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Covid-19: Wie China das neue Coronavirus ausbremste

Mit radikalen Maßnahmen drückt China die Zahl der Neuinfektionen mit Sars-CoV-2 deutlich, berichtet ein WHO-Team. Doch was Deutschland daraus lernen kann, ist unklar.
Coronavirus-Epidemie in China:Drei Personen in Schutzanzügen sortieren Versorgungsgüter für Menschen in Quarantäne.

Noch im Januar schien Covid-19 in der chinesischen Provinz Wuhan unaufhaltsam. Doch seit Ende Februar zeichnet sich ab: Der chinesische Staat hat es mit drastischen Maßnahmen geschafft, das Virus deutlich einzudämmen. Das berichtet jedenfalls der Leiter einer Mission der Weltgesundheitsorganisation WHO in China Bruce Aylward in einem Bericht vom 28. Februar.

Demnach senkte das Land die bestätigten täglichen Neuinfektionen von nahezu 3000 Ende Januar auf nur wenige hundert in den letzten Februartagen. Diese dramatische Abnahme der Fallzahlen sei real, schreibt die Gruppe in ihrem Bericht, der die chinesische Reaktion in höchsten Tönen lobt. Allerdings ist unklar, welche Schlüsse andere Länder wie Deutschland aus dem Erfolg für ihre eigenen Strategien ziehen sollten. Denn die Maßnahmen speziell in Wuhan waren ungewöhnlich streng.

China setzt dabei auch auf eine Technik, die auch in Deutschland eingesetzt wird, das allerdings in großem Stil: die Nachverfolgung von Infizierten und ihrer Kontakte. Allein in Wuhan identifizierten über 1800 Teams aus Fachleuten enge Kontakte bekannter Infizierter – und fanden nach Angaben der Behörden nahezu alle. Der Anteil der aufgespürten engen Kontakte spiele eine erhebliche Rolle dabei, ob auf diesem Weg eine Epidemie eingedämmt werden kann, berichtete kürzlich ein Team um Joel Hellewell von der London School of Hygiene & Tropical Medicine in »Lancet«.

Wie tödlich ist das Coronavirus? Was ist über die Fälle in Deutschland bekannt? Wie kann ich mich vor Sars-CoV-2 schützen? Diese Fragen und mehr beantworten wir in unseren FAQ. Mehr zum Thema lesen Sie auf unserer Schwerpunktseite »Ein neues Coronavirus verbreitet sich weltweit«.

Chinas extreme Maßnahmen

Außerdem ergriff das Land aggressive Maßnahmen, um die Menschen voneinander fernzuhalten. Auf nationaler Ebene verlängerte der Staatsrat die Feiertagsferien, und im ganzen Land fielen Großveranstaltungen aus – bis hin zu Kino- und Theatervorführungen. Laut Bericht kehrte in Unternehmen und Behörden die Belegschaft nur nach und nach an ihre Arbeitsplätze zurück, so dass einzelne Erkrankte jeweils nur einen Teil der Beschäftigten infizieren konnten.

Die bekannteste und dramatischste Maßnahme allerdings war der »Lockdown« der Stadt Wuhan. Die gesamte Bevölkerung hatte Hausarrest. Die Idee dahinter: Erkrankte konnten nur die Mitglieder ihres Haushaltes infizieren – und dann niemanden mehr. Auch in weniger betroffenen Regionen setzten die Behörden eine strikte Quarantänte Betroffener durch, heißt es in dem Bericht. Dafür baute die chinesische Regierung in einer international beachteten Aktion binnen einer Woche zwei eigene Krankenhäuser für Menschen mit Atemwegsinfektionen.

Daneben kontrollierte das Land strikt die Bewegungen seiner Bürgerinnen und Bürger. In der am stärksten betroffenen Provinz Hubei fuhren keine öffentliche Verkehrsmittel mehr, und in nicht betroffenen Regionen führten die Behörden Quarantänemaßnahmen an den Verkehrsknotenpunkten ein. Mit Hilfe zweier Apps überwachte das Land außerdem die Bewegungen der Menschen und setzte so Einschränkungen durch.

Der Bericht der WHO vermerkt, dass derartige Maßnahmen, die in einem westlichen Land vermutlich nur in absoluten Ausnahmesituationen durchsetzbar wären, in der Bevölkerung weithin akzeptiert und unterstützt wurden. Zivile Organisationen und Freiwillige unterstützten die Aktivitäten, schreibt das Team um Aylward – sie versorgten die unter Quarantäne stehenden Menschen wohl mit dem Nötigsten. Außerdem scheint sozialer Druck eine gewisse Rolle dabei gespielt zu haben, die Einhaltung der Maßnahmen gewährleisten.

Kein Vorbild, aber aufschlussreich

Chinas drastische Maßnahmen lieferten entscheidende Lektionen für die weltweite Bekämpfung des Virus, heißt es in dem Bericht. Allerdings klingt in den allgemein Empfehlungen der Gruppe an, dass auch betroffene Länder die Maßnahmen nicht direkt kopieren sollten. Länder mit bekannten Fällen sollten allerdings stringentere Maßnahmen prüfen, wie Schulen zu schließen und Großveranstaltungen abzusagen, um »nach Bedarf« Infektionsketten abzubrechen.

Staaten wie Deutschland sollten allerdings, empfiehlt die Gruppe um Aylward, schnellstmöglich ihre Maßnahmen erweitern, um Fälle von Covid-19 samt all ihren Kontakten aufzuspüren und unter Quarantäne zu stellen. Alle Kranken mit atypischen Lungenentzündungen seien zu testen, außerdem sollten bestehende Überwachungssysteme für Atemwegserkrankungen auch auf den neuen Erreger testen. Das WHO-Team ruft Regierungen und Gesellschaften dazu auf, die neue Infektion mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Insbesondere müsse die Bevölkerung aufgeklärt werden, dass sie dazu beitragen muss, die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Viele Fragen allerdings bleiben weiterhin offen, in China und im Rest der Welt. Trotz der erfolgreichen Maßnahmen ist das Virus in China nur eingedämmt, nicht besiegt – das Land geht aber davon aus, dass es eine dramatische Rückkehr der Krankheit verhindern kann. In anderen Ländern steht die Bekämpfung erst am Anfang, der Ausgang ist ungewiss. Nicht zuletzt auch, weil weiter unklar ist, wie tödlich die Krankheit wirklich ist und wie schnell sie sich ausbreitet.

Diese Unsicherheit macht Sars-CoV-2 so gefährlich. Die einzelnen Menschen in allen Ländern ruft das WHO-Team dazu auf, Maßnahmen gegen das Virus zu unterstützen und einfache Techniken wie regelmäßiges Händewaschen und Hygiene zu nutzen. Die Öffentlichkeit müsse erkennen, dass Covid-19 eine neue und Besorgnis erregende Krankheit ist, heißt es im Bericht, »aber mit der richtigen Reaktion können Ausbrüche beherrscht werden, und die große Mehrheit der Infizierten wird wieder gesund«.

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