Windenergie, die vor allem in Norddeutschland an Land oder auf See produziert wird, hat sich längst als einer der Eckpfeiler etabliert, wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht. Allerdings hat sie einen Nachteil: Wenn sich die Windräder ordentlich drehen, wird manchmal mehr Strom produziert, als überhaupt benötigt wird. Damit diese überschüssige Energie genutzt werden kann, wurde 2016 mit dem Bau des Projektes Nord-Link begonnen: einer Stromverbindung zwischen Norwegen und Deutschland, die bedarfsgerecht den Austausch erneuerbarer Energien zwischen beiden Ländern ermöglichen soll. Am Mittwoch wurde das sogenannte grüne Kabel wie geplant in Probebetrieb genommen.
Das Konzept hinter Nord-Link: Der in Norddeutschland überschüssige Strom wird über ein Seekabel nach Norwegen geleitet und dort in Pumpspeicherkraftwerken geparkt und bei Bedarf zurückgeleitet. Dadurch kann mit den Kapazitäten der Wasserkraftwerke den Engpässen im deutschen Übertragungsnetz entgegengewirkt werden. Umgekehrt können bei Verbrauchsspitzen und gleichzeitig geringer Wind- und Solarenergieerzeugung in Deutschland die norwegischen „Wasserkraft-Speicher“ genutzt und Strom nach Deutschland transportiert werden.
Nord-Link ist als Hochspannungs-Gleichstromübertragung konzipiert und hat eine Kapazität von 1400 Megawatt. Es besteht aus einem 516 Kilometer langen Seekabel, das in einer Meerestiefe von bis zu 410 Metern durch deutsche, dänische und norwegische Gewässer verlegt wurde. Dazu kommen auf deutscher Seite 54 Kilometer Landkabel sowie 53 Kilometer Freileitung auf norwegischer Seite.
Hinter dem Nord-Link-Projekt steht ein Konsortium, an dem zu jeweils 50 Prozent der norwegische Übertragungsnetzbetreiber Statnett sowie die DC Nordseekabel GmbH beteiligt sind. An DC Nordseekabel halten Tennet und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) jeweils 50 Prozent der Geschäftsanteile. DC Nordseekabel ist auf deutscher Seite verantwortlich für Bau und Genehmigungen. Der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet, der hauptsächlich Projekte in Deutschland und den Niederlanden umsetzt, zählt zu den führenden europäischen Übertragungsnetzbetreibern.
Versorgung von 3,6 Millionen Haushalten möglich
Nord-Link sei ein Leuchtturmprojekt der Energiewende und ein wichtiger Schritt bei der Integration erneuerbarer Energien in den Strommarkt, sagt Tennet-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens. „Wir haben heute erstmals die Strommärkte Norwegens und Deutschlands direkt miteinander verbunden." Das grüne Kabel könne rechnerisch etwa 3,6 Millionen Haushalte mit klimaneutraler Energie versorgen. „Norwegische Wasserkraft und deutsche Windenergie ergänzen sich in diesem System wechselseitig in optimaler Weise.“
„Wir sind stolz darauf, dass unsere neue Verbindungsleitung für den Energieaustausch zwischen unseren beiden Ländern bereit ist“, sagte Gunnar G. Løvås, Executive Vice President von Statnett. „Nord-Link wird uns helfen, unsere Klimaziele zu erreichen und sowohl auf der norwegischen als auch auf der deutschen Seite des Kabels Mehrwert zu schaffen.“
Der Klimawandel erfordere ein ebenso deutliches wie kluges Umdenken – Nord-Link werde dabei ein Eckpfeiler der europäischen Energiewende sein, sagt Markus Scheer, Mitglied der Geschäftsführung der KfW Ipex-Bank. „Mit dem Tausch von Elektrizität aus Wind- und Wasserkraft schaffen wir Versorgungssicherheit, stabile Energiepreise und erhöhen den Anteil erneuerbarer Energien im Strommix.“
Zur verlustarmen Übertragung wird aufgrund der Streckenlänge und der großen Übertragungsleistung Gleichstrom auf der Nord-Link-Trasse verwendet. Die beiden Kabel sind mit den Konverter-Stationen in Wilster (Schleswig-Holstein) und Tonstad (Norwegen) verbunden. An diesen Standorten wird der Strom von Gleich- in Drehstrom beziehungsweise umgekehrt, je nach Übertragungsrichtung, umgewandelt und in das deutsche beziehungsweise norwegische Drehstrom-Übertragungsnetz eingespeist.
Grüner Wasserstoff aus der Nordsee
Der Förderverein Aqua Ventus hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2035 sollen zehn Gigawatt Erzeugungsleistung für grünen Wasserstoff aus Offshore-Windenergie hergestellt werden. Eine Million Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr sollen dann von einem Windpark bei Helgoland einen entscheidenden Beitrag zur deutschen und europäischen Wasserstoffstrategie leisten. Das Projekt hat der Förderverein in dieser Woche beim parlamentarischen Abend „Grüner Wasserstoff aus der Nordsee“ in Berlin vorgestellt. Zum Förderverein gehören derzeit 27 international führende Unternehmen, Organisationen und Forschungseinrichtungen, darunter Shell, das Fraunhofer Ifam, RWE und Siemens Gamesa.