Vielen Dank für Ihre Registrierung. Sie haben jetzt den Aktivierungslink für Ihr NZZ-Konto per E-Mail erhalten.

Sie haben die Schweizer Länderausgabe ausgewählt. Wir wünschen Ihnen eine gehaltvolle Lektüre.

Sie haben die deutsche Länderausgabe ausgewählt. Wir wünschen Ihnen eine gehaltvolle Lektüre.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung. Wir wünschen Ihnen eine gehaltvolle Lektüre.

Ihr Benutzerkonto ist aktiviert. Wir wünschen Ihnen viel Lesevergnügen.

Vielen Dank für Ihre Bestellung. Wir wünschen Ihnen viel Lesevergnügen.

Feministinnen fordern einen Lohn für Hausarbeit

Die Forderung nach einem Lohn für Hausarbeit tönt wie von vorvorgestern. Aber eine Gruppe von Feministinnen in der Schweiz findet, Lohn für Hausarbeit sei «nötiger denn je».
Angelika Hardegger
Schon in den 1970er Jahren galt der Hausfrauenlohn vielen Feministinnen als «Herdprämie». Nun lebt die Forderung in gewissen feministischen Kreisen wieder auf. (Quelle: Wolfgang Maria Weber)

Schon in den 1970er Jahren galt der Hausfrauenlohn vielen Feministinnen als «Herdprämie». Nun lebt die Forderung in gewissen feministischen Kreisen wieder auf. (Quelle: Wolfgang Maria Weber)

Sie treffen sich im Restaurant Rössli in Hölstein, Baselland, im Volkshaus Aarau oder im St. Galler Katharinensaal. Im ganzen Land formieren sich in diesen Wochen Komitees für den Frauenstreik vom 14. Juni. Ein Thema beschäftigt die Aktivistinnen besonders: die unbezahlte Arbeit von Frauen im Haushalt und in der Familie. Im März hat eine nationale Streikversammlung einen Appell mit Forderungen unterzeichnet.

Im Appell heisst es: «Wir fordern eine Wirtschaftspolitik, die bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit ins Zentrum stellt und diese finanziert.» Hausarbeit müsse «ökonomisch aufgewertet» werden. Aber wie das genau passieren soll, darüber ist sich die Frauenbewegung uneinig.

Eine Gruppe von Feministinnen aus Bern lässt nun eine Forderung aus den 1970er Jahren wiederaufleben: Lohn für Hausarbeit.

Der feministische Skandal von heute

Anja Peter ist Historikerin, Mutter, Hausfrau und zu 70 Prozent als Projektleiterin angestellt. Sie mobilisiert für den Frauenstreik und ist in einem feministischen Netzwerk aktiv, das sich hauptsächlich mit Sorgearbeit befasst. Frauen und Männer arbeiteten im Jahr gleich viele Stunden, rechnet Peter vor. Aber Frauen verdienten für einen Grossteil dieser Arbeit nichts. «Das ist ein Skandal», so Peter.

Peter und ihre Mitstreiterinnen beziehen sich auf Zahlen der feministischen Ökonomin Mascha Madörin. Sie hat für die Schweiz ausgerechnet, dass Frauen jedes Jahr 108 Milliarden Franken weniger verdienen als Männer – obwohl sie gleich viele Stunden arbeiten. Hauptgrund dafür ist, dass Frauen zwei Drittel der unbezahlten Arbeit in der Schweiz leisten. Madörin schätzt den Wert dieser Arbeit auf 80 Milliarden Franken im Jahr.

Viele Frauen erledigen die unbezahlte Arbeit neben einem Beruf: Sechs von zehn erwerbstätigen Frauen arbeiten in der Schweiz Teilzeit. Bei den Männern sind es nicht einmal zwei von zehn. Anja Peter sieht in diesen Zahlen den Beweis dafür, dass die feministische Strategie der 1990er Jahre gescheitert ist.

Peter sagt: «Frauen sind ins Erwerbsleben vorgestossen. Aber finanziell unabhängig sind die meisten damit noch lange nicht.» Die Gesellschaft müsse einsehen, dass der «männliche Lebenslauf» kein Modell für alle sei. «Den Frauen wird gesagt: Geht arbeiten. Das ist besser, als daheim die Kinder zu hüten.» Dabei sei Kindererziehung doch sehr wertvolle Arbeit, sagt Peter.

Eine «Herdprämie», die Rollen zementiert

In feministischen Kreisen ist die Forderung nach einem Lohn für Hausarbeit aber höchst umstritten. Die Zürcher SP-Nationalrätin und Feministin Min Li Marti findet die Idee «nicht fortschrittlich, sondern reaktionär». «Unsere Volkswirtschaft würde ohne die Arbeit der Frauen nicht funktionieren», sagt Marti. Aber eine «Herdprämie» sei sicher nicht die Lösung. «Offenbar haben sich manche Feministinnen in die Vorgabe geschickt, dass Hausarbeit Frauensache ist.» Nun gehe es noch darum, ob die Gesellschaft diese Arbeit bezahle oder nicht. Damit würden die Männer aus der Verantwortung entlassen.

Auch Natascha Wey, Gewerkschafterin und Co-Präsidentin der SP Frauen, beobachtet die wieder aufkommende Forderung nach Lohn für Hausarbeit mit Skepsis. Sie befürchtet, dass das Rollenbild der Hausfrau zementiert würde.

