falsch angewendet. Außerdem habe das Gericht nicht erkannt, dass die Wahrnehmung der angemeldeten Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise nicht abstrakt und unabhängig von jeglicher empirischen Grundlage allein aufgrund subjektiver Werte bestimmt werden dürfe, sondern vielmehr unter Berücksichtigung der Hinweise auf die tatsächliche Wahrnehmung durch das Publikum beurteilt werden müsse. Insbesondere der große Erfolg des gleichnamigen Films sowie die Verwendung dieses Films zu Unterrichtszwecken durch das Goethe‑Institut (Deutschland) zeigten, dass das Scherzhafte der angemeldeten Marke von den maßgeblichen Verkehrskreisen, nämlich dem allgemeinen deutschsprachigen Publikum, verstanden und keineswegs für anstößig oder vulgär gehalten werde.

27      Viertens habe das Gericht aufgrund seiner fehlerhaften Beurteilungen einen Rechtsfehler begangen bei der Abwägung einerseits des Interesses der Rechtsmittelführerin an der Eintragung der angemeldeten Marke und andererseits des Interesses der Allgemeinheit, nicht mit sittenwidrigen Marken, also solchen Marken konfrontiert zu werden, die störend, vulgär, beleidigend oder bedrohlich sind.

28      Nach Ansicht des EUIPO ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

29      Erstens beruhe das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, wonach das Gericht statt der angemeldeten Marke „Fack Ju Göhte“ das Zeichen „Fuck you, Goethe“ geprüft habe, auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils. Dessen Rn. 17, 18 und 20 seien im Hinblick auf die in seiner Rn. 16 dargelegte Prämisse zu verstehen, dass der Verbraucher „eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt“, was ihn jedoch nicht daran hindere, diese „in … Wortbestandteile auf[zu]teilen …, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind“.

30      Zweitens betreffe das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, dass die Ausdrücke „fuck“ und „fuck you“ ihre ursprünglich sexuelle Bedeutung verloren hätten, so dass sie nicht mehr als vulgär und anstößig wahrgenommen würden, eine Tatsachenfeststellung und sei daher unzulässig. Jedenfalls sei dieses Vorbringen unbegründet, da das Gericht die inhärente Vulgarität des Begriffs „fuck you“ auch für den Fall festgestellt habe, dass er infolge der Entwicklung der Sprache nicht mehr in seiner sexuellen Bedeutung wahrgenommen werde.

31      Drittens habe das Gericht in Rn. 18 des angefochtenen Urteils ausdrücklich den Wandel der Bedeutung des Ausdrucks „fuck you“ berücksichtigt und erklärt, dass dieser auch verwendet werden könne, um Wut, Enttäuschung oder Missachtung gegenüber einem anderen zum Ausdruck zu bringen.

32      Viertens sei das Vorbringen der Rechtsmittelführerin unbegründet, dass das Gericht Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 falsch ausgelegt habe, wenn es feststelle, dass der große Erfolg des Films „Fack Ju Göhte“ nicht bedeute, dass die maßgeblichen Verkehrskreise von der angemeldeten Marke nicht schockiert wären. Anders als von der Rechtsmittelführerin dargestellt, habe das Gericht bei der Prüfung der guten Sitten keinen rein subjektiven Maßstab angewandt. Vielmehr habe es in den Rn. 28 bis 30 des angefochtenen Urteils ausdrücklich die Möglichkeit geprüft, ob die angemeldete Marke nicht als vulgär, sondern als ein „Scherz“ aufgefasst werden könne.

