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Bestseller / Däniken Gläubige Gemeinde

aus DER SPIEGEL 40/1970

Der Mainzer Prähistoriker Professor Herbert Kühn reimte frei nach Wilhelm Busch: »Es lautet der Spruch des wissenschaftlichen Gerichts: Mit Herrn von Däniken ist es nichts.«

Der Spottvers des Professors gilt dem Schweizer Sonntagsforscher Erich von Däniken, 35, der in seinen beiden Büchern »Erinnerungen an die Zukunft« und »Zurück zu den Sternen« unbefangen behauptete: Wesen von fremden Sternen seien in prähistorischer Zeit auf der Erde gelandet und von den Bewohnern als Götter verehrt worden. Spuren einer solchen Invasion aus dem All fänden sich - so meint Däniken jetzt auch in einem SPIEGEL-Interview - in den Mythen fast aller Völker, in den Schriften der großen Religionen und in zahlreichen archäologischen Funden.

Seitdem grassiert, dem Gespött der Wissenschaftler zum Trotz, in Deutschland die Dänikitis. 600.000 Exemplare von Dänikens erstem, 270.000 von seinem zweiten Buch konnte der Düsseldorfer Econ-Verlag bislang absetzen. Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Dänikens phantasievolle Thesen. Die Berliner Terra-Filmkunst drehte einen Dokumentarfilm, dessen Weltpremiere während des ersten Lufthansa-Jumbo-Jet-Fluges von Frankfurt nach New York stattfand. Und jetzt veröffentlicht der Econ-Verlag gleich zwei Bücher über seinen erfolgreichsten Autor (»Die Götter waren Astronauten«, »Das seltsame Leben des Erich von Däniken«)

»Man hat das Gefühl, den Anfängen eines hitzigen Glaubensstreites beizuwohnen«, so beurteilt der Kölner Ordinarius für Sozialpsychologie, Hans Anger, die mit emotionalem Eifer geführten Diskussionen einer gläubigen Gemeinde über Dänikens Behauptungen. Jeder vierte Deutsche hält es nach einer SPIEGEL-Umfrage entweder für wahrscheinlich oder doch für möglich, daß unsere Ahnen Besucher von fremden Gestirnen empfangen hätten. Dabei ist Dänikens Kosmonauten-Mythos bei Bundesbürgern mit Abitur populärer als bei Volksschülern.

Inzwischen hat die Dänikitis alle Grenzen - der Bundesrepublik - überschritten. Eine holländische Ausgabe der »Erinnerungen an die Zukunft« erreichte innerhalb von zwei Monaten eine Verkaufsziffer von 30.000 Exemplaren. Andere Däniken-Übersetzungen erschienen in fast allen westeuropäischen Ländern. Aber auch Kommunisten waren von Dänikens göttlichen Kosmonauten fasziniert: Rumänen, Serben, Tschechen und Slowaken können die »Erinnerungen« lesen. Sogar in drei indische Sprachen, Bengali, Marathi und Kanarees, wurden Dänikens prähistorische Besuchsberichte übersetzt; eine portugiesische Ausgabe erschien in Brasilien, und auch »Gottes eigenes Land«, die USA, wird nun von Däniken über den göttlichen Ursprung der Raumfahrt aufgeklärt.

Seinen weltweiten Ruhm verdankt der Schneidersohn aus Zofingen den streng katholischen Magistern am Fribourger Collège Saint-Michel. Pubertäre Zweifel des Internatsschülers am jenseitigen Gott des Christentums wurden von einem Abbé, so erinnert sich ein ehemaliger Mitschüler Dänikens, schroff zurückgewiesen: »Entweder glauben Sie oder Sie glauben nicht, es gibt keinen dritten Weg.«

Eben diesen dritten Weg versuchte Däniken trotzdem zu entdecken. Als Kellner, Hotelier und Amateurarchäologe vagabundierte er 13 Jahre lang durch Asien, Afrika, Amerika und Europa, um in den Spuren der Vergangenheit eine natürliche Erklärung für den Glauben an höhere Wesen zu finden. Immer mehr kommt er zu der Überzeugung, daß die angeblichen Götter in Wirklichkeit galaktische Kosmonauten gewesen seien.

Felszeichnungen in der Sahara und in Südamerika, die Wesen mit Hörnern zeigen, glaubt Däniken als Raumfahrer identifizieren zu können - die Hörner deutet er als Antennen auf Raumfahrerhelmen. Fels- und Sandverglasungen in der Wüste Gobi und im Irak lassen ihn vermuten, daß dort einst mit. Atomkraft betriebene Raumschiffe gelandet seien.

Die Menschenopfer des Maya-Kults, bei denen der Priester das Herz herausschnitt, sieht Däniken als Versuche an, die von den Götter-Kosmonauten praktizierten Herzverpflanzungen erfolglos nachzuahmen.

Über seinen Erinnerungen an die Zukunft vergaß Däniken jedoch die Gegenwart: Am 19. November 1968 wurde Däniken auf dem Wiener Flughafen verhaftet. Die Graubündener Justiz hatte über Interpol nach dem Sonntagsforscher fahnden lassen, weil er sich angeblich der Unterschlagung und Urkundenfälschung schuldig gemacht hatte.

Am 13. Februar 1970 verurteilte ihn das Kantonsgericht von Graubünden in Chur wegen wiederholter und fortgesetzter Veruntreuung, wiederholten und gewerbsmäßigen Betruges und wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus, wogegen sein Anwalt im Mai beim Schweizerischen Bundesgericht zwei Beschwerden eingelegt hat. Außerdem mußte Bestseller-Autor Däniken 3000 Schweizer Franken Buße zahlen -- exakt die Summe, die er damals im Gefängnis Tag für Tag an seinen Büchern verdiente.

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