Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisiert China in ihrem Jahresbericht für das "übergriffigste öffentliche Überwachungssystem, das die Welt jemals gekannt hat". In dem Bericht, der in New York vorgestellt wurde, heißt es: "Die Kommunistische Partei Chinas, die befürchtet, die Gewährung politischer Freiheit könnte ihre Macht gefährden, hat einen Orwellschen Hightech-Überwachungsstaat und ein ausgeklügeltes Internet-Zensursystem errichtet, um öffentliche Kritik zu überwachen und zu unterdrücken." Gleichzeitig nutze die Führung in Peking ihren wachsenden wirtschaftlichen Einfluss im Ausland, um das globale System zur Verteidigung der Menschenrechte auszuhebeln.

"Peking hat lange Zeit die Kritik im eigenen Land unterdrückt. Nun versucht die chinesische Regierung, diese Zensur auf den Rest der Welt auszuweiten", schreibt HRW-Chef Kenneth Roth in dem Bericht. Sollte China daran nicht gehindert werden, drohe eine "dystopische Zukunft", in der sich niemand außerhalb der "Reichweite chinesischer Zensoren" befinde. Zudem drohe das internationale Menschenrechtssystem so stark geschwächt zu werden, dass keine Überprüfung der Repression durch nationale Regierungen mehr möglich sei, warnte Roth. Dies zeigt sich laut dem HRW-Bericht bereits jetzt in den Gremien der Vereinten Nationen.

In seiner von etwa 13 Millionen Muslimen bewohnten Provinz Xinjiang im Nordwesten habe China ein "albtraumhaftes System" zur Kontrolle der Minderheit eingerichtet. HRW geht davon aus, dass in Xinjiang bis zu eine Million Menschen in Umerziehungslagern festgehalten werden, die meisten von ihnen Uiguren. Sie sind ethnisch mit den Türken verwandt und fühlen sich von den herrschenden Han-Chinesen unterdrückt. Die Regierung in Peking wirft uigurischen Gruppen Separatismus und Terrorismus vor.

"Ziel ist es, eine Gesellschaft frei von Dissens zu schaffen"

Viele Menschen in China wollten frei leben, sagte Roth in New York. "Die Regierung von Präsident Xi Jinping ist jedoch verantwortlich für die brutalste und tiefgreifendste Unterdrückung, die China seit Jahrzehnten erlebt hat." Die Behörden hätten zivilgesellschaftliche Gruppen zerschlagen, unabhängige Journalisten mundtot gemacht und die Online-Kommunikation stark eingeschränkt. HRW kritisiert zudem, dass Peking immer ausgefeiltere Technologien zur Unterdrückung einsetze und dadurch massiv in die Privatsphäre der Menschen eingreife. DNA-Proben würden unter Zwang gesammelt und große Datenanalysen sowie künstliche Intelligenz eingesetzt. "Ziel ist es, eine Gesellschaft frei von Dissens zu schaffen", so die Menschenrechtler.

HRW wirft China auch einen systematischen Angriff auf die internationale Durchsetzung von Menschenrechten vor. Die Großmacht nutze bei den Vereinten Nationen ihren Einfluss, um Maßnahmen zur Verfolgung von Tätern in der ganzen Welt zu verhindern. Die Regierung in Peking fürchte Präzedenzfälle. Deshalb versuche China unter Staatschef Xi Jinping unter anderem, Maßnahmen gegen syrische und russische Luftangriffe auf syrische Zivilisten oder wegen der Gewalttaten der Armee in Myanmar gegen die Rohingya-Minderheit zu blockieren. Vor diesem Hintergrund habe UN-Generalsekretär António Guterres bislang nicht öffentlich von der chinesischen Regierung gefordert, die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang zu beenden.

HRW appellierte an die demokratischen Staaten, gemeinsam gegen Pekings Strategie vorzugehen. Sie sollen dafür etwa Alternativen zu chinesischen Krediten zur Verfügung stellen und das Vermögen chinesischer Regierungsvertreter einfrieren, die sich an der Unterdrückung der Uiguren beteiligten.

HRW-Chef Roth wollte den Jahresbericht eigentlich in Hongkong vorstellen, doch wurde ihm am Flughafen der chinesischen Sonderverwaltungsregion die Einreise verweigert. Die Regierung in Peking hatte den Schritt als ihr souveränes Recht verteidigt. Organisationen wie Human Rights Watch unterstützten "anti-chinesische Aktionen und Unruhestifter in Hongkong", hieß es. Roth sagte, dass das Einreiseverbot das Problem mit China lebhaft illustriere. HRW musste zur Vorstellung seines Berichts, der Kapitel zu Dutzenden Ländern weltweit enthält, nach New York ausweichen.