33      Das EUIPO führt hierzu aus, dass durch das mit einer Marke eingeräumte Exklusivrecht der unverfälschte Wettbewerb und nicht die freie Meinungsäußerung sichergestellt werden solle. Durch einen Filmtitel dagegen solle ein künstlerisches Werk von einem anderen unterschieden und dessen Inhalt bezeichnet, gleichzeitig aber auch die Meinungs- und die Kunstfreiheit zum Ausdruck gebracht werden. Dem Durchschnittsverbraucher sei dieser Unterschied bewusst. Er nehme daher Marken und Filmtitel nicht zwangsläufig in derselben Weise wahr. Selbst für diejenigen Verbraucher, denen der fragliche Film bekannt sei, könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie die angemeldete Marke als einen „Scherz“ wahrnähmen. Im Übrigen umfasse der Kreis der maßgeblichen Verbraucher weitaus mehr Menschen als nur die, die den fraglichen Film gesehen hätten und mit dem „jugendlichen Slang“ vertraut seien.

34      Fünftens ist das Gericht nach Auffassung des EUIPO zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die angemeldete Marke, da es sich um einen Begriff handele, der von den maßgeblichen Verkehrskreisen als naturgemäß vulgär und damit als anstößig wahrgenommen werde, eine „offensichtlich obszöne Marke“ sei und gegen die „guten Sitten“ verstoße.

35      Sechstens hält es das EUIPO für verfehlt, dass die Rechtsmittelführerin dem Gericht vorwirft, es habe in Rn. 30 des angefochtenen Urteils in rechtswidriger Weise die Beweislast umgekehrt mit der Feststellung, dass nicht erwiesen sei, dass die maßgeblichen Verkehrskreise in der angemeldeten Marke den entsprechenden Filmtitel erkennen und sie daher als einen „Scherz“ auffassen würden. Diese Ausführungen seien in ihrem Kontext zu lesen. Zwar seien nach Art. 75 Abs. 1 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 die absoluten Eintragungshindernisse von Amts wegen durch das EUIPO zu prüfen und ihr Vorliegen müsse schlüssig begründet werden. Doch wenn das EUIPO oder das Gericht, das bei der Abweisung einer gegen die Zurückweisung einer Markenanmeldung durch das EUIPO erhobenen Klage denselben rechtlichen Maßstäben genügen müsse, dem Anmelder allgemein bekannte Tatsachen oder eine auf die fehlende Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Marke gestützte Beurteilung entgegenhalte, sei es Sache des Anmelders, diese Tatsachen durch konkrete und fundierte Angaben zu widerlegen. Im angefochtenen Urteil habe das Gericht diese rechtlichen Anforderungen eingehalten.

36      Siebtens schließlich sei das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, dass das Gericht ihre Interessen und die Interessen der Allgemeinheit fehlerhaft gegeneinander abgewogen habe, unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

37      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, von der Eintragung ausgeschlossen. Zudem finden gemäß Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung die absoluten Eintragungshindernisse des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung auch dann Anwendung, wenn sie nur in einem Teil der Union vorliegen.

38      Wie das Gericht in Rn. 24 des angefochtenen Urteils von der Rechtsmittelführerin unwidersprochen feststellt, hat das EUIPO die Eintragung des Wortzeichens „Fack Ju Göhte“ nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 nicht wegen eines etwaigen Verstoßes dieses Zeichens gegen die öffentliche Ordnung, sondern allein mit der Begründung abgelehnt, dass es gegen die guten Sitten verstoße. Also ist der erste Rechtsmittelgrund allein im Hinblick auf dieses absolute Eintragungshindernis zu prüfen.

39      In Bezug auf dieses Eintragungshindernis ist festzustellen, dass der Begriff „gute Sitten“ in der Verordnung Nr. 207/2009 nicht definiert und daher unter Berücksichtigung seiner gewöhnlichen Bedeutung sowie des Zusammenhangs auszulegen ist, in dem er normalerweise verwendet wird. Wie der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bezieht sich dieser Begriff in seiner gewöhnlichen Bedeutung auf die grundlegenden moralischen Werte und Normen, an denen eine bestimmte Gesellschaft im jeweiligen Zeitpunkt festhält. Diese Werte und Normen, die sich im Laufe der Zeit entwickeln und von Ort zu Ort unterschiedlich sein können, müssen anhand des gesellschaftlichen Konsenses bestimmt werden, der innerhalb dieser Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beurteilung vorherrscht. Hierfür ist der gesellschaftliche Kontext angemessen zu berücksichtigen, wozu gegebenenfalls diesen kennzeichnende kulturelle, religiöse oder philosophische Unterschiede gehören, um so objektiv beurteilen zu können, was diese Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt für moralisch hinnehmbar hält.

