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Krieg in der Ukraine 42 Staaten fordern Abzug Russlands aus Europas größtem Atomkraftwerk

Erneut sind in der Nähe des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja Raketen eingeschlagen. Die EU und Dutzende weitere Länder fordern Russland auf, das Gelände sofort zu verlassen.
Ein russischer Soldat bewacht einen Bereich des Kernkraftwerks Saporischschja.

Ein russischer Soldat bewacht einen Bereich des Kernkraftwerks Saporischschja.

Foto: dpa

In der ukrainischen Stadt Enerhodar am russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja sind am Sonntag erneut Artilleriegeschosse eingeschlagen. Russland und die Ukraine machen sich gegenseitig für den Beschuss verantwortlich.

Die Lage rund um Europas größtes Atomkraftwerk wird nach Angaben des Bürgermeisters von Enerhodar immer brenzliger. Das Risiko einer atomaren Katastrophe »wächst jeden Tag«, sagte Dmytro Orlow am Sonntag in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP. Die russische Armee beschieße »die Infrastruktur, die den sicheren Betrieb des Kraftwerks sicherstellt.«

42 Staaten fordern deshalb nun den sofortigen Abzug russischer Truppen. »Die Stationierung von russischen Militärs und Waffen in der Atomanlage ist inakzeptabel«, heißt es in der Erklärung. Russland verletze die Sicherheitsprinzipien, auf die sich alle Mitgliedsländer der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) verpflichtet hätten.

Die Vereinten Nationen, Russland und die Ukraine haben sich bislang nicht über die Modalitäten einer AKW-Inspektion durch Experten der IAEA einigen können.

Die Kontrolle über das AKW müsse den befugten ukrainischen Behörden übergeben werden, heißt es nun in der Forderung. Dann könnten Experten der IAEA ihre Aufsichtspflicht über die Arbeit der Ukrainer wahrnehmen. Russland müsse vollständig aus der Ukraine abziehen und den »durch nichts provozierten oder gerechtfertigten Angriffskrieg« gegen das Nachbarland beenden.

Unterzeichnet wurde das Dokument unter anderem von der EU im Namen aller Mitglieder und den USA, Großbritannien, Norwegen, Australien, Japan und Neuseeland.

»Was da passiert, ist regelrechter nuklearer Terrorismus«

Dmytro Orlow, Bürgermeister von Enerhodar

Die Kremltruppen kontrollieren das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja seit März, in den vergangenen Tagen wurde es wiederholt beschossen.

Nach den ersten Angriffen auf das Kraftwerk am 5. August musste ein Reaktor heruntergefahren werden. Bei Angriffen am Donnerstag wurden eine Pumpstation sowie Strahlungssensoren beschädigt. »Was da passiert, ist regelrechter nuklearer Terrorismus«, so Bürgermeister Orlow. »Das kann jederzeit unvorhergesehen enden.« Die Feuerschutzregeln würden immer wieder verletzt und die Lage »heizt sich weiter auf«.

Selenskyi spricht von »Erpressung«

Russische und ukrainische Quellen berichten, dass bei den jüngsten Angriffen auf Enerhodar ein Zivilist ums Leben gekommen ist. In der »nahen Zukunft« gebe es möglicherweise nicht mehr genügend Personal für einen ordnungsgemäßen Betrieb des AKW Saporischschja, sagte Orlow. Er selbst ist schon im April von Enerhodar nach Saporischschja geflohen.

Auch der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj hatte am Samstag in seiner täglichen Videoansprache schwere Vorwürfe an Russland gerichtet. Die Russen nutzten das AKW Saporischschja für eine »Erpressung«, indem sie »auf extrem zynische Weise« Angst verbreiteten. Die russischen Truppen »versteckten« sich hinter dem Atomkraftwerk, um die ukrainisch kontrollierten Städte Nikopol und Marhanez zu beschießen.

vet/dpa/AFP

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