Dieter Nuhr im Ersten: Humor ist relativ
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Dieter Nuhr im Ersten: Humor ist relativ

TV-Kritik

„Nuhr im Ersten“ (ARD): Flachwitze alter, weißer Männer

  • vonMichael Meyns
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Dieter Nuhr ist im Ersten zu sehen. Nur im Ersten? Und ist das ein Versprechen oder eine Drohung?

  • Dieter Nuhr macht im Ersten das, was die ARD für „politisches Kabarett“ hält.
  • Nuhrs Gäste: Vorwiegend ältere Herren, die die Veränderungen der Welt nicht verstehen.
  • Die einzige Frau bei Dieter Nuhr hebt das erschreckend niedrige Niveau der Sendung.

Als „politisches Kabarett“ wird Dieter Nuhrs Sendung in der ARD bezeichnet, als pointierte Wochenschau, in der aktuelle Ereignisse und Nachrichten satirisch und humorvoll aufgearbeitet werden. Nun ja, Humor ist bekanntlich relativ und Komiker keine geschützte Berufsbezeichnung.

So gab der Gastgeber an diesem späten Donnerstagabend gleich den Ton vor und beschäftigte sich mit der ersten Debatte zwischen den Kandidaten um die amerikanische Präsidentschaft. Wobei „beschäftigen“ schon viel zu hoch gegriffen ist, denn mehr als Flachwitze gab es nicht zu hören. Beispiel gefällig? Dass Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden erinnere an den Komödienhit „Dumm und Dümmer“, die Gesichtshaut der Kandidaten schimmert dank fortwährendem Lifting inzwischen wie Pergament…

„Nuhr im Ersten“ (ARD): Die Gäste leiden an der Veränderung der Welt

Erstaunlicherweise gelang es Nuhrs Gästen dieses Niveau noch zu unterbieten, weswegen auch nicht allzu viele Worte über die Auftritte von Torsten Sträter, männlich, weiß, 54 Jahre, Johann König, männlich, weiß, 48 Jahre und Andreas Rebers, männlich, weiß, 62 Jahre verloren werden soll. Zusammen mit Dieter Nuhr, männlich, weiß, 59 Jahre, wirken sie wie das was sie sind: Alte, weiße Männer, die daran leiden, dass sich die Welt verändert, und die in ihrer geballten Homogenität dafür sorgen, dass die ARD garantiert keine Diversitätspreise gewinnt.

„Nuhr im Ersten“ (ARD): Der Gastgeber kann schlecht schlafen

Während sich seine Gäste vor allem an Corona abarbeiteten, angebliche Widersprüche der Corona-Regeln zum Anlass gespielter Irritation nahmen, nutzte Dieter Nuhr jede Gelegenheit, sich mit dem Themenbereich zu beschäftigen, dass ihn augenscheinlich Nachts um den Schlaf bringt: Diversität, Hinterfragen alter Rollenmuster, gesellschaftliche Entwicklungen.

Dass Kaya Yanar sich inzwischen von seiner Paraderolle als Inder Ranjid distanziert, mutet Dieter Nuhr ebenso wie übertriebene und unnötige politische Korrektheit an, wie Bernhard Hoëckers Bedauern darüber, einst in Blackface aufgetreten zu sein. Im Theater, so Nuhr, ginge es doch eigentlich darum, in eine andere Rolle zu schlüpfen. Heißt das nun, dass zukünftig ein Mörder von einem Mörder gespielt werden muss, fragte Nuhr in betonter Verständnislosigkeit. Die vielleicht noch nicht einmal gespielt war, sondern womöglich tatsächlich die Haltung eines Mannes ist, der die Komplexität der Materie einfach nicht versteht oder verstehen will und sich lieber in banale Vergleiche flüchtet.

„Nuhr im Ersten“ (ARD): Lisa Eckhart hebt das Niveau - schwer ist das nicht

Den Schlusspunkt der Sendung bildete schließlich Lisa Eckhart, die nicht nur weiblich ist und mit ihren 28 Jahren den Altersdurchschnitt der Beteilgten radikal senkt, sondern schon in der letzten Sendung dabei war und in dieser das Niveau anhebt. Was angesichts ihrer männlichen Kollegen allerdings auch keine Kunst ist.

In militärisch anmutendem Anzug, mit österreichischer und ostdeutscher Fahne auf der Brust, beschäftigte sich die umstrittene Autorin mit dem Jahrestag der deutschen Einheit. Ein loser, pointiert springender Gedankenfluss ließ sie über die Ähnlichkeit der beiden Ländern räsonieren, das eine, das die Ostmark hatte, das andere, das die Ostmark war, was zur Zusammenarbeit quasi prädestiniert: als kommunistisch-kaiserliche Union. Über Sinn oder Unsinn solcher Gedankenspiele sollte man zwar nicht weiter nachdenken, doch angesichts des erschreckend niedrigen Grundniveaus bei Dieter Nuhr einer nur dem Namen nach politischen Kabarettsendung, ragten selbst solche Pointen deutlich heraus.

Über Dieter Nuhr pseudo-provokante Art, sein aufgesetztes Unverständnis über gesellschaftliche Entwicklungen, seine Irritation, dass ausgerechnet ihm, als altem, weißem Mann, noch Veränderung zugemutet wird, sollte jedoch am besten der Mantel des Schweigens gehüllt werden. (von Michael Meyns)

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