Frag doch den Onkel

Mit einem Blick in den Rückspiegel der jüngsten Geschichte kann man es erkennen: Etliche Ereignisse, die den weiteren Verlauf der österreichischen...

Mit einem Blick in den Rückspiegel der jüngsten Geschichte kann man es erkennen: Etliche Ereignisse, die den weiteren Verlauf der österreichischen Innenpolitik stark und nachhaltig beeinflussten, sind eigentlich auf (Wahl)Verwandtschaften, genau genommen mehrheitlich auf (Wahl)Onkel, zurück zu führen: Von Hannes Androsch, Jörg Haider, Werner Faymann - und in direkter Verwandtschaft mit Erwin Pröll nun von Finanzminister Josef Pröll.

Das wurde gerade erst durch die Ergebnisse der Regierungsklausur für das Budget 2011 wieder eindrucksvoll bestätigt. Finanzminister Josef Pröll bescherte der Hoffnung, er werde tatsächlich den Mut zu durchgreifenden Reformen aufbringen und dem Land das angekündigte größte Sanierungspaket seit 1945 vorlegen, ein Begräbnis erster Klasse. Zugegeben, der Glaube an eine positive Überraschung und  exzellente Regierungsarbeit  im Quergeschrieben vergangenen Freitag war nicht sehr gefestigt, aber wider alle Anzeichen doch vorhanden. Die Enttäuschung über seine Performance hat Pröll zu einem guten Teil nun seinem Onkel, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll , zu verdanken. Dieser wollte an Einsparungsideen via großer Strukturreform nicht einmal anstreifen. Und da der Onkel nun einmal just jetzt Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz ist und nicht geneigt war,  dem Neffen irgendeine medial verwertbare Unterstützung zu geben, war es für alle anderen Landeshauptleute ein Leichtes, sich hinter Pröll Senior aus der Verantwortung für die Sanierung der Republik zu stehlen.

Die Konsequenzen haben alle Bürger zu tragen: Die Regierung ist beschädigt, weil sie ihnen sechs Monate lang vorgegaukelt hat, für die ganz großen Reformen mehr Zeit zu brauchen als es die Verfassung mit dem Budgettermin 20. Oktober zulässt, und sich jetzt herausgestellt hat, dass diese Zeit überhaupt nicht genutzt wurde. Josef Pröll ist politisch beschädigt, weil es kaum fantasielosere Sanierungsmaßnahmen als die  Erhöhungen von Massensteuern gibt und die Einschnitte bei den Familien deutlich machen, dass für die Zukunft kein schlüssiges Gesamtkonzept vorliegt. Wer nämlich ständig die Kinderarmut der Österreicher und den Kinderreichtum der Zuwanderer beklagt, sollte wohl nicht die Familien belasten. Die Onkel-Politik Prölls hat also schwerwiegende Konsequenzen für alle Steuerzahler.

Sie steht aber im direkten Zusammenhang mit dem Einfluss eines anderen (Wahl)Onkels auf den Lauf der Politik: Alfred Gusenbauer und Werner Faymann lösten mit ihren Brief an den Wahlonkel des damaligen Verkehrsministers Faymann zuerst ein innenpolitisches Erdbeben, dann den Bruch der Koalition durch die ÖVP und schließlich Neuwahlen im Herbst 2008 aus. Der Brief an Onkel Hans Dichand ("Kronen Zeitung") zur künftigen EU-Politik der SPÖ kostete nicht nur Gusenbauer das Kanzleramt, sondern auch Wilhelm Molterer die politische Karriere. Ohne diese Onkel-Politik in der SPÖ hätte es nach nur zwei Jahren rot-schwarzer Koalition keine Neuwahl und daher keine Vorwahl-Nationalratssitzung im September 2008 gegeben, in der SPÖ und ÖVP gemeinsam alles beschlossen, was weniger gut, aber sehr teuer war. Auch deshalb musste an vergangenen Wochenende die Einsparungs- und Steuererhöhungsaktion her. Den Schaden haben also wieder die Steuerzahler. 

Wirklich in das Rad der Geschichte eingegriffen hat aber der Wahlonkel Jörg Haiders, Wilhelm Webhofer, als er ihm die Güter im Kärntner Bärental vermacht hat. Auf der Basis dieser wirtschaftlichen Unabhängigkeit konnte Haider seinem ungezügelten Populismus frönen - mit den bekannten Folgen für das Land in den neunziger Jahren. Sein erst später aufhaltsamer Aufstieg, die "Wende" des Jahres 2000 und alles, was danach kam, hängt unmittelbar mit der Übertragung des Kärntner Besitzes zusammen. Nur ein kleines Detail: Ohne das Bärental wäre die Liebe der Kärntner zu dem "zugereisten" Politiker aus Oberösterreich vielleicht nicht so schnell in blinde Verehrung umgeschlagen.

Und schließlich waren die letzten Jahre der SPÖ-Alleinregierung von 1979 bis 1983 und die Politik der folgenden Jahre unter anderem auch vom Wahlonkel Hannes Androschs, dem 82jährigen Arzt Gustav Steiner, beeinflusst. Die Finanzierung von Androschs Villa in Wien-Neustift war ins Gerede gekommen. Der damalige Finanzminister wollte plötzlich das viele Geld von Steiner erhalten haben. Dieser hatte sich mittels Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung als Besitzer jener anonymen Sparbücher zu erkennen gegeben, die Androsch als Quelle der Mittel für die damalige Luxusvilla angegeben hatte. Eine prominente Alt-Sozialistin, die Steiner kannte, schloss in den frühen achtziger Jahren im privaten Gespräch aus, dass der pensionierte Arzt ein derartiges Vermögen gehabt habe. Der Rest ist aus der Geschichte bekannt: Androsch wurde die angebliche Schwarzgeld-Geschichte, die von der Affäre um die Steuerberatungskanzlei Consultatio nicht zu trennen war, politisch nicht mehr los. Ohne Wahlonkel und ohne Villa wäre seine Karriere vielleicht anders verlaufen, hätte er Bruno Kreisky doch als Bundeskanzler 1983 beerben können und so weiter und so fort. 

Andere Staaten haben vielleicht ihre politischen Dynastien - die Kennedys, die Familie Bush, die Clintons, die Le Pens etwa - Österreich hat die Onkel.

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