Letzte Woche veröffentlichten wir eine Seite 3 zum Für und Wider privater Seenotrettung. Die Idee war entstanden, weil dies in Italien und Österreich ein zentrales Streitthema ist. Der Vorwurf wird beileibe nicht nur von den dort mitregierenden rechtsnationalen Parteien erhoben: Die privaten Helfer würden trotz bester Absichten das zynische Geschäft der Schlepper befördern. Dieser Frage wollten auch wir uns annehmen – denn politische Diskussionen und moralische Dilemmata verschwinden nicht dadurch, dass man die Augen vor ihnen verschließt. Wir hatten es also gut gemeint – was aber bekanntlich oft das Gegenteil von gut ist.

Viele Leser waren empört und haben uns massiv kritisiert. Das trifft uns, aber wir sind auch froh über diese Kritik, zeigt sie doch, wie hellwach die ZEIT-Leserschaft ist und wie viel sie von uns erwartet. Tatsächlich haben wir Fehler gemacht: zunächst das Pro und Contra selbst. Es ist heikel, ein Pro und Contra zur privaten Seenotrettung zu einer Zeit zu bringen, da es bei der staatlichen Seenotrettung politisch gewollte Lücken gibt. So entstand der Eindruck, wir wären der Meinung, es sei diskutabel, dass gar keine Seenotrettung stattfindet. Dies wurde durch die Überschrift "Oder soll man es lassen?" verstärkt – erst in der Unterzeile wurde deutlich, dass die private Seenotrettung gemeint war – nicht etwa jegliche Hilfe.

Tatsächlich vertritt niemand in der ZEIT – auch nicht die Autorin des Contra-Artikels – die Auffassung, dass man Menschen ertrinken lassen sollte, um andere abzuschrecken. Solche Art inhumaner Logik lehnen wir ab. Dass ein anderer Eindruck entstehen konnte, tut uns von Herzen leid.

Schließlich kam im Contra-Text von Mariam Lau nicht genug zum Ausdruck, dass wir – auch die Autorin – großen Respekt haben vor jenen, die ihre Freizeit und ihr Geld einsetzen, um auf dem Mittelmeer Menschen in Not zu retten, und sich dabei mitunter selbst in Gefahr bringen. Unabhängig davon, aus welcher Motivation und mit welchem Weltbild die Retter handeln, sind sie erst einmal zu bewundern. Was nicht bedeutet, dass die politischen Folgen ihres humanitären Handelns nicht auch kritisch gesehen werden können.

Was haben wir gelernt? Das Jahrhundertthema Flucht setzt Europa unter hohen moralischen und politischen Druck, es fordert auch unseren Journalismus ungemein. Wir haben uns vorgenommen, es in Zukunft wieder besser zu machen.

Die ZEIT-Chefredaktion