BILD-Interview: Wie tief darf ein Dekolleté sein, Frau Wagenknecht?

Von: Von FRANZ SOLMS-LAUBACH

Sie ist das schöne Gesicht der Linken und hat auch noch promoviert: Sahra Wagenknecht (43) macht Wahlkampf für ihre Partei in Niedersachsen.

Der Playboy hat sie jüngst zur zweitschönsten Politikerin Deutschlands gewählt. Im BILD-Interview spricht Wagenknecht über Schönheit in der Politik, die Frage, ob sie ins Dschungelcamp gehen würde und Sinn oder Unsinn von Frauenquoten.

BILD: Sie wurden zur zweitschönsten Politikerin Deutschlands gewählt. Was hat ihr Lebensgefährte Oskar Lafontaine dazu gesagt?

Sahra Wagenknecht: „Er hat sich gefreut, wobei ich ja schon hoffe, dass ich für ihn auf Platz eins stehe. Aber Spaß beiseite: Es gibt viele Fragen, die uns zur Zeit mehr bewegen als Schönheitsrankings. Ich bin überzeugt: Die Linke hat nicht nur die schöneren Gesichter, sondern auch die attraktiveren Inhalte.“

BILD: Fühlen Sie sich selbst attraktiv?

Wagenknecht: „Naja, ich finde, ich habe keinen Grund zu klagen. Allerdings bedeutet für mich Attraktivität mehr als nur ein ansprechendes Äußeres. Ich setze auf gute Argumente und merke bei öffentlichen Auftritten, dass ich Menschen erreichen kann. Ich ärgere mich, wenn versucht wird, mich auf mein Aussehen zu reduzieren. So geht man immer nur mit Frauen um, mit Männern nie. Die Wahrheit ist doch: Nettes Aussehen allein erschöpft sich in der Wirkung ganz schnell, wenn man nicht auch etwas zu sagen hat.“

BILD: Was ist Ihre weibliche Kernkompetenz?

Wagenknecht: „Haben Sie schon mal einen Politiker nach seiner ‚männlichen Kernkompetenz’ gefragt? Kompetenzen haben doch nichts mit Mann oder Frau zu tun. Ich denke, dass ich in Wirtschaftsfragen kompetent bin. Das habe ich mir hart erarbeitet, weil ich immer wieder mit dem Macho-Vorurteil konfrontiert wurde: ‚Frauen haben doch keine Ahnung von Wirtschaft!’ Ich wollte mehr Ahnung haben als die meisten männlichen Kontrahenten, auf die ich treffe.“

BILD: Machen Männer und Frauen unterschiedliche Politik?

Wagenknecht: „Vielleicht in Nuancen. Oft sind Frauen sensibler, setzen stärker auf Moderation und nicht so sehr auf Durchregieren und Basta. Aber es gibt natürlich auch Gegenbeispiele. Frauen, die sich sehr machtbewusst durchsetzen und das auch mit ziemlicher Härte und Rücksichtslosigkeit tun. Angela Merkel hat es damit bis an die Spitze der Bundesrepublik geschafft. Und ich weiß: Natürlich gibt es auch sehr sensible Männer.“

BILD: Ist Schönheit in der Politik ein Vorteil oder Nachteil?

Wagenknecht: „Beides. In einer Mediengesellschaft spielt Aussehen eine Rolle. Das kann man gar nicht leugnen. Andererseits wird gut aussehenden Frauen oft unterstellt, sie würden mit ihrem Gesicht Karriere machen. Ich habe so was immer wieder in wenig geneigten Artikeln über mich gelesen und ärgere mich jedes Mal. Die Sympathie der Menschen gewinnt man letztlich nur, wenn sie einen auch als glaubwürdig und integer erleben.“

BILD: Haben Sie Ihr Aussehen schon mal genutzt, um andere von Ihrer Sache zu überzeugen?

Wagenknecht: „Charme mag helfen, aber ersetzt sicher nicht Argumente.“

BILD: Wie weit würden Sie für Wählerstimmen gehen? Ist das Dschungelcamp eine Option?

Wagenknecht: „Nein, es gibt Grenzen. Ich glaube auch nicht, dass Wähler es honorieren, wenn man, um ihnen zu gefallen, Ungeziefer isst. Was viele an der Politik abstößt, sind ja gerade Inszenierung, Unehrlichkeit und Unglaubwürdigkeit. Wenn Menschen spüren, dass jemand für seine Inhalte brennt und sich wirklich einsetzt für das, was er vertritt, bringt das sicher eher Sympathie als populistische PR-Gags.“

BILD: Wie tief darf ein Dekolleté im Bundestag eigentlich sein?

Wagenknecht: „Frau Merkel hat mit ihrem dekolletierten Abendkleid viel Spott und Kritik auf sich gezogen. Auch wenn sie es natürlich bei einem anderen Anlass getragen hat. Ich finde auf jeden Fall: Der Bundestag ist kein Ballhaus. Hier werden Dinge beschlossen, die das Leben von Millionen Menschen betreffen. Da sollte die Bekleidung schon angemessen sein. Also nicht der Super-Mini und das ganz tiefe Dekolleté auch nicht.“

BILD: Wir brauchen dringend mehr weibliche Führungskräfte. Ist so ein Schönheitsranking dann eher schädlich, da es Frauen auf ihr Aussehen reduziert?

