Gasteiner Kur

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Mit dem Begriff Gasteiner Kur wurde historisch ein mehrere Wochen andauernder Kuraufenthalt im österreichischen Bad Gastein und den zugehörigen Kuranwendungen beschrieben. Bad Gastein ermöglicht einen Aufenthalt in alpiner Höhenlage auf 1000 m ü. A. in Kombination mit täglichen Bädern im mineralisierten Radon-Thermalwasser. Das „heilende Baden“ hat historisch in Bad Gastein eine lange Tradition.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Bad in der Gastein wird erstmals 1350 erwähnt und ist als regulärer Badebetrieb bereits seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nach nachweisbar. Paracelsus, der die Heilquellen des Alpenraums untersuchte, schrieb 1525 ausführlicher über Gastein, und behandelte die mineralischen Inhaltsstoffe.[2] 1792 schrieb der Gasteiner Kurarzt Niederhuber über ein „feines mineralische Gas“ als Erklärungshypothese.[2] Um 1832, zur Zeit des Einsetzens des modernen Kurbetriebes, gab es noch Beschwerden über die vergleichsweise primitive und dürftige Unterbringung.[3] Man wunderte sich noch immer über den vergleichsweise geringen Mineralgehalt des Thermalwassers und die dennoch als anregend empfundene Wirkung der Kuren in Gastein.[3] Auch wurde beobachtet, dass die Wirkung der Kur erst einige Wochen nach dem Aufenthalt zum Tragen komme.[4][5] Um 1900 entdeckte man die Radium-Emanation, der man schon wenige Jahre später die Wirkung der Gasteiner Kur und ähnlicher Heilbäder zuschreiben konnte.

Bad Gastein etablierte sich im späteren 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg als mondänes Kurbad von internationalem Rang, man nannte es „Monte Carlo“ oder „Monaco der Alpen“. Die Kurgäste mussten bis 1905 noch mit Kutsche anreisen, erst dann wurde Gastein mit der Tauernbahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Innerhalb kürzester Zeit setzt im engen Tal ein Bauboom ein, schon 1906 wurde beispielsweise das zehnstöckige Grand Hotel de l’Europe errichtet. Das großstädtische Ortsbild prägt Gastein bis heute.[6][7]

Nach dem Ersten Weltkrieg aber vor allem durch die Tausend-Mark-Sperre 1933 kam es zu erheblichen Krisen und Einbrüchen.[8] Kuren in Bad Gastein wurde auch danach mit dem Flair der k.u.k.-Monarchie assoziiert.[9] Gastein wurde in den 1950er Jahren wieder attraktiv für wohlhabende jüdische Gäste, darunter Nahum Goldmann und Ernst Stiassny.[9] Von den 1960er- bis in die 80er-Jahre, als der Kurbetrieb mit dem Schitourismus kombiniert werden konnte, entstanden weiter große Hotelburgen.[7]

Ende der 1980er geriet der Kurbetrieb, wie viele Heilbäder Österreichs, und damit auch der ganze Ort in eine Krise, die erst mit dem Wellness-Boom der 2000er etwas abgefangen werden konnte. Es gab immer wieder Revitalisierungsprojekte von Großinvestoren, insbesondere um den Wiener Finanzier Franz Duval. Auch in den 2010ern steht der Kurbetrieb wieder vor dem Aus.[10][6]

Kurmittel und Anwendungsform[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das typische Gasteiner Thermalbad ist baulich als klassische römische Wanne ausgeführt, d. h. als Senke mit einem Abstieg zu einer Unterwasser-Sitzbank (= Senkbad). Das natürlich heiße Thermalwasser tritt mit ca. 46 Grad Celsius aus 17 gefassten Quellen am Fuße des Badberg aus. Insgesamt gibt es 44 Quellen. Im Thermalwasser ist zusätzlich das radioaktive Edelgas Radon 223Rn gelöst, welches auf der Gasteiner Homepage als "milde, natürliche Radioaktivität" beschrieben wird, die "für den Körper, kurmäßig genossen, ausschließlich positiv" sei.[11] Das Wasser wird mit gekühltem Thermalwasser auf die vorgeschriebene und verträgliche Badetemperatur individuell gemischt. Weitere Anwendungen sind Dampfbäder (Dunstbad) und Luftkuren im Heilstollen.

