27.09.2011 Verfahrensrecht

OGH: Einschränkung des Klagebegehrens

Im Fallenlassen eines Teiles eines Begehrens, auch eines Eventualbegehrens, ist nicht eine (teilweise) Zurücknahme der Klage, sondern eine Einschränkung des Klagebegehrens zu erblicken, wenn danach nur ein reines Minus gegenüber dem ursprünglichen Begehren aufrecht erhalten wird; ein Minus kann demnach nicht vorliegen, wenn das fallen gelassene Begehren auf einem anderen Klagegrund als das weiterhin bestehende Begehren beruht


Schlagworte: Einschränkung des Klagebegehrens, Klagsänderung, Zurücknahme der Klage, Eventualbegehren
Gesetze:

§ 235 ZPO, § 237 ZPO, § 226 ZPO

GZ 8 Ob 74/11g, 30.08.2011

 

OGH: Grundsätzlich ist es richtig, dass eine Einschränkung des Klagebegehrens weder als Zurücknahme der Klage noch als Klagsänderung anzusehen und daher auch ohne Zustimmung der beklagten Partei zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn der Titel, aus dem geschuldet wird, gleichzeitig geändert wird.

 

Eine Klagseinschränkung darf nach § 235 Abs 4 ZPO keine Änderung des Klagegrundes bewirken. Unter einem neuen Klagegrund ist die Geltendmachung geänderter anspruchsbegründender Tatsachen, aus denen der Tatbestand abgeleitet wird, zu verstehen. Entsprechend diesen Grundsätzen wurde in der Entscheidung 7 Ob 536/95 ausgesprochen, dass im Fallenlassen eines Teiles eines Begehrens, auch eines Eventualbegehrens, nicht eine (teilweise) Zurücknahme der Klage, sondern eine Einschränkung des Klagebegehrens zu erblicken sei, wenn danach nur ein reines Minus gegenüber dem ursprünglichen Begehren aufrecht erhalten werde. Ein Minus kann demnach nicht vorliegen, wenn das fallen gelassene Begehren auf einem anderen Klagegrund als das weiterhin bestehende Begehren beruht.

 

Der Kläger bestreitet selbst nicht, dass das Scheidungsbegehren, das den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens bildete, aus zwei Teilen mit unterschiedlichen Klagegründen bestand. Dementsprechend führt er im Rekurs aus, dass bei gleichzeitiger Geltendmachung der Ehescheidungsgründe nach § 49 und § 55 EheG ohne Reihung des Klägers in erster Linie über den Klagegrund nach § 49 EheG zu entscheiden sei, weil in diesem Fall die rechtliche Stellung des obsiegenden Klägers günstiger sei. Diese Ansicht ist zutreffend. Wie die Beklagte zutreffend darlegt, ist die Scheidung der Ehe nach § 49 EheG an andere Voraussetzungen gebunden und hat andere Rechtsfolgen als eine Scheidung nach § 55 EheG. Der Anspruch auf Ehescheidung wegen schwerer Eheverfehlungen ist daher ein anderer Anspruch als jener auf Scheidung der Ehe nach § 55 EheG.

 

Zum Fallenlassen des auf Scheidung gem § 55 Abs 3 EheG gestützten Eventualbegehrens kann sich der Kläger somit nicht auf eine bloße Klagseinschränkung berufen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine partielle Zurücknahme der Klage. Die vom Kläger in seiner Berufungsschrift als solche bezeichnete „Klagseinschränkung“ war damit nicht rechtswirksam.