Wagenknecht: „Ach, man darf das alles auch nicht überbewerten, ich finde das eher witzig. Wirklich schädlich sind ganz andere Dinge, z.B. dass in Deutschland die soziale Infrastruktur weitgehend fehlt, die es Frauen ermöglicht, Beruf und Familie zu vereinbaren. Wir reden zu viel über Quoten und Führungskräfte, statt dafür zu sorgen, dass Frauen nach der Geburt eines Kindes einen Kita-Platz bekommen, und zwar einen, der nicht mittags schon wieder zu macht. Auch in der Schule wird meistens vorausgesetzt, dass sich nachmittags die Mutter kümmert. Aber wer längere Zeit halbtags oder gar nicht arbeitet, bleibt auf dem Arbeitsmarkt schnell auf der Strecke.“

BILD: Welche drei männlichen Kollegen im Bundestag finden Sie am attraktivsten?

Wagenknecht: „Hm, schwierig. So wirklich verführerischen Kollegen begegnet man im Reichstag eher selten.“

BILD: Sie machen Wahlkampf für die Linkspartei in Niedersachsen. Da droht es knapp zu werden. Wie wollen Sie den Wähler auf den letzten Drücker noch verführen?

Wagenknecht: „Es kann doch einfach nicht so weitergehen wie bisher. Die oberen Zehntausend werden immer reicher, während viele Menschen von harter Arbeit nicht mehr leben können. Immer mehr haben trotz Vollzeitjob am Monatsende kaum mehr als Hartz IV. Und viele Rentnerinnen und Rentner wissen nicht, wie sie ihre explodierenden Mieten und Energiekosten bezahlen sollen. Für diese Situation sind CDU und FDP mit ihrer Politik ebenso verantwortlich wie SPD und Grüne, die die unselige Agenda 2010 gestartet haben. Wer sicher gehen will, dass es in Niedersachsen eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb gibt, und dass sich nicht nur das Gesicht an der Spitze, sondern auch die Politik verändert, kann nur Die Linke wählen. Eine SPD-Grüne-Regierung allein hat nicht das Rückgrat, sich mit den Reichen anzulegen. Die brauchen Druck von links.“

BILD: Eine These Ihrer Partei ist: ‚Der Staat kann es besser als der Markt.’ Ist das Ihr ernst?

Wagenknecht: „Der Staat hat natürlich auch schon viel Mist gemacht. Wenn Landesbanken genauso zocken wie Privatbanken, ist nichts gewonnen. Aber wir erleben, welches Erpressungspotential private Großbanken gegenüber der Gesellschaft haben. Sie behaupten immer: ‚Wir sind wichtig für das Wirtschaftssystem, wir dürfen nicht pleite gehen!’ Dann soll der Staat die Verluste übernehmen, die Gewinne fließen aber in private Taschen. Das ist unerträglich. Entweder hat man einen privaten Markt, dann müssen die Banken auch ihre Verluste selbst tragen. Oder aber man hält Finanzen für ein öffentliches Gut, weil sie so wichtig sind, dann dürfen sie aber auch nicht privaten Renditejägern überlassen werden.“

BILD: Die DDR ist dafür ja wohl das beste Gegenbeispiel...

Wagenknecht: „Die DDR war ein Staat, der Märkte durch zentrale Planung ersetzen wollte. Das ist nicht unser Ziel, denn das kann nicht funktionieren. Aber: Märkte brauchen Regeln! Sonst herrscht das Faustrecht des Starken und es geht nur um Rendite, zu Lasten der Beschäftigten – damit sollten wir uns nicht abfinden! Wir wollen nicht zurück zur DDR, aber auch nicht, dass alles so weitergeht wie bisher. Wir wollen eine Gesellschaft, in der die, die den Reichtum erarbeiten, auch wirklich davon profitieren.“

BILD: Sie machen mit Lafontaine als Paar gemeinsam Wahlkampf. Fragen die Wähler Sie in Gesprächen eher nach Politik oder nach Ihrer Beziehung?

Wagenknecht: „Ich mache nicht nur mit Oskar, sondern mit vielen Parteifreunden gemeinsam Wahlkampf: mit Gregor Gysi, mit unserem Spitzenkandidaten Manfred Sohn und anderen. Im Wahlkampf geht es nicht um persönliche Beziehungen, sondern um Politik.“

BILD: Ist eine gemeinsame politische Vision sexy?

Wagenknecht: „Ich könnte mir nur schwer vorstellen, mich in jemanden zu verlieben, der knallhart die These vertritt, dass jeder seines Glückes Schmied ist, und wer schwächer ist, der soll eben untergehen. Ich glaube schon, dass man gemeinsame Werte braucht, um miteinander glücklich zu sein. Aber es muss auch Unterschiede geben, denn wenn man in allen Punkten einer Meinung wäre, könnte es schnell langweilig werden. Beides gehört also für mich zusammen: Gemeinsame Interessen und Werte, aber auch so viel Unterschiedlichkeit, um sich gegenseitig zu bereichern.“

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