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Niedersachsens AfD-Fraktion schaltet umstrittenes Lehrer-Portal frei

Trotz Kritik hat die AfD auch in Niedersachsen eine Lehrer-Meldeplattform gestartet, auf der angeblich politisch nicht neutrale Lehrer gemeldet werden können.

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Niedersachsens AfD-Fraktion schaltet umstrittenes Lehrer-Portal frei

Die AfD sieht einen Verstoß des Lehrers etwa, wenn dieser "Argumente pauschal als fremdenfeindlich, rassistisch, diskriminierend oder menschenverachtend bewertet, obwohl diese sich innerhalb des Grundgesetzes bewegen".

Die AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag hat ein umstrittenes Internetportal freigeschaltet, auf dem Schüler politische Äußerungen ihrer Lehrer melden können. "Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass bestimmte Verhaltensweisen an den Schulen nicht in Ordnung sind", sagte der AfD-Bildungsexperte Harm Rykena am Montag in Hannover.

Die Fraktion folgt mit der Einrichtung des Portals Parteifreunden in anderen Bundesländern. Die AfD will damit nach eigener Darstellung zur Durchsetzung des Neutralitätsgebots an niedersächsischen Schulen beitragen. Lehrerverbände und Vertreter anderer Parteien rügten das Portal als Plattform zur Denunziation.

Alles dreht sich ums Neutralitätsgebot der Lehrer

Auf der Webseite finden sich Rechtsvorschriften, die das Neutralitätsgebot an Schulen regeln. Unter der Rubrik "Tipps" gibt es Hinweise dazu, was bei Verstößen zu tun ist. Die AfD rät, zunächst das Gespräch mit dem Fachlehrer zu suchen, eventuell auch die Elternvertreter oder den Schulleiter zu informieren oder sich an die Landesschulbehörde zu wenden. Wer das nicht möchte, kann über einen Link auf dem Portal eine Mail an die AfD schreiben. "Wir halten dann Rücksprache mit dem Autor, prüfen, ob alles seriös ist. Falls gewünscht, leiten wir die Beschwerde auch an die Landesschulbehörde weiter", sagte Rykena. Persönlichkeitsrechte blieben dabei gewahrt.

Ähnliche Melde-Plattformen der AfD gibt es bereits in Hamburg, Berlin, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg. In Rheinland-Pfalz prüft die AfD nach eigenen Angaben noch, ob sie ein Melde-Portal freischaltet. In Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Hessen und dem Saarland hat sich die AfD dagegen entschieden.

Weitergabe an Dritte unklar

Die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel kann nach Angaben ihres Sprechers nicht überprüfen, ob Daten, die über das Portal zu Personen gesammelt werden, an Dritte weitergegeben werden. Denn die Kontrollbefugnis der Beauftragten erstrecke sich "nicht auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben durch Fraktionen". Zuständig für Beschwerden und Kontrolle sei die Datenschutzkommission des Landtags, dem Mitglieder der einzelnen Fraktionen angehören.

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) verurteilte den Schritt der AfD. "Dieses Portal dient einzig und allein dazu, das Klima in der Schule zu vergiften und bei Lehrkräften den Versuch zu starten, Unsicherheit hervorzurufen", sagte Tonne. Lehrerverbände reagierten auf die Freischaltung des Portals mit Empörung. "Mit der Einrichtung eines niedersächsischen Denunziationsportals macht die AfD deutlich, dass sie unsere Demokratie und ihre Grundwerte in Frage stellt", sagte der Vorsitzende des niedersächsischen Philologenverbandes, Horst Audritz. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sprach von einem "unerhörten Vorgang".

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Kritik von vielen Seiten

In den weiterführenden Schulen in Niedersachsen steht Politik-Unterricht ab der 8. Klasse auf dem Lehrplan. "Wir lernen aber dabei nicht auswendig, wie Demokratie funktioniert", erläuterte Audritz, der viele Jahre als Politiklehrer gearbeitet hat. Vielmehr nehme der Unterricht häufig Bezug auf aktuelle Anlässe, beispielsweise auf eine bevorstehende Wahl oder eine gesellschaftliche Debatte – wie etwa die um das AfD-Meldeportal.

Dabei werde auch das Parteiensystem erläutert. "Wir verwenden Materialien von der Bundeszentrale für politische Bildung, aber auch Zeitungsartikel und kontroverse Quellen von den Parteien selbst", so Audritz. Die Schüler sollten in quellenkritischem Umgang mit den Texten lernen, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Kritik am AfD-Portal kam auch von Vertretern anderer Parteien. "Mit dieser Plattform zeigt die AfD erneut, dass sie niemanden duldet, der eine andere Weltsicht hat", sagte die bildungspolitische Sprecherin Grünen, Julia Hamburg. Der FDP-Bildungsexperte Björn Försterling sprach von "PR-Getöse der AfD". Eltern hätten auch jetzt schon die Möglichkeit, sich an die Landesschulbehörde zu wenden, wenn sie dies für notwendig hielten. (tiw)

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