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Rechtsextremismus in der Bundeswehr Kramp-Karrenbauer stellt KSK Ultimatum

Wegen rechtsextremer Vorfälle beim "Kommando Spezialkräfte" legt die Verteidigungsministerin ein Reformprogramm vor. Wenn sich keine Besserung zeige, bleibe nur eine Option.
Foto: Carsten Rehder/ dpa

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat ein umfangreiches Reformpaket für die skandalgeschüttelte Eliteeinheit der Bundeswehr angeordnet. Nach einem Besuch beim "Kommando Spezialkräfte" (KSK) am Montag im baden-württembergischen Calw informiert die CDU-Politikerin die Obleute des Verteidigungsausschusses am Dienstagnachmittag über ein Maßnahmenpaket. Es soll den rechtsextremen Umtrieben in der strikt abgeschotteten Einheit ein Ende machen.

Die Ministerin verbindet die Reformmaßnahmen mit einer konkreten Drohung gegen den KSK-Kommandeur und seine Soldaten. Sollten "insbesondere die Selbstreinigungskräfte des KSK nicht hinreichend Wirkung zeigen, wird sich unausweichlich die Frage stellen, ob das KSK in seiner jetzigen Form am bisherigen Standort erhalten bleiben kann", schrieb Staatssekretär Peter Tauber an die Abgeordneten.

Nun soll ein Sonderbeauftragter bis Oktober einen Bericht vorlegen, ob die von Kramp-Karrenbauer befohlenen Maßnahmen konsequent umgesetzt wurden. Jeder KSK-Soldat müsse sich entscheiden, ob er Teil der Lösung werden oder Teil des Problems bleiben wolle, sagte die Ministerin am Montag vor den KSK-Soldaten in Calw. Ohne einen Neuanfang, drohte sie, habe das KSK keine Zukunft mehr in der Bundeswehr.

Mehr als 60 Einzelmaßnahmen

Für das KSK hat das Reformpaket unmittelbare Folgen. So informierte das Ministerium den Bundestag, dass vorerst alle internationalen Übungen der Einheit komplett eingestellt werden. Auch bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr wie in Afghanistan oder Mali sollen KSK-Einheiten erst mal durch andere Kräfte ersetzt werden, damit die KSK-Soldaten nach Hause zurückkehren können.

Insgesamt umfasst das Paket mehr als 60 Einzelmaßnahmen. Zu den wichtigsten Schritten gehört, dass die zweite Kampfkompanie des KSK komplett aufgelöst wird. Die Kompanie mit rund 70 Soldaten ist seit Langem im Fokus des Militärgeheimdienstes MAD. Angefangen hatten die Ermittlungen nach einer Abschiedsparty für den scheidenden Kommandeur Pascal D., auf der im April 2017 auch Rechtsrock gelaufen sein soll. Zudem sagte eine Zeugin aus, dass KSK-Soldaten den Hitlergruß gezeigt hätten.

Die Auflösung ist ein harter Schnitt, schließlich gibt es nur vier Kampfkompanien im KSK.

  • Nun sollen alle Soldaten der zweiten Kompanie noch einmal genau auf ihre politische Gesinnung hin überprüft werden und dann auf die anderen Kompanien verteilt werden. Mehrere Soldaten, gegen die teilweise schon offizielle Disziplinarverfahren laufen, werden vorerst in andere Einheiten der Truppe versetzt, sie sollen je nach Ausgang ihrer Verfahren später komplett aus der Bundeswehr entlassen werden.

  • Zudem will die Ministerin frischen Wind ins KSK bringen. Deswegen soll eine sogenannte Höchstverweildauer von einigen Jahren eingeführt werden, danach müssen die Kommandosoldaten zunächst in anderen Einheiten dienen, bevor sie wieder zum KSK zurückkehren. Damit will Kramp-Karrenbauer verhindern, dass KSK-Soldaten wie bisher bis zu 20 Jahre in der Einheit bleiben und sich eine Art Wagenburgmentalität bildet, in der Hinweise auf rechtsextreme Soldaten durch den starken Korpsgeist unterdrückt werden.

