Zum Inhalt springen
SPIEGEL TV

Ostseefähre Brandexperten untersuchen "Lisco Gloria"

Die ersten Brandexperten sind inzwischen an Bord der havarierten Ostseefähre "Lisco Gloria" gegangen. Sie sollen letzte Glutnester löschen und sich einen Überblick über den Zustand des Schiffes verschaffen. Bis zur endgültigen Bergung könnten noch Tage vergehen.

Kopenhagen - Der Rumpf rußverschmiert, die Aufbauten nur noch ein Skelett aus Stahl und Metall. Mit leichter Schlagseite liegt die Ro-Ro-Fähre "Lisco Gloria" knapp vier Kilometer vor der dänischen Insel Langeland vor Anker. Zwar ist das Feuer an Bord des knapp 200 Meter langen Schiff inzwischen gelöscht. Doch noch ist völlig unklar, wie die Bergung des Havaristen weiter vonstatten gehen soll.

"Wir haben inzwischen die ersten drei Brandexperten mit spezieller Ausrüstung an Bord des Schiffes", sagt Gert Jakobsen, Sprecher der Reederei DFDS, SPIEGEL ONLINE. Ein Einsatz an Bord der Fähre war zunächst unmöglich, weil sich der Rumpf durch das Feuer auf bis zu 300 Grad aufgeheizt hatte. Erst nach einer 24-stündigen Wartezeit konnten die Experten der niederländischen Bergungsfirma Smit Salvage an Bord.

Fotostrecke

Katastrophe auf der "Lisco Gloria": Schwierige Bergung

Foto: dapd

"Sie sollen untersuchen, ob es noch Glutnester gibt", sagte ein Sprecher der dänischen Seenotleitstelle SOK. Danach besteht ihre wichtigste Aufgabe darin, das Abpumpen von Löschwasser aus den unteren Decks und dem Autodeck vorzubereiten.

Das gewaltige Feuer hat zwei Löcher in die Außenwand des Schiffs gefressen. Betroffen ist unter anderem ein etwa acht Quadratmeter großer Bereich an einem Außengang auf der Steuerbordseite.

Derzeit noch kein Öl ausgetreten

An Bord des Havaristen sind neben 200 Tonnen Schweröl auch 18 Tonnen Diesel und 25 Tonnen Maschinenöl. Mehrere Spezialschiffe sind an der Unglücksstelle, um notfalls einzugreifen. Bislang ist laut der Seenotleitstelle SOK aber kein Öl ausgetreten. Die Dänen hatten die Gesamteinsatzleitung in der Nacht zum Montag vom deutschen Havariekommando in Cuxhaven übernommen, nachdem die Fähre in dänische Hoheitsgewässer getrieben war.

Die ausgebrannte Fähre hat eine leichte Schlagseite von etwa zehn Grad. Die Gefahr des Kenterns besteht laut DFDS-Sprecher Jakobsen jedoch nicht. Vordringliches Ziel, so Jakobsen, sei es zunächst, das Löschwasser von Bord des Havaristen zu pumpen. "Wir brauchen zunächst einen Überblick: Wie viel Wasser ist im Schiff? Wo befindet es sich? Wie kriegen wir es von Bord", sagte er SPIEGEL ONLINE.

Die "Lisco Gloria" war wenige Stunden nach ihrem Auslaufen in Kiel in der Nacht zum Samstag nach einer Explosion in Brand geraten. Nördlich der deutschen Ostseeinsel Fehmarn wurden in einer dramatischen Rettungsaktion alle 236 Passagiere und Besatzungsmitglieder in Sicherheit gebracht. Sie wurden von der Fähre "Deutschland" aufgenommen und nach Kiel gebracht. 28 Menschen kamen mit Verletzungen ins Krankenhaus, die meisten von ihnen erlitten Rauchvergiftungen.

Ein Passagier liegt noