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Nach Gewalttat am Kirchweyher Bahnhof Brutalität löst Betroffenheit aus

Weyhe. Er wollte eigentlich nur einen Streit schlichten, jetzt ringt ein 25-jähriger Leester im Krankenhaus mit dem Tod: In Weyhe herrscht Fassungslosigkeit nach der Gewalttat am Bahnhof.
14.03.2013, 05:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Sebastian Kelmund Florian Cordes

Weyhe. Er wollte eigentlich nur einen Streit schlichten, jetzt ringt ein 25-jähriger Leester im Krankenhaus mit dem Tod: In Weyhe herrscht Fassungslosigkeit nach der Gewalttat am Bahnhof, bei der laut der Staatsanwaltschaft noch auf das am Boden liegende Opfer eingetreten worden sein soll. "Abscheulich" nennt Bürgermeister Frank Lemmermann dieses brutale Vorgehen. Ähnlich äußerten sich Passanten am Tatort, an dem Kerzen und Blumen die Anteilnahme zum Ausdruck bringen.

Die Betroffenheit in Weyhe ist groß nach der brutalen Tat in der Nacht zu Sonntag. Ein 25-jähriger Leester war im Zusammenhang mit einem Streit am Kirchweyher Bahnhof lebensgefährlich verletzt worden. Er liegt mit schwersten Kopfverletzungen in einem Bremer Krankenhaus. Am Tatort stehen zwei Kerzen, jemand hat einen Rosenstrauß hingelegt. Auf einem Zettel steht die Frage nach dem Warum.

Dass die Ärzte die Hoffnungen für das Opfer bereits aufgegeben haben sollen, das wollte Lutz Gaebel von der Staatsanwaltschaft Verden gestern auf Anfrage nicht bestätigen. Nur so viel: Der Zustand des jungen Mannes sei äußerst kritisch. Sollte er sterben, würde der Vorwurf gegen den 20-jährigen mutmaßlichen Haupttäter aus Weyhe, der momentan in Untersuchungshaft sitzt, auch nicht mehr nur auf versuchten, sondern auf Mord lauten.

Mittlerweile sind weitere Einzelheiten zum Tathergang bekannt geworden. Demnach wollte der 25-Jährige eigentlich schlichten, als eine Gruppe nach einem Discobesuch in Wildeshausen auf dem Rückweg im Bus in Streit geriet, so die Staatsanwaltschaft. Beim Aussteigen in Kirchweyhe habe das Opfer versucht, die Situation zu beruhigen und sich so womöglich den Zorn des Beschuldigten zugezogen.

Der mutmaßliche Täter soll den 25-Jährigen dann derart heftig in den Oberkörper getreten haben, dass er gegen den Bus prallte und mit dem Kopf ungebremst auf das Straßenpflaster aufschlug. Der Verdächtige habe daraufhin keineswegs von seinem wehrlosen Opfer abgelassen, sondern weiter auf den bereits regungslos am Boden liegenden Leester eingetreten. Ob weitere Mittäter aus Weyhe zum Bahnhof hinzugerufen wurden, ist unklar. Vier Männer, die ebenfalls an dem Vorgang beteiligt gewesen sein sollen, befinden sich inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Laut Andrik Hackmann, Sprecher der Polizeiinspektion Diepholz, saßen etwa 30 Fahrgäste im Bus, die die Streitigkeiten mitbekommen haben und nun allesamt als Zeugen gehört werden sollen. Hackmann ordnet die Tat als "dramatischen Einzelfall" ein, der eine selten dagewesene Qualität der Brutalität zeige. "Handgreifliche Auseinandersetzungen gibt es immer mal wieder, aber in der Form erleben wir das hier nicht oft", sagte er. Von einem Gewaltproblem im Nordkreis zu sprechen, sei aber nicht angebracht. Er verwies auf die Zahl der Körperverletzungen, die – wie auch der kürzlich vorgestellten Kriminalstatistik zu entnehmen war – in der Region sogar leicht rückläufig ist.

Fassungslos zeigte sich gestern eine Passantin am Kirchweyher Bahnhof. "Es ist schrecklich, dass so respektlos mit dem Leben anderer Menschen umgegangen wird", sagte sie. "Es gibt heutzutage keine Hemmschwellen mehr." Für sie sei es unverständlich, dass niemand aus dem Bus heraus die Polizei über den Streit informiert habe. "Heute haben doch fast alle Leute ein Handy dabei." Ein anderer Passant stellt sich dagegen die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, Zivilcourage zu zeigen. "Die Tat ist für mich deshalb so schlimm, weil das Opfer ja nur einen Streit schlichten wollte", sagte er. "Wahrscheinlich überlegt man sich dann lieber dreimal, bei so etwas einzugreifen."

Auch die jungen Menschen in der Gemeinde Weyhe sind schockiert. "Ich finde es erschreckend, wenn das Opfer bereits am Boden liegt, aber weiter auf es eingetreten wird", meinte ein 15-Jähriger. Sein Freund wundert sich dagegen, dass die schreckliche Tat ausgerechnet in Weyhe passiert ist. "So etwas kennt man normalerweise nur aus Großstädten."

Als "abscheulich" bezeichnete Weyhes Bürgermeister Frank Lemmermann die Gewalttat. "Ich kann es nicht verstehen, dass es immer wieder Auseinandersetzungen mit solcher Brutalität gibt." Seiner Ansicht nach müsse vor allem präventiv etwas unternommen werden, damit sich solche Vorfälle nicht wiederholen. Ein erster Schritt soll heute Abend im Weyher Rathaus gemacht werden. Für 18 Uhr wurde eine Sondersitzung des Präventivrates und des Runden Tisches gegen Rechts für Integration angesetzt. Die Mitglieder wollen über den Vorfall am Bahnhof und mögliche Reaktionen sprechen.

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