StartseiteRegionalDemminLandrat mahnt zu „echter Strategie“ bei Unterbringung von Flüchtlingen

Krieg in der Ukraine

Landrat mahnt zu „echter Strategie“ bei Unterbringung von Flüchtlingen

Loitz / Lesedauer: 4 min

In der Nacht zu Freitag sind erste Flüchtlinge aus der Ukraine in der ehemaligen Loitzer Grundschule angekommen. Allerdings anders als erwartet. Der Landrat spricht von Chaos.
Veröffentlicht:19.03.2022, 05:41

Artikel teilen:

Das bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine entstandene Chaos im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte hat auch Auswirkungen auf Vorpommern-Greifswald und das dortige Loitz. Denn eigentlich waren die Nachbarn für Donnerstag von der Ankunft von 323 Kriegsvertriebenen ausgegangen. Doch am Abend rollten dann allein in Friedland, wo sich eines der Aufnahmelager befindet, mehr als 500 an.

Lesen Sie auch: Flüchtlingsbusse könnten Friedland mit Friedland verwechselt haben

Chaotische Zustände bei der Flüchtlingsunterkunft

Warum so viele Busse dieses Ziel ansteuerten beziehungsweise wer den Auftrag dazu erteilt hat, blieb erstmal unklar. Vermutet wurde, dass eine Verwechslung mit dem Friedland bei Göttingen in Niedersachsen vorgelegen hat.

Die vorhandene Kapazität in der mecklenburgischen Kleinstadt reichte trotz Aufstockung längst nicht für alle Leute, die freiwilligen Helfer zeigten sich daher mit Corona-Testung, Registrierung und Unterbringung zunehmend überfordert. Teile der Neuankömmlinge wurden selbst unruhig, verließen die Halle wieder ohne Registrierung oder zeigten offen ihren Unmut, überhaupt in dem kleinen Ort gelandet zu sein, sie waren wohl von einer Großstadt ausgegangen. Hinzu kam, dass fast ausschließlich Frauen und Kinder erwartet wurden, sich stattdessen aber eine Menge Männer an Bord befand. Zu einem erheblichen Teil gar keine Ukrainer, sondern häufig aus völlig anderen und mitunter afrikanischen Ländern. Sie besitzen wohl einen Aufenthaltstitel für das vom Krieg überzogene Land und suchten ebenfalls das Weite vor den Kämpfen.

Lesen Sie auch: Anklamer zusammen mit Geflüchteten wohlbehalten angekommen

Bereitschaftspolizei und Betreuungszug alarmiert

Um die Lage in Friedland unter Kontrolle zu bringen, kamen der Katastrophenschutz sowie eine Hundertschaft der Polizei, zwischenzeitlich durften mehr als 100 Menschen zwei Busse nicht verlassen. Laut Vizelandrat Thomas Müller (CDU) wurde dann ein Bus zu einem Warener Hotel geschickt, zwei andere sollten nach Loitz, eventuell weitere folgen. Woraufhin auf der hiesigen Seite der Kreisgrenze rege Geschäftigkeit einsetzte, der Betreuungszug des DRK alarmiert wurde, wie Landrat Michael Sack (CDU) noch am späten Donnerstag dem Nordkurier schilderte.

„Wir haben die Information bekommen, dass die ersten zwei Busse mit 87 Personen nach Loitz unterwegs sind“, erklärte der Verwaltungschef, der selbst in der Peenestadt wohnt. Letztlich sollten zirka 130 bis 140 Personen dorthin umgeleitet werden. Wo die letztlich alle abgeblieben sind, konnte indes sogar er gestern Vormittag erstmal nicht in Erfahrung bringen. Denn in der ehemaligen Grundschule, die mittlerweile dem Landkreis gehört und die Woche zuvor zum zentralen Aufnahmelager ausgestattet wurde, befanden sich nur 30 Männer verschiedenster Nationalitäten und eine Frau.

Lesen Sie auch: So können Sie der Ukraine in MV helfen

„Diese Menschen gehören eigentlich eher in die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Horst“, so die Auffassung von Michael Sack. Der nicht weiß, ob ihm die Nachbarn diese Gruppe extra so geschickt haben, sich aber alles andere als glücklich über die Zusammensetzung zeigte. Schließlich sei der Standort vorzugsweise für Frauen und Kinder angedacht. „Da liegen extra Babynahrung und Windeln bereit.“ Mehr als nur ein paar Männer dazwischen würden das ganze Konzept zerstören. Er befürchtet, dass die daraus zu erwartenden Probleme langfristig das große ehrenamtliche Engagement torpedieren könnten.

Landrat: Geordnete Steuerung fehlt

„Wir als Kreis sind da gut aufgestellt und vorbereitet“, erklärte der Landrat mit Blick auf die Flüchtlingshilfe. Reserven und die mögliche Zurverfügungstellung von weiteren Unterkünften eingeschlossen. Aber was fehle, sei eine geordnete Steuerung der betroffenen Menschen von Bund und Land. „Das ist so was von chaotisch, was die Verteilung angeht. Eine echte Strategie ist nicht zu erkennen. Da scheinen einige Zuständigkeiten nicht richtig geklärt oder fehlt die Erfahrung“, schimpfte Sack insbesondere in Richtung Schwerin. „Allein die Zahl der Unterkünfte bei uns abzufragen, reicht nicht.“ Letztlich müssten leider die Landkreise und Kommunen dieses Malheur ausbaden.

Vorpommern-Greifswald wollte gestern versuchen, noch etwas genauere Zahlen in Erfahrung zu bringen, um wenigstens Planungssicherheit für das Wochenende zu bekommen, kündigte Michael Sack an. Schließlich seien unabhängig von den Zuweisungen des Landes bereits von privaten Hilfsaktionen perspektivisch drei bis vier Busse voller Flüchtlinge in Aussicht gestellt. Da könnte der Platz in Loitz also dringend gebraucht werden.