  • Ebenso soll die Ausbildung für das KSK komplett verändert werden. Bisher bildete die geheim agierende Spezialeinheit ihren Nachwuchs allein aus und führte auch die Auswahl im Alleingang durch. In Zukunft soll nun das Ausbildungskommando in Leipzig die Federführung für Rekrutierung und Ausbildung übernehmen. Teile des jahrelangen Trainings für die Kommandosoldaten sollen ausgelagert werden, um die Abschottung des KSK aufzubrechen.

  • Eine weitere Maßnahme ist eine deutlich strengere Kontrolle der Waffenbestände beim KSK. Bei den Ermittlungen nach der Festnahme des KSK-Soldaten Philipp Sch. im Mai hatte man gravierende Mängel bei der Erfassung von verbrauchter Munition oder beim Sprengstoff festgestellt. Philipp Sch. hatte diese Mängel offenbar ausgenutzt und in seinem Garten ein regelrechtes Waffenlager mit über 6000 Schuss Bundeswehrmunition, diversen anderen Waffenteilen und zwei Kilogramm hochexplosivem Sprengstoff angelegt.

Bei den Ermittlungen stellte das Ministerium nun fest, dass die vorgeschriebene Protokollierung des Munitionsverbrauchs beim KSK total chaotisch lief. Laut dem Bericht für den Bundestag fehlen in den Beständen derzeit 48.000 Schuss und 62 Kilogramm Sprengstoff. Entsprechende Schießbücher und Materiallisten wurden falsch oder fehlerhaft geführt und sind kaum noch nachzuvollziehen. Im Ministerium heißt es, hier seien gefährliche Mängel festgestellt worden, die man dringend abstellen müsse.

Test für Kramp-Karrenbauers Führungsstärke

Auch für den MAD, der für die Suche nach Rechtsextremisten in den Reihen der Bundeswehr zuständig ist, hat Kramp-Karrenbauer weitere Reformen befohlen:

  • So sollen alle MAD-Mitarbeiter noch einmal gesondert sicherheitsüberprüft werden. Der Dienst war kürzlich massiv unter Druck geraten, da ein Oberstleutnant aus der Extremismusabwehr Details über die Ermittlungen gegen den KSK-Soldaten Philipp Sch. an andere KSK-Kämpfer weitergegeben hatte. Der MAD-Mann wurde deswegen entlassen.

  • Zudem will die Ministerin die Kooperation des MAD mit den zivilen Behörden, allen voran dem Verfassungsschutz, ausbauen. Zwar war die engere Verzahnung schon Teil eines Reformpakets aus dem Sommer 2019. Allerdings gab es in den aktuellen Verdachtsermittlungen immer wieder Abstimmungsprobleme. So erfuhr der Verfassungsschutz von der durch den MAD organisierten Razzia bei dem KSK-Mann Sch. im Mai sozusagen aus der Zeitung und zeigte sich später wenig amüsiert.

Mit dem umfangreichen Paket hat Kramp-Karrenbauer einen letzten Warnschuss in Richtung KSK abgegeben. Anders als einige der Offiziere in der militärischen Führung hat sie in den letzten Tagen auf sehr konkrete Reformmaßnahmen gesetzt, das entsprechende Papier einer Arbeitsgruppe noch einmal angeschärft und auch die klare Frist bis Oktober als eindeutiges Ultimatum gesetzt.

Damit will sie verhindern, dass die Reformen nur halbherzig angegangen oder sogar verschleppt werden.

Auf der anderen Seite birgt das Paket ein politisches Risiko. Sollte sich zeigen, dass der Apparat die Befehle von Kramp-Karrenbauer verweigert oder verwässert, würde sich schnell die Frage stellen, ob sie genug Führungsstärke hat, um der Bundeswehr als Befehlshaberin vorzustehen.

Auf der anderen Seite dürften selbst ihre Kritiker kaum mehr mit Vorwürfen durchdringen, die Ministerin traue sich keine radikalen Schritte.