Abitur 2020:Reifeprüfung im Zeichen von Corona

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Auf den weit auseinandergerückten Tischen in der Turnhalle des Luisen-Gymnasiums stehen kleine Säckchen mit Taschentüchern, Traubenzucker und noch anderen Süßigkeiten für die Abiturienten bereit. (Foto: Florian Peljak)

Trotz geklauter Aufgaben und Corona-Regeln: Für 1200 Münchner Gymnasiasten beginnen die Abschlussprüfungen. Für Schüler und Lehrer geht es vor allem um Fairness.

Von Sabine Buchwald

Für 35 000 Schülerinnen und Schüler in Bayern beginnen diesen Mittwoch die Abiturprüfungen. Gut 1200 sind es allein in München, die sich an diesem Vormittag fünf Stunden mit dem ersten schriftlichen Prüfungsfach, mit Deutsch, auseinandersetzen müssen. "Ich bin froh, dass es endlich losgeht und das Abi nicht noch mal verschoben wurde", sagt die 18-jährige Zoe Jais. Sie hoffe, dass die Prüfungen den Umständen entsprechend fair ausfallen. Mit dieser Haltung spricht sie vielen Schülern und Lehrern aus der Seele.

Statt ursprünglich am 30. April ist nun also der 20. Mai der erste Abiturtag an allen bayerischen und somit auch an den 40 Münchner Gymnasien. Seit Tagen bereiten sich die Schulen darauf vor. Sie haben ihre Häuser mit Seifen und Desinfektionsmitteln ausgestattet, ihre Unterrichtsräume und Turnhallen vermessen, um die vom Kultusministerium erlassenen Hygieneregeln zu gewährleisten. Im städtischen Luisen-Gymnasium in der Nähe des Hauptbahnhofs wird in den Turnhallen geschrieben. Das ist an sich nichts Besonderes. Nur müssen heuer die gründlich desinfizierten Tische mit einem Zwischenraum von drei Metern aufgestellt werden, damit die kontrollierenden Lehrkräfte mit anderthalb Metern Abstand von den einzelnen Prüflingen durch die Reihen gehen können.

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"Belüftung, Mundschutz, Händewaschen, es gibt unheimlich viel, an was wir in diesem Jahr denken müssen", sagt Gesa Hollauf, Schulleiterin des Luisen-Gymnasiums. Mehr Lehrer als sonst müssten beispielsweise als Aufsichtspersonen eingesetzt werden. Doch nicht alle stünden zur Verfügung, weil sie zu Risikogruppen gehörten. Hollauf verhehlt nicht, dass sie in den vergangenen Wochen nicht viel geschlafen hat. Dennoch wirkt sie gelassen. Ihre Freude ist durchs Telefon zu hören, als sie erzählt, dass gerade das Okay aus dem Kultusministerium gekommen sei für die praktischen Prüfungen in Sport und Musik. Bläser und Sänger dürften mit fünf Metern Abstand, aber nicht in Richtung der prüfenden Lehrer Töne von sich geben, erklärt sie. Insgesamt hält Hollauf die Regeln für die Schülerinnen und Schüler für fair. "Am Ende werden sie ein echtes, kein Corona-Abitur in Händen halten."

Auch am Thomas-Mann-Gymnasium (TMG) in Solln wird in den Turnhallen geschrieben. 72 Abiturienten sind es in diesem Jahr. In den letzten Tagen wurden sie noch auf ein paar besondere Regeln hingewiesen: Nicht in Gruppen die Schule betreten, möglichst eigene Duden mitbringen, nichts Fremdes benutzen. Vorsorglich werden an die Schüler Einmalhandschuhe verteilt. Damit alle am Mittwoch pünktlich um acht Uhr anfangen können, sollen die Abiturienten mindestens eine Viertelstunde früher da sein. Die Arbeitsplätze werden im Losverfahren vergeben. Niemand soll sich benachteiligt fühlen. Vor dem Abitur gebe es immer eine gewisse Nervosität, sagt Schulleiterin Bärbel Ebner. Im Prinzip aber habe sich am Ablauf des Abiturs nicht so viel verändert im Vergleich zu den Jahren davor.

Die Zeit seit März war dennoch aufreibender, weil lange nicht klar war, wie es weitergehen würde. Wie in anderen Schulen auch wurden die Abiturienten am TMG in ihren Prüfungsfächern über Videokonferenzen und zuletzt auch in Präsenzstunden unterrichtet. Schulpsychologen halfen bei individuellen Problemen. Ebner möchte nun während der Prüfungszeit so viel Normalität und Sicherheit wie möglich bieten, denn das brauche der Mensch. Ganz so normal ist die Situation an den Schulen wohl nicht. "Die haben einen wahnsinnigen Aufwand betrieben", sagt Susanne Arendt, Vorsitzende der Landeselternvereinigung der Gymnasien in Bayern. Folglich erwarte sie, dass alles gut laufen werde, sofern alle die Regeln einhalten.

Nicht regelkonform sind Einbrüche in Schulen. Doch verhindern können sie das Abitur nicht. Sie verschaffen den Direktoren und Lehrern lediglich ein große Menge Mehrarbeit. Am Wochenende waren aus dem Tresor des Bamberger Kaiser-Heinrich-Gymnasiums die Aufgaben für das Deutschabitur gestohlen worden. Nun werden die bayerischen Abiturienten vor Ersatzaufgaben sitzen, die das Kultusministerium für solche Fälle schon in der Schublade hat. Jede Schule muss sie nun individuell bereitstellen, was in Deutsch nicht gerade ressourcensparend ist. Der Diebstahl war also ein Bärendienst für die klimabewusste "Fridays for Future"-Generation. Jedenfalls war er kein lustiger Abistreich, meint Gesa Hollauf, sie hätte gut darauf verzichten können.

Durch die neuen Rahmenbedingungen, die die Corona-Phase mit sich bringt, erlebe sie viele Schülerinnen und Schüler verunsichert, sagt eine Deutschlehrerin, die ihren Namen hier nicht lesen möchte. Allerdings findet sie, dass der digitale Corona-Unterricht die Selbständigkeit und die Selbstdisziplin gerade bei Abiturienten gefördert habe. Nicht umsonst werde das Abitur ja auch Reifeprüfung genannt.

Die Zeugnisse dazu werden voraussichtlich am 17. Juli verliehen.

© SZ vom 20.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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