Bevölkerungsentwicklung :
Schafft auch die Türkei sich ab?

Von Michael Martens, Istanbul
Lesezeit: 5 Min.
Für seine Integrations-Rede erntet Bundespräsident Wulff Beifall auch in der Türkei - denn auch sie hat ein demographisches Problem. Im Westen ist die Geburtenrate niedrig. Der Südosten ist reich an Kindern, aber arm an Bildung. Von dort stammen viele, die es nach Deutschland zieht.

Selten passte eine solche Dienstfahrt besser in die Zeit als die Türkeireise von Bundespräsident Wulff in dieser Woche. Während die Deutschen darüber streiten, wie viel Einwanderung, Islam und Integration ihr Land verkraften kann oder soll, unternimmt ihr höchster Repräsentant die Reise zur Debatte. Die Türkei, so führen es Befürworter des türkischen Wunsches nach EU-Mitgliedschaft an, könne die Fachkräfte liefern, die Deutschland immer stärker fehlen werden. Umgekehrt benutzen Erweiterungsgegner dieses Argument: Eine Türkei von 100, gar 120 Millionen Einwohnern werde die schrumpfenden EU-Staaten dominieren. Wenn allerdings die seit den sechziger Jahren zu beobachtende Entwicklung anhält, wird es das abendländische Schreckgespenst einer 120-Millionen Türkei nicht geben. Ebenfalls ist allerdings fraglich, ob die europäischen Industriestaaten ihren Fachkräftemangel aus dem sich (stetig verlangsamenden) Bevölkerungswachstum der Türkei decken können - denn dieses Wachstum wird längst nicht mehr in den entwickelten Regionen im Westen der Türkei generiert, sondern in den verarmten und bildungsfernen Gebieten Ost- und Südostanatoliens.

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