RWE-Chef Schmitz will Klimaziele MIT Kohlestrom erreichen +++ Versorgungssicherheit benötigt aber politischen Flankenschutz: »Gegen Öko-Terroristen sind wir allein überfordert

Von: Von WILFRIED PASTORS

Sie bewegen Milliarden Euro und tragen Verantwortung für hunderttausende Jobs.

Aber was beschäftigt die Chefs der Weltfirmen aus NRW? BILD hat sie in einer mehrteiligen Serie befragt.

Die RWE-Zentrale in Essen

Die RWE-Zentrale in Essen

Foto: RWE

BILD: Die deutschen Stromkunden stöhnen unter ständig steigenden Strompreisen, Sie bringen jetzt einen weiteren Aufschlag zur Versorgungssicherheit ins Gespräch…

Rolf Martin Schmitz: „Wir reden von 0,4 Cent je Kilowattstunde, das würde die Stromrechnung eines Durchschnittshaushaltes um ein bis zwei Prozent verteuern. So kann Deutschland sicherstellen, dass auch dann das Licht nicht ausgeht, wenn mal zwei Wochen keine Sonne scheint und wenig Wind weht. Nur zum Vergleich: 6,88 Cent je Kilowattstunde werden für die Förderung erneuerbarer Energien drauf geschlagen.“

Die für Umwelt und Klima auch deutlich verträglicher sind…

Schmitz: „Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Wir reden nicht einer Energiezukunft mit Kohle- oder Gaskraftwerken das Wort – um dieses Missverständnis gleich auszuräumen. Auch wir möchten weniger Emissionen bei der Energieerzeugung. Dafür hat der Gesetzgeber Wege und Ziele vorgegeben, die wir punktgenau erreichen werden.“

Wie sehen die aus?

Schmitz: „Unser Fahrplan für die Braunkohle führt bis 2020 zu einer CO2-Reduzierung von 15 Prozent, bis 2030 wird sich der Ausstoß durch Beendigung des Tagebaus Inden um bis zu 50 Prozent reduzieren. Danach sind absehbar in NRW noch drei BoA-Kraftwerke mit 3000 Megawatt Leistung am Netz. Ich kenne keinen anderen Sektor, der so viel und so klar zielgenau CO2 einsparen wird.“

Bundesumweltministerin Barbara Hendrix (SPD) geht das offenbar nicht schnell genug, die möchte durch Verteuerung von Emissions-Zertifikaten in Deutschland Druck machen...

Schmitz: „Der Umwelt hilft ein nationaler Alleingang überhaupt nicht. Es gibt einen europaweit gedeckelten Handel mit CO2-Zertifikaten. Wenn Deutschland weniger verbraucht, nutzen die anderen Länder mehr. Aus Sicht des Klimaschutzes macht dieser Vorschlag keinen Sinn. Es geht doch vielmehr um eine europaweite Reduzierung.“

Aber ohne Druck reagieren die Stromerzeuger, siehe AKW, offensichtlich nicht?

Schmitz: „Bei den Atomkraftwerken ist eine politische Entscheidung gefallen, die wir voll mit tragen. Auch wenn sie unser Unternehmen an die Grenze der Existenz geführt hat. 2022 ist Schluss mit der Produktion. Für Entsorgung und Rückbau hatten wir rund zehn Milliarden Euro auf die Seite gelegt. Fünf Milliarden davon, nämlich für die Zwischen- und Endlagerung haben wir an die Bundesregierung überwiesen, plus eines Aufschlages von 35 Prozent, also insgesamt rund sieben Milliarden Euro. Die Verantwortlichkeiten sind jetzt bis ins letzte Detail geregelt.

Für den Part Lagerung und Entsorgung ist die Regierung zuständig. Nach dem Ausstieg müssen andere Kraftwerke die Versorgungssicherheit übernehmen.“

Droht dann irgendwann der Strom-GAU?

Schmitz: „Mit solchen Szenarien sollte man keine Ängste schüren. Zwei Fakten: Im Januar hatten wir 14 Tage schlechtes Wetter, keine Sonne, kaum Wind. Alle Kraftwerke in Deutschland sind Sturm gelaufen, weil gleichzeitig in Frankreich noch sechs Kernkraftwerke heruntergefahren waren. Zweitens: Wenn 2022 alle AKW abgeschaltet sind, kann es bei kritischen Wetterlagen, wie oben beschrieben, durchaus knapp werden. Ich glaube, dass dann die Notreserven der Bundesnetzagentur zum Einsatz kommen. Oder dass einzelne Großverbraucher wie Industriebetriebe geplant abgeschaltet werden. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Kühlschränke anbleiben.

RWE sieht sich als Backup für die Versorgungssicherheit. Wir werden konventionell immer weniger Strom produzieren, damit immer weniger CO2 ausstoßen. Aber wir werden für eine sichere Stromversorgung immer Kraftwerke vorhalten müssen, ergänzt um Speicher oder neue Technologien, die wir heute noch gar nicht kennen.“

Wann können wir Strom besser speichern?

Schmitz: „Stunden oder ein Tag Flaute bei Erneuerbaren lassen sich mit Batterien oder auch Pumpspeichern überbrücken. Aber es gibt kein Medium, um über Tage oder gar Wochen Strom zu speichern.

Um das Dilemma zu verdeutlichen: Wenn in Deutschland zwei Wochen die Erneuerbaren ausfallen, müsste man zum Ausgleich das Wasser des gesamten Bodensees 160 Meter hoch pumpen und dann auf eine Turbine laufen lassen. Oder man würde für denselben Zweck 29 Milliarden Autobatterien benötigen – aktuell gibt es in Deutschland etwa 40 Millionen Autos. Sie sehen: Wir müssen Erzeugungskapazitäten mit Kraftwerken vorhalten.“

Der Strombedarf wird durch die E-Auto-Offensive weiter steigen…

Schmitz: „Dieses Beispiel verdeutlicht unsere Position am besten! Aus Sicht der Umwelt macht es nur Sinn, Elektro-Autos mit Öko-Strom zu betreiben. Aber was passiert bei mehrtägiger Dunkelflaute? Die Batterie ist leer, die Paneele vom Dach liefern auch nichts - wie kommen Sie zur Arbeit?

Auch in diesem Fall sorgen wir für Versorgungssicherheit. Dafür wollen wir entlohnt werden. In England ist das längst Realität. Bei uns brauchen wir dafür auch eine Lösung.“

Was erwarten Sie von der neuen Landesregierung?

Schmitz: „Einen rationalen, unideologischen Zugang zu den Herausforderungen des Industriestandortes. Sie sollte die Verkehrsinfrastruktur ausbauen und vor allem Datenautobahnen für das digitale Zeitalter ausbauen.

Für die Energie-Infrastruktur können wir selber sorgen, wenn niemand willkürlich eingreift. Wir benötigen weiterhin Rückendeckung gegen den gewalttätigen Tagebau-Protest. Gegen einige Öko-Terroristen, die schwere Verletzungen oder mehr bei unseren Mitarbeitern in Kauf nehmen, sind wir allein überfordert.“

So sieht der RWE-Chef NRW

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