Einige der im Kurbetrieb tätigen Ärzte führten verschiedene Studien zum Kurverlauf durch. Das Forschungsinstitut Gastein Tauernregion wurde 1936 gegründet und befasste sich mit den Radon-Thermalquellen. 2006 wurde es als Forschungsinstitut Gastein (FOI) der Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) in Salzburg angegliedert. In der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol findet sich umfangreiche Literatur zum Thema.[12]

Medizinische Wirkungsmechanismen und Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge der Popularisierung der Radioaktivität wurden der Radonanwendung verschiedene Heilwirkungen – etwa bei der schnelleren Wundheilung oder der Minderung von Tuberkulose nachgesagt. Eine Hormesis, die positive Wirkung geringer Strahlungsdosen wurde damals angenommen, hat sich aber bislang nicht bestätigt.[13] Die Anwendung von Radon bei Kuren, die Radonbalneologie, bleibt wissenschaftlich umstritten und deren Wirksamkeit nicht anerkannt.[14] Die Lungenkrebshäufigkeit im Gasteiner Tal ist niedriger als in der Region Salzburg erwartet.[15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Joseph Kiene: Die warmen Quellen zu Gastein. Ein Beitrag zur näheren Kenntnis der Heilkräfte dieses Alpenbades. 2. Auflage. Duyle, 1847 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hermann Greinwald: Die Gasteiner Kur. Therme und Heilstollen. Ein Ratgeber für Heilungssuchende und Gesunde von Dr. Hermann Greinwald., 1986 (= Gasteiner Bücherei, Band 8). Verlag: Badgastein: Verlag Dr. Maria Krauth.
  2. a b Heinrich von Zimburg: Theophrastus Paracelsus und Gastein. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. 84–85, 1944/45, S. 94–96 (zobodat.at [PDF]).
  3. a b Burkard Eble: Das Wildbad Gastein in seinen Beziehungen zum menschlichen Organismus und die neu errichtete Filial-Bad-Anstalt zu Hof-Gastein. Sollinger, 1832 (Digitalisat).
  4. Joseph Kiene: Die warmen Quellen zu Gastein. Ein Beitrag. 2., verm. Aufl. Duyle, 1847.
  5. Robert Exner: Über die Nachwirkung der Gasteiner Kur. In: Der Balneologe. Jahrgang 8, 1941, Heft 2.
  6. a b Bad Gastein ist auf der Suche nach sich selbst. In: Die Welt online, 20. August 2012.
  7. a b Bad Gastein - Von der Belle Époque bis zu Art on Snow. kultur-port.de, 22. Februar 2013.
  8. Laurenz Krisch: Zersprengt die Dollfussketten: die Entwicklung des Nationalsozialismus in Bad Gastein bis 1938. Böhlau, Wien 2003, ISBN 3-205-77129-X.
  9. a b Helga Embacher: Jüdische „Gäste“ im Gasteinertal nach 1945. In: Robert Kriechbaumer (Hrsg.): Der Geschmack der Vergänglichkeit. Jüdische Sommerfrische in Salzburg. Wien, Köln, Weimar 2002, S. 227–247.
  10. Thomas Auinger: Therme Bad Gastein kämpft gegen die Pleite. In: Salzburger Nachrichten. 27. November 2012, abgerufen am 25. November 2015.
  11. http://www.gastein.com/gasteiner-kur/radontherapie/gasteiner-thermalwasser (Memento des Originals vom 19. November 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gastein.com
  12. Morbus Bechterew Symposium, Bad Gastein 2004
  13. R. Piispanen: Radiation hormesis — fact or fiction? In: Environmental Geochemistry and Health. Band 17, Nr. 2, 1. Juni 1995, ISSN 0269-4042, S. 95–102, doi:10.1007/BF00146711.
  14. Deutsche Ärztezeitung: Forscher ergründen die Stollenluft. Ärzte Zeitung vom 7. Januar 2013 [1] Abgerufen am 6. Oktober 2014
  15. Johanna Pohl-Rüling, Werner Hofmann: Investigation of cancer mortality in the Gastein Valley, an area of high-level natural radiation. In: International Congress Series (= Radiation and homeostasis). Band 1236, 1. Juli 2002, S. 27–29, doi:10.1016/S0531-5131(01)00763-4.