Berliner Wahl-Chaos: Die irren Ausreden der Wahlleiterin

ZU wenig Stimmzettel, noch weniger Antworten

Berlins Landeswahlleiterin Petra Michaelis

Berlins Landeswahlleiterin Petra Michaelis

Foto: Christoph Soeder/dpa
Von: Stefan Peter

Berlin – Hunderte, vielleicht Tausende Berliner konnten nicht wählen, weil es nicht ausreichend Stimmzettel gab. Wartezeiten von zwei Stunden vor dem Wahl-Lokal. Doch ausgerechnet Landeswahlleiterin Petra Michaelis hat keinerlei Erklärungen für die Pannen.

Bei einer Pressekonferenz im Roten Rathaus am Montag wies sie jede Verantwortung für das Wahl-Chaos von sich, schien größtenteils ahnungslos und bot stattdessen jede Menge Ausflüchte.

Erklärungen gab es wenige, dafür aber jede Menge Ausflüchte

Erklärungen gab es wenige, dafür aber jede Menge Ausflüchte

Foto: Christoph Soeder/dpa

Die vielen unterschiedlichen Abstimmungen, die Corona-Bedingungen und der gleichzeitig stattfindende Berlin-Marathon sei eine große Herausforderung für die Wahl-Organisation und für die Wähler gewesen, so Michaelis.

Diesmal seien 34 000 Wahlhelfer im Einsatz gewesen (sonst nur 21 000), in den über 2000 Wahl-Lokalen habe es immer zwei Urnen (für Bundestag und Berliner Abstimmungen) gegeben. „Selbstverständlich hatten wir auch dafür gesorgt, dass genügend Stimmzettel beschafft werden.“ In jedem Wahl-Lokal habe es mehr Stimmzettel als Wahlberechtigte gegeben, im Schnitt zehn bis 20 Prozent. Michaelis: „Ich war zuversichtlich, dass wir sehr gut vorbereitet sind.“

Wie hier in Prenzlauer Berg mussten die Wähler an vielen Wahllokalen in Berlin anstehen

Wie hier in Prenzlauer Berg mussten die Wähler an vielen Wahllokalen in Berlin anstehen

Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Dieser Optimismus hielt freilich nicht lange an – bereits am Sonntagvormittag gab es erste Berichte über Pannen in den Wahllokalen (falsche Stimmzettel, übermäßig lange Wartezeiten), später brach in einigen Bezirken das komplette Chaos aus. Doch auch am Tag nach der Wahl hat Berlins oberste Wahlleiterin dafür keinerlei Erklärung.

„Unverständlich war für mich, dass in einigen Wahl-Lokalen Stimmzettel ausgegangen sind. Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Woran das gelegen hat, kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen.“ Für sie gehe es jetzt darum, eine Bestandsaufnahme „der relevanten Wahlfehler“ zu machen. Betroffen von den Pannen waren vor allem Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg.

Woran lag es aber nun, dass in einigen Wahl-Lokalen Stimmzettel anderer Wahlkreise ausgegeben wurden? „Da kann ich nur spekulieren!“ Anderswo wurden nur einige der fünf Stimmzettel ausgegeben: „Das sind so Berichte, die mich erstaunt haben. Ich drücke mich da bewusst sehr vage aus, weil ich das erst verifizieren muss.“

In wie vielen Wahl-Lokalen wurden die Stimmzettel vertauscht? „Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen.“ Wo sind die verschwundenen Stimmzettel? „In der Theorie waren sie vorhanden. Wo sie jetzt gelegen haben, kann ich Ihnen nicht sagen.“

Wann wurde die letzte Stimme abgegeben? „Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich weiß es nicht.“ Gab es schon Anfechtungen der Wahl? „Soweit ich weiß, ist noch nichts eingegangen“, so Michaelis.

Auf der Online-Seite ihrer Behörde heißt es: „Die Landeswahlleiterin für Berlin ist für die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung aller politischen Wahlen verantwortlich“. An dieser Aufgabe ist Michaelis Sonntag krachend gescheitert.

BILD will deshalb auf der Pressekonferenz von ihr wissen: Wann treten Sie zurück? „Darüber werden wir nachdenken müssen, ob ich meinen Job richtig gemacht habe. Bevor ich da ein Urteil über mich selbst fälle, werde ich erst eine Bestandsaufnahme machen.“

Das Interesse an den Ausführungen der Landeswahlleiterin am Montag war groß

Das Interesse an den Ausführungen der Landeswahlleiterin am Montag war groß

Foto: Christoph Soeder/dpa

Die Verantwortung für das Chaos möchte die Landeswahlleiterin offenbar gerne auf die bezirklichen Wahlämter schieben. Denen gegenüber habe man kein Weisungsrecht. „Es war sicherlich eine Situation, die an Überforderung grenzte.“

Man habe im Vorfeld mit den Bezirks-Wahlleitern diskutiert, Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl zu trennen. „Die Festlegung des Wahltages nimmt natürlich nicht die Landeswahlleiterin vor.“ Der Senat habe für einen einheitlichen Termin votiert. Am Wahltag habe es weder Kontakt zum Innensenator noch zur Senatskanzlei gegeben.

Michaelis konnte die brennenden Fragen nicht beantworten

Michaelis konnte die brennenden Fragen nicht beantworten

Foto: Christoph Soeder/dpa

Sind am Ende die Wähler schuld?

Besonders absurd: Offenbar sieht Michaelis für die langen Schlangen eine Mitschuld bei den Wählern! Die hätten sich auf die „Vielfach-Ereignisse“ einstellen müssen. „Ich hatte im Vorfeld schon gebeten, dass sich die Wählerinnen und Wähler vertraut machen mit den Stimmzetteln.“ So hätte man die Verweildauer in der Wahl-Kabine senken können.

„Diese Bitte stieß an ihre Grenzen. Niemand kann es einem Wähler verwehren, in der Kabine so lange verweilen, bis er sein Kreuz gemacht hat. Da kam es wohl dazu, dass die Wahl-Kabine relativ lange in Anspruch genommen wurde.“ Ohnehin kann Michaelis in der langen Wartezeit vor vielen Wahl-Lokalen kein Problem erkennen, dies sei „im Rahmen des Üblichen“ …

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