40      Im Rahmen der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 ist es für die Prüfung der Frage, ob ein als Unionsmarke angemeldetes Zeichen gegen die guten Sitten verstößt, im Übrigen erforderlich, alle Aspekte des Einzelfalls zu prüfen, um zu bestimmen, wie die maßgeblichen Verkehrskreise ein solches Zeichen im Falle seiner Verwendung als Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen auffassen werden.

41      Insoweit reicht es für eine Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 nicht aus, wenn das betreffende Zeichen als geschmacklos angesehen wird. Zum Zeitpunkt der Prüfung muss dieses Zeichen von den maßgeblichen Verkehrskreisen dahin verstanden werden, dass es mit den zu diesem Zeitpunkt geltenden grundlegenden moralischen Werten und Normen der Gesellschaft unvereinbar ist.

42      Um festzustellen, ob dies der Fall ist, muss die Wahrnehmung einer vernünftigen Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle zugrunde gelegt werden, wobei der Kontext, in dem die Marke voraussichtlich wahrgenommen werden wird, sowie gegebenenfalls die für diesen Teil der Union maßgeblichen besonderen Umstände zu berücksichtigen sind. Hierfür sind Aspekte wie Gesetzestexte und Verwaltungspraktiken, die öffentliche Meinung und, gegebenenfalls, die Art und Weise, in der die maßgeblichen Verkehrskreise bisher auf dieses Zeichen oder auf vergleichbare Zeichen reagiert haben, sowie jedes andere Element maßgeblich, anhand dessen die Wahrnehmung durch diese Verkehrskreise beurteilt werden kann.

43      Die so durchzuführende Prüfung darf sich nicht auf eine abstrakte Beurteilung der angemeldeten Marke oder gar nur einzelner Bestandteile derselben beschränken, sondern es muss nachgewiesen werden, dass die Benutzung dieser Marke im konkreten und gegenwärtigen sozialen Kontext von den maßgeblichen Verkehrskreisen tatsächlich als Verstoß gegen die grundlegenden moralischen Werte und Normen der Gesellschaft wahrgenommen würde, insbesondere, wenn der Anmelder Aspekte vorgetragen hat, die geeignet sind, Zweifel an der Tatsache aufkommen zu lassen, dass diese Marke von diesem Publikum als sittenwidrig empfunden werde.

44      Die Begründetheit des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem eine fehlerhafte Auslegung und Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 durch das Gericht geltend gemacht wird, ist im Hinblick auf diese Grundsätze zu prüfen.

45      Vorliegend wird nicht bestritten, dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise gemäß den insoweit die Beurteilung der Beschwerdekammer bestätigenden Feststellungen des Gerichts in den Rn. 14 bis 17 des angefochtenen Urteils aus der breiten deutschsprachigen Öffentlichkeit in der Union zusammensetzen, also insbesondere aus Deutschen und Österreichern.