Ein «Ja, aber» von der Juso-Präsidentin

Offener zeigt sich die abtretende Juso-Präsidentin Tamara Funiciello. Sie sagt «Ja, aber» beziehungsweise «nicht kategorisch Nein» zum Hausarbeitslohn. Das Anliegen sei berechtigt, findet Funiciello. Gäbe es eine Volksinitiative dazu, würde sie sich «voll einsetzen».

Im Prinzip bevorzugt die Jungsozialistin aber einen anderen Weg, die Arbeit in Haus und Familie aufzuwerten: Frauen und Männer sollen die externe Arbeitszeit massiv reduzieren bei gleichbleibendem Lohn. Das käme einer indirekten Bezahlung der Arbeit im Haus gleich.

Für Funiciello ist auch klar, dass Hausarbeit verstärkt in die Renten der Frauen einfliessen muss. Realisiert ist das bereits in der ersten Säule, der AHV, wo Frauen (und Männer) sich ein fiktives Einkommen anrechnen lassen können, wenn sie daheim Kinder betreuen. «Diese Betreuungsgutschriften müssen ausgebaut werden», fordert Funiciello. Ausserdem müsse das System kurzfristig auf die Pensionskassen übertragen werden. Hier verzeichnen Frauen gegenwärtig die grösste Rentenlücke.

7000 Franken im Monat

Trotz Sympathien für das Anliegen befürchtet auch Funiciello, dass ein Hausarbeitslohn die Geschlechterrollen festigen könnte. Anja Peter widerspricht.

Für Peter ist Lohn für Hausarbeit eine emanzipatorische Forderung. «Früher hiess es, Hausarbeit gehöre zur Natur der Frau. Hausarbeit ist Arbeit, sie hat nichts mit der Natur der Frau zu tun.» Gerade deshalb müsse die Gesellschaft diese Arbeit bezahlen.

Peter und ihre Mitstreiterinnen denken dabei auch an einen massiven Ausbau der Mutterschaftsversicherung (mindestens ein Jahr), Urlaube für die Pflege von Kindern und kranken Angehörigen sowie eine bezahlte Elternzeit. Ebenso stellen sie Direktzahlungen an Haushalte mit Kindern oder kranken Angehörigen zur Debatte. Würde man die ganze Arbeit in Haushalten mit Kindern zu marktüblichen Löhnen bezahlen, würde das etwa 7000 Franken im Monat kosten, sagt Anja Peter. «In diese Richtung sollte es gehen. Das wäre ein riesiger Befreiungsschlag für die Frauen!»

Gleichzeitig fordern die Feministinnen um Anja Peter einen Ausbau der staatlichen Angebote für Kinderbetreuung – und eine bessere Bezahlung für die Frauen (und wenigen Männer), die dort arbeiten. «Auch das ist Lohn für Hausarbeit», sagt Peter. Viele Frauen leisteten heute Erwerbsarbeit auf Kosten von Geschlechtsgenossinnen: «Sie können arbeiten, weil andere Frauen mit schlechten Löhnen die Kinder betreuen, die Wohnung putzen oder die Eltern pflegen.» Die Arbeit dieser Frauen müsse mehr Wert erhalten.

Die Bäuerinnen machen es vor

Mehr Wert für die eigene Arbeit, das fordern auch die Schweizer Bäuerinnen. Die oberste Bäuerin der Schweiz, Christine Bühler, setzt sich seit Jahren für einen Bäuerinnenlohn ein. Diesen soll aber nicht der Staat bezahlen, sondern der Ehemann, der den Bauernbetrieb führt.

Mehr als jede zweite Bäuerin arbeitet heute gratis mit auf dem Hof. Kommt es zur Scheidung, landen manche in der Sozialhilfe. Auch im Alter ist die Situation vieler Bäuerinnen prekär. Der Bund hat das Anliegen von Christine Bühlers Bäuerinnen- und Landfrauenverband aufgenommen. Er schlägt vor, die soziale Absicherung der Bauersfrauen an die Direktzahlungen zu knüpfen: Wer den Ehepartner nicht sozialversichert, soll ab 2022 keine Staatsgelder mehr erhalten. Der Schweizer Bauernverband lehnt den Vorschlag aber klar ab.

Er will das Problem mit Sensibilisierungskampagnen und Beratung für junge Bauern lösen. Doch für Landwirtschaftsminister Guy Parmelin ist das nicht genug: «Ich habe einige Dramen gesehen», sagte er jüngst in der «Bauernzeitung». Der bisherige Zustand sei nicht mehr tolerierbar.

Auch die oberste Landfrau Christine Bühler will sich nicht so einfach mit mehr Beratung und Sensibilisierung abspeisen lassen. Sie wird am 14. Juni streiken.

Merkliste

Hier speichern Sie interessante Artikel, um sie später zu lesen.

  • Legen Sie Ihr persönliches Archiv an.
  • Finden Sie gespeicherte Artikel schnell und einfach.
  • Lesen Sie Ihre Artikel auf allen Geräten.

Artikel hören

Lassen Sie sich Artikel vorlesen – mit der neuen NZZ-Audiofunktion.

  • Gehen Sie bequem anderen Tätigkeiten nach, während wir Ihnen den Artikel vorlesen.
  • Ob Handy, Tablet oder Computer – hören Sie sich NZZ-Artikel auf allen Geräten an.
  • Speichern Sie Artikel, die Sie später hören möchten oder die Sie interessieren.