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Chemische Substanz als Auslöser des Unglücks?: Gigantische Detonation in Beirut: Sprengstoff-Experten analysieren mögliche Szenarien
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dpa

Bei den Explosionen in Beirut wurden tausende Menschen verletzt, über 100 starben. Laut libanesischer Regierung soll die Chemikalie Ammoniumnitrat das Unglück ausgelöst haben. Für Sprengstoffexperten eine plausible Erklärung - es ist nicht die erste Katastrophe, die durch die Substanz verursacht wurde.

Eine riesige Rauchwolke, verwüstete Stadtteile und Menschen, die blutverschmiert durch die Straßen taumeln: Die Bilder aus Beirut sorgen weltweit für Entsetzen. Bei zwei Explosionen kamen mehr als 100 Menschen ums Leben, rund 4.000 Personen wurden verletzt. Zunächst war unklar, was die Explosionen in der libanesischen Hauptstadt auslöste. US-Präsident Donald Trump vermutete hinter dem Vorfall einen "Angriff", wie er auf einer Pressekonferenz am Dienstag verkündete. Dabei merkte er auch an, dass es sich um eine Bombe gehandelt haben könnte.

Ganz anders begründete der libanesische Ministerpräsident Hassan Diab die Detonation in Beirut: Ihm zufolge sei eine große Menge der chemischen Substanz Ammoniumnitrat der Auslöser für das Unglück gewesen. Laut libanesischer Regierung sollen rund 2.750 Tonnen der Substanz detoniert sein. Diese hätten sechs Jahre ohne weitere Sicherheitsvorkehrungen in einer Halle am Beiruter Hafen gelagert.

"Bombe mit dieser Sprengkraft müsste mehrere Tonnen wiegen"

"Für mich ist Diabs Argumentation schlüssig", sagt Marc Wende, der als Sprengstoffexperte beim Bayerischen Landeskriminalamt arbeitet, im Gespräch mit FOCUS Online. Denn zum einen sei in Videos zu erkennen, dass es bereits vor der Explosion in dem betroffenen Gebäude gebrannt habe. "Zum anderen müsste eine Bombe mit dieser Sprengkraft mindestens mehrere Tonnen wiegen", meint der Sachverständige. Eine Rucksack-, Koffer- oder übliche Fliegerbombe könne einen Schaden "der Dimension, wie wir sie in Beirut sehen" laut Wende nicht auslösen.

Schwere Explosion in Beirut
Hassan Ammar/AP/dpa

Das bestätigt Norbert Gebbeken, der das Forschungszentrum RISK (Risiko, Infrastruktur, Sicherheit und Konflikt) in München leitet. "Eine derartige Menge an Explosivstoff wird üblicherweise nicht in einer Bombe untergebracht, die per Definition eine meist metallische Hülle hat", sagt er zu FOCUS Online. LKA-Experte Wende erinnert an weitere Vorfälle mit der Chemikalie. "Es kommt alle paar Jahrzehnte zu Unfällen mit Ammoniumnitrat, das ist nicht so ungewöhnlich wie man vielleicht denkt", erklärt er.

Damit spielt der Sachverständige auf einen Vorfall aus dem Jahr 1921 an. In einer Chemiefabrik des deutschen Unternehmens BASF in Oppau explodierte ein Ammoniumnitrat-Lager, 561 Menschen starben. "Auch seinerzeit sind, ähnlich wie in Beirut, Scheiben im Umkreis von zehn bis 15 Kilometern zu Bruch gegangen", erläutert Wende. Er verweist zudem darauf, dass es von Zeit zu Zeit Industrieunfälle sowie Schiffs- oder Eisenbahnunglücke gebe, bei denen Waggons, Schiffsladungen oder Lagerhäuser voller Ammoniumnitrat explodierten.

"Zur Explosion bringt Ammoniumnitrat ein starker Schlag oder große Hitze"

Doch wie gefährlich ist die Substanz wirklich? "Ammoniumnitrat ist ein anorganisches Salz und an sich unproblematisch in der Handhabung", sagt Wende. Der Stoff gelte nicht als explosionsgefährlich - man müsse "ihn schon quälen, damit es zur Detonation kommt". So sei es beispielsweise ungefährlich, eine Flasche mit der Substanz auf den Boden zu werfen, man könne ihn auch ohne Weiteres im Mörser zerkleinern. Unter normalen Umständen gehe von dem Stoff also kein großes Risiko aus. Viele Bauern verwenden Ammoniumnitrat als Düngemittel, in der Bauindustrie wird die Chemikalie als Sprengstoff genutzt.

Schwere Explosion in Beirut
Hussein Malla/AP/dpa

"Zur Explosion bringt Ammoniumnitrat in der Regel ein starker mechanischer Schlag oder große Hitze", schildert Wende. Daher wird das geruchlose Salz meist unter strengen Bedingungen gelagert und von Wärmequellen oder Brennstoffen ferngehalten. In Beirut geriet das Ammoniumnitrat-Lager am Hafen offenbar in Brand, was die Detonation für den LKA-Experten plausibel erklärt. "Wird die Chemikalie zu heiß, fängt sie an sich zu zersetzen, was letztlich zur Explosion führen kann", sagt der 47-Jährige. Nach der Detonation könnten zudem gefährliche Gase entstehen.

Wende experimentiert auch selbst mit Ammoniumnitrat

Wende selbst experimentiert regelmäßig mit Ammoniumnitrat und ist beim LKA für die Untersuchung von Explosionsgeschehen zuständig. Zu den Bildern aus Beirut sagt er: "Das ist eine gigantische Explosion in einer ganz anderen Größenordnung, als ich das je selbst gesehen habe." Und auch Sprengstoffexperte Gebbeken meint: "Wenn ich mir die Sachschäden und das räumliche Ausmaß der Schäden anschaue, dann muss man von einer sehr großen Menge Explosivstoff ausgehen; damit meine ich mehr als 100 Tonnen."

Beirut trifft die Detonation zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Seit Monaten steckt der Libanon in einer ökonomischen Krise. Den Menschen fehlt also das Geld, um ihre Häuser wieder aufzubauen, zudem gilt der Beiruter Hafen als Lebensader des Landes. "Diese Explosion ist der Sargnagel für die Wirtschaft des Libanons und für das Land im Allgemeinen", sagte der libanesische Analyst Makram Rabah der Deutschen Presse-Agentur.

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