46      In Bezug auf die Wahrnehmung der angemeldeten Marke durch diese Verkehrskreise hat das Gericht in Rn. 18 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass sie die Marke mit dem englischen Ausdruck „fuck you“ ergänzt durch den Familiennamen Goethe gleichsetzen werden – das Ganze, bedingt durch eine lautschriftliche Übertragung dieses Ausdrucks ins Deutsche, in fehlerhafter Rechtschreibung. Zwar habe der englische Ausdruck „fuck you“ ursprünglich eine sexuelle Bedeutung gehabt und sei von Vulgarität geprägt gewesen, doch werde er auch in einem anderen Zusammenhang verwendet, um Wut, Enttäuschung oder Missachtung gegenüber einem anderen zum Ausdruck zu bringen. Selbst in einem solchen Fall bleibe dieser Ausdruck aber durch eine ihm innewohnende Vulgarität geprägt und der am Ende des in Rede stehenden Zeichens hinzugefügte Bestandteil „Göhte“ ermögliche zwar eine Bestimmung des „Adressaten“ der Wörter am Anfang des Zeichens, sei aber nicht geeignet, die Vulgarität abzumildern.

47      In Rn. 19 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zudem ausgeführt, dass entgegen den Ausführungen der Rechtsmittelführerin der Umstand, dass der Film Fack Ju Göhte seit seinem Kinostart von mehreren Millionen Menschen gesehen wurde, nicht bedeute, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht von dem angemeldeten Zeichen schockiert wären.

48      In Rn. 20 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht daher fest, dass die Beschwerdekammer unter diesen Umständen zu Recht davon ausgegangen sei, dass der englische Ausdruck „fuck you“ und somit die angemeldete Marke insgesamt naturgemäß vulgär seien und die maßgeblichen Verkehrskreise daran Anstoß nehmen könnten. Somit habe sie hieraus zutreffend geschlossen, dass die angemeldete Marke nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung auszuschließen sei.

49      Die vom Gericht durchgeführte Prüfung genügt insoweit nicht den in den Rn. 39 bis 43 des vorliegenden Urteils dargelegten Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009.

50      Im Hinblick auf den sozialen Kontext der hierzu von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Aspekte und insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Wortzeichen „Fack Ju Göhte“, wie vom Gericht in den Rn. 2 und 19 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dem Titel einer von der Rechtsmittelführerin produzierten deutschen Filmkomödie entspricht, die in Deutschland zu einem der größten Kinoerfolge des Jahres 2013 gehörte und seit ihrem Kinostart von mehreren Millionen Menschen gesehen wurde, durfte das Gericht, um rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass die angemeldete Marke von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit als Verstoß gegen die guten Sitten wahrgenommen werde, sich nämlich nicht auf eine abstrakte Beurteilung dieser Marke und des englischen Ausdrucks beschränken, mit dem der erste Teil der Marke von diesen Verkehrskreisen gleichgesetzt wird.

51      Dass diese Marke als solche zu prüfen ist, bedeutet somit nicht, dass dabei Hintergrundelemente unberücksichtigt bleiben dürften, durch die verdeutlicht werden kann, wie die maßgeblichen Verkehrskreise diese Marke auffassen werden.

52      Wie der Generalanwalt in Nr. 94 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gehören zu diesen Elementen der große Erfolg der gleichnamigen Filmkomödie bei der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit und der Umstand, dass ihr Titel offenbar nicht umstritten war, sowie die Tatsache, dass der Film für Jugendliche freigegeben wurde und vom Goethe‑Institut, dem Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland, das weltweit tätig ist und zu dessen Aufgaben die Förderung deutscher Sprachkenntnisse zählt, zu Unterrichtszwecken genutzt wird.

53      Da diese Elemente zunächst einen Hinweis darauf darstellen können, dass die deutschsprachige breite Öffentlichkeit ungeachtet der Gleichsetzung des ersten Teils der angemeldeten Marke mit dem englischen Ausdruck „fuck you“ das Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ nicht als moralisch verwerflich wahrnehmen werde, durfte das Gericht, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass dieses Zeichen mit den guten Sitten unvereinbar sei, sich nicht allein darauf stützen, dass dieser englische Ausdruck naturgemäß vulgär sei, ohne diese Elemente zu prüfen und ohne schlüssig die Gründe für seine Auffassung darzulegen, dass die deutschsprachige breite Öffentlichkeit das Zeichen bei seiner Benutzung als Marke gleichwohl als Verstoß gegen die grundlegenden moralischen Werte und Normen der Gesellschaft wahrnehmen werde.

