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Interaktive Grafik So hoch ist Ihr Einkommen im Europa-Vergleich

Ist der Lebensstandard in Deutschland tatsächlich höher als im EU-Schnitt? Ist auch die Ungleichheit größer? Und wo stehen Sie mit Ihrem Einkommen im europäischen Vergleich? Die interaktive Grafik gibt Antworten.
Foto: SPIEGEL ONLINE

Wie gerecht ist Deutschland? Um einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen, kann ein Vergleich mit dem Rest Europas sinnvoll sein. So sind etwa die Vermögen in der Bundesrepublik deutlich ungleicher verteilt als in Spanien oder Frankreich, wie eine Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ergibt. In beiden Ländern besitzen die Superreichen demnach einen kleineren Anteil und die ärmere Hälfte einen größeren Anteil am gesamten Vermögen als in Deutschland.

Doch wie sieht es bei den Einkommen aus? Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat nun in einer interaktiven Grafik so aufbereitet, dass sich die Situation in Deutschland leicht vergleichen lässt - sowohl mit einzelnen Ländern Europas als auch mit der gesamten EU.

Auf einen Blick lässt sich erfassen, wie groß der Teil der Bevölkerung mit einem bestimmten Nettoeinkommen im Vergleich mit Deutschland ist - und wie gleichmäßig sich diese Einkommensgruppen innerhalb des Landes verteilen. Grundlage sind Berechnungen der IW-Verteilungsforscherin Judith Niehues.

An der interaktiven IW-Grafik lässt sich aber noch weit mehr ablesen. Sie gibt ein Gefühl für die unterschiedlichen Lebensstandards in Europa. Und sie erlaubt die Einordnung, zu welcher Einkommensschicht man selbst nicht nur in Deutschland, sondern in einem anderen Land Europas zählen würde - oder in der gesamten EU, wenn diese ein einziges Land wäre. (Hierzu muss das Nettoeinkommen und die Anzahl der Personen im Haushalt angegeben werden.)

Möglich wird das, weil IW-Forscherin Niehues nicht einfach die nominalen Nettoeinkommen nutzt - sondern die Kaufkraft dieser Einkommen. Das bedeutet, dass auch die unterschiedlich hohen Preisniveaus in den einzelnen Ländern berücksichtigt werden. So muss man etwa in Dänemark rund 40 Prozent mehr als im EU-Schnitt für Waren und Dienstleistungen bezahlen - in Bulgarien hingegen rund 50 Prozent weniger.

Touristen vor dem Brandenburger Tor in Berlin (Archiv)

Touristen vor dem Brandenburger Tor in Berlin (Archiv)

Foto: Bernd Von Jutrczenka/ picture alliance / dpa

Niehues rechnete diese Unterschiede in die angegebenen Euro-Beträge der Einkommen ein. Ein Beispiel: Das mittlere Nettoeinkommen in Deutschland betrug im Jahr 2014 für einen Alleinstehenden 1731 Euro. Weil die Lebenshaltungskosten aber um 4,5 Prozent über dem EU-Schnitt liegen, beträgt das kaufkraftbereinigte mittlere Nettoeinkommen nur 1656 Euro. Umgekehrt liegt das tatsächliche mittlere Nettoeinkommen eines Alleinstehenden in Bulgarien bei weniger als 300 Euro - weil die Lebenshaltungskosten aber nur rund halb so hoch sind wie im EU-Schnitt, beträgt sein kaufkraftbereinigtes Nettoeinkommen 599 Euro.

Doch wie gerecht sind die Einkommen nun in Deutschland im Vergleich zum Rest Europas verteilt? Einige Befunde finden Sie unter der interaktiven Grafik - sowie detaillierte Informationen des IW Köln zu Daten und Definitionen.

Was lässt sich aus diesen übersichtlich aufbereiteten Daten nun ablesen? IW-Forscherin Niehues unterstreicht in ihrem Kurzbericht  vor allem den vergleichsweise hohen Lebensstandard in Deutschland: Arm und Reich, das sei auch eine Frage des Maßstabs.

Wäre die EU ein einziges Land, würde sich zum Beispiel die Armutsquote in Deutschland von 16,5 auf 8,4 Prozent reduzieren - also der Anteil der Menschen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens haben. Am anderen Ende der Skala würde sich der Anteil der Reichen und der Angehörigen der oberen Mittelschicht von 20 auf 35,5 Prozent erhöhen.

Mit dieser Sichtweise liegt das arbeitgebernahe IW sicher nicht falsch: Ohne Zweifel gehören die Deutschen zu den Einkommensstarken in der EU. Der Lebensstandard großer Teile der Bevölkerung ist in vielen Ländern im Osten und Süden deutlich geringer, auch wenn man die niedrigeren Preise dort berücksichtigt. Gleichzeitig ist der Anteil der Einkommensarmen und der unteren Mittelschicht dort wesentlich größer als in Deutschland.

Aber das ist eben nur eine Sichtweise. Wahr ist ebenso: Deutschland ist "kein besonders egalitäres Land", stellt IW-Forscherin Niehues fest. Tatsächlich ergibt der Vergleich mit dem Westen und Norden Europas ein anderes Bild. Ob in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Finnland oder besonders ausgeprägt in Österreich, der Schweiz und Skandinavien - in allen diesen Staaten ist die Schicht der Einkommensarmen kleiner und die Mittelschicht gefestigter als in Deutschland.

Gerecht oder nicht gerecht ist eben auch eine Frage des Maßstabs.

IW Köln: Informationen und Definitionen

Das bedarfsgewichtete Nettoeinkommen (auch Äquivalenzeinkommen) berücksichtigt, dass Kinder weniger Geld brauchen als Erwachsene, und dass das Leben günstiger wird, wenn mehrere Menschen zusammenleben. Deshalb wird das gesamte Nettoeinkommen eines Haushalts durch die bedarfsgewichtete Zahl der Haushaltsmitglieder geteilt. Der erste Erwachsene hat den Faktor 1, jedes weitere Haushaltsmitglied ab 14 Jahre den Faktor 0,5, Kinder unter 14 Jahren bekommen den Faktor 0,3. Ein Paar ohne Kinder muss demnach nur über das 1,5fache des Einkommens eines Singlehaushalts verfügen, um statistisch zur selben Einkommensgruppe zu gehören.