54      Insbesondere genügen einfache Behauptungen, wie sie in Rn. 19 des angefochtenen Urteils enthalten sind und in Rn. 47 des vorliegenden Urteils wiedergegeben werden, ebenso wenig diesen Prüfungs- und Begründungsanforderungen wie die Feststellung in Rn. 30 des angefochtenen Urteils, wonach nicht erwiesen sei, dass die maßgeblichen Verkehrskreise bei den Tätigkeiten, bei denen sie der angemeldeten Marke begegneten, in dieser den Titel eines erfolgreichen Films erkennen und diese Marke als einen „Scherz“ wahrnehmen würden.

55      Insbesondere in Bezug auf diese letztgenannte Feststellung ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Gericht sich im angefochtenen Urteil davon hätte überzeugen müssen, dass das EUIPO nicht gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen hatte, wonach es verpflichtet ist, im Rahmen eines absolute Eintragungshindernisse betreffenden Verfahrens den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und das Vorliegen solcher Hindernisse rechtlich hinreichend nachzuweisen. Zum anderen setzt das Erfordernis einer Prüfung von Hintergrundelementen wie den in Rn. 52 des vorliegenden Urteils angeführten bei der konkreten Beurteilung der Art und Weise, wie die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Marke wahrnehmen werden, nicht den Nachweis voraus, dass diese in der Marke den Titel der gleichnamigen Komödie wiedererkennen oder die Marke als einen „Scherz“ auffassen werden, wobei das Fehlen dieser beiden Umstände im Übrigen nicht erlaubt, einen Verstoß gegen die guten Sitten festzustellen.

56      Schließlich ist noch zu ergänzen, dass entgegen der Feststellung des Gerichts in Rn. 29 des angefochtenen Urteils, dass „im Bereich der Kunst, der Kultur und der Literatur stets der Schutz der freien Meinungsäußerung angestrebt [wird], der im Bereich des Markenrechts nicht besteht“, die in Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Meinungsfreiheit, wie vom EUIPO in der mündlichen Verhandlung eingeräumt und vom Generalanwalt in den Nrn. 47 bis 57 seiner Schlussanträge ausgeführt, bei der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 zu berücksichtigen ist. Dieses Ergebnis wird im Übrigen sowohl durch den 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2015/2424, durch die die Verordnung Nr. 207/2009 geändert wurde, als auch durch den 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001 gestützt, die jeweils ausdrücklich das Erfordernis betonen, diese Verordnungen so anzuwenden, dass den Grundrechten und Grundfreiheiten, insbesondere dem Recht auf freie Meinungsäußerung, in vollem Umfang Rechnung getragen wird.

57      Nach alledem sind die Auslegung und die Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 durch das Gericht im angefochtenen Urteil mit Rechtsfehlern behaftet, die als solche bereits ausreichen, um dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben, ohne dass das weitere Vorbringen, auf das die Rechtsmittelführerin diesen Grund stützt, geprüft werden müsste.

58      Daher ist das angefochtene Urteil aufzuheben, ohne dass es einer Prüfung des zweiten und des dritten Rechtsmittelgrundes bedarf.

 Zur Klage vor dem Gericht

59      Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, sofern dieser zur Entscheidung reif ist.

60      Dies ist vorliegend der Fall.

61      Die Rechtsmittelführerin machte vor dem Gericht als ersten Klagegrund einen Verstoß der streitigen Entscheidung gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

62      Diese Entscheidung, insbesondere die in deren Rn. 21 bis 41 vorgenommene Prüfung betreffend die Wahrnehmung der angemeldeten Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise, enthält aber weitgehend dieselben Fehler wie das angefochtene Urteil.

63      So hat die Beschwerdekammer in den Rn. 21 bis 23 der streitigen Entscheidung im Kern festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise im ersten Teil der angemeldeten Marke den englischen Ausdruck „fuck you“ erkennen würden, und sodann in den Rn. 24 bis 28 dieser Entscheidung ausgeführt, dass dieser Ausdruck vulgär und anstößig sei. In den nachfolgenden Rn. 29 bis 33 der streitigen Entscheidung hat die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten, dass die Wahrnehmung der Beleidigung „fuck you“ durch die Hinzufügung des Elements „Göhte“ nicht wesentlich abgeändert werden könne. Sie stützte sich dabei auf eine weitgehend abstrakte Beurteilung des englischen Ausdrucks „fuck you“, ohne die in Rn. 52 des vorliegenden Urteils angeführten Hintergrundelemente zu berücksichtigen.

64      In Bezug auf diese Elemente hat die Beschwerdekammer in Rn. 36 der streitigen Entscheidung eingeräumt, dass den von der Rechtsmittelführerin eingereichten Unterlagen zweifelsfrei entnommen werden könne, dass die Filmkomödie Fack Ju Göhte, die in Deutschland von knapp 7,4 Mio. Zuschauern gesehen wurde, und die Komödie Fack Ju Göhte 2 gemessen an den Besucherzahlen zu den größten deutschen Kinoerfolgen gehören und auch in Österreich sehr erfolgreich waren. Daher könne davon ausgegangen werden, dass die relevanten deutschsprachigen Allgemeinverbraucher jedenfalls von diesen Komödien gehört hätten. Allerdings vertrat die Beschwerdekammer in Rn. 37 der streitigen Entscheidung die Auffassung, dass aus dem großen Publikumserfolg dieser Komödien nicht geschlossen werden könne, dass diese Verkehrskreise den Filmtitel nicht für anstößig hielten, da dieser nicht den Inhalt der Filme beschreibe, in denen es im Übrigen nicht um Goethe gehe. Vielmehr besage die Verwendung der Beschimpfung „Fack Ju“ als Filmtitel nichts über ihre gesellschaftliche Akzeptanz.

65      Zum einen ist es jedoch nicht erforderlich, dass der Titel eines Films dessen Inhalt beschreibt, damit dieser als maßgebliches Hintergrundelement für die Beurteilung der Frage herangezogen werden kann, ob die relevanten Verkehrskreise diesen und ein gleichlautendes Wortzeichen als sittenwidrig wahrnehmen werden.

66      Zum anderen beweist zwar der Erfolg eines Films nicht ohne Weiteres die gesellschaftliche Akzeptanz seines Titels und eines gleichlautenden Wortzeichens, stellt aber doch zumindest ein Indiz für eine solche Akzeptanz dar, die im Licht aller maßgeblichen Elemente des Einzelfalls zu bewerten ist, um die Wahrnehmung dieses Zeichens im Fall seiner Verwendung als Marke konkret beurteilen zu können.

67      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend nicht nur die Filmkomödien Fack Ju Göhte und Fack Ju Göhte 2, zu denen es im Übrigen im Jahr 2017 noch eine Fortsetzung gab, gerade bei den maßgeblichen Verkehrskreisen so erfolgreich waren, dass – wie von der Beschwerdekammer selbst festgestellt – davon ausgegangen werden kann, dass die Verbraucher, aus denen sich diese Verkehrskreise zusammensetzen, jedenfalls bereits von diesen Komödien gehört haben, sondern dass zudem und trotz der mit einem solchen Erfolg einhergehenden großen Sichtbarkeit ihres Titels dieser offenbar nicht zu einem Meinungsstreit bei diesem Publikum geführt hat. Im Übrigen wurden zu den Filmkomödien mit diesem Titel, die im schulischen Umfeld spielen, jugendliche Zuschauer zugelassen, haben sie der Rn. 39 der streitigen Entscheidung zufolge Fördermittel verschiedener Organisationen erhalten und wurden sie überdies vom Goethe‑Institut zu Unterrichtszwecken verwendet.

68      Somit weisen alle diese Hintergrundelemente übereinstimmend darauf hin, dass der Titel besagter Filmkomödien, obwohl der Begriff „Fack Ju“ mit dem englischen Ausdruck „fuck you“ in Verbindung gebracht werden kann, vom allgemeinen deutschsprachigen Publikum nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wurde. Insoweit ist zudem festzustellen, dass die Wahrnehmung dieses englischen Ausdrucks durch das deutschsprachige Publikum, obwohl er diesem bekannt ist und es seine Bedeutung kennt, nicht zwangsläufig dieselbe wie die eines englischsprachigen Publikums ist, weil in der Muttersprache die Empfindlichkeit wesentlich stärker als in einer Fremdsprache sein kann. Aus dem gleichen Grund nimmt das deutschsprachige Publikum diesen englischen Ausdruck auch nicht zwangsläufig ebenso wahr, wie es dessen deutsche Übersetzung wahrnehmen würde. Darüber hinaus bestehen der Titel der fraglichen Komödien und damit die angemeldete Marke nicht aus diesem englischen Ausdruck als solchem, sondern aus dessen lautschriftlicher Übertragung ins Deutsche, ergänzt um das Element „Göhte“.

69      Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass kein konkreter Aspekt vorgetragen wurde, um plausibel zu erklären, weshalb das allgemeine deutschsprachige Publikum das Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ als Verstoß gegen grundlegende moralische Werte und Normen der Gesellschaft wahrnähme, wenn es als Marke verwendet würde, obwohl dasselbe Publikum den Titel der gleichnamigen Komödien offenbar nicht für sittenwidrig hielt, ist festzustellen, dass das EUIPO nicht rechtlich hinreichend dargetan hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 der Eintragung der angemeldeten Marke entgegensteht.

70      Weiter ist festzustellen, dass anders als von der Beschwerdekammer in Rn. 38 der streitigen Entscheidung ausgeführt, der Erfolg der gleichnamigen Komödien als Hintergrundelement nicht dadurch irrelevant wird, dass das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 nicht überwunden werden kann, indem der Nachweis dafür erbracht wird, dass die angemeldete Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat. Der Erfolg der gleichnamigen Filme bei den maßgeblichen Verkehrskreisen und das Ausbleiben eines Meinungsstreits betreffend ihren Titel sind im Hinblick auf die Frage zu berücksichtigen, ob die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Marke als Verstoß gegen die guten Sitten wahrnehmen und ob ihr daher dieses absolute Eintragungshindernis entgegensteht, und nicht im Hinblick darauf, dieses Eintragungshindernis unberücksichtigt zu lassen, nachdem seine Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall festgestellt wurde.

71      Nach alledem hat die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 falsch ausgelegt und angewandt, so dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist.

 Kosten

72      Gemäß Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

73      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

74      Da die Rechtsmittelführerin die Verurteilung des EUIPO zur Tragung der Kosten beantragt hat und dieses unterlegen ist, sind dem EUIPO sowohl die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug in der Rechtssache T‑69/17 als auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 24. Januar 2018, Constantin Film Produktion/EUIPO (Fack Ju Göhte) (T69/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:27), wird aufgehoben.

2.      Die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 1. Dezember 2016 (Sache R 2205/20155) über die Anmeldung des Wortzeichens „Fack Ju Göhte“ als Unionsmarke wird aufgehoben.

3.      Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum trägt neben seinen eigenen Kosten auch die Kosten, die der Constantin Film Produktion GmbH sowohl im ersten Rechtszug in der Rechtssache T69/17 als auch im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

Regan

Jarukaitis

Juhász

Ilešič

 

Lycourgos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Februar 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Fünften Kammer

A. Calot Escobar

 

E. Regan


*      Verfahrenssprache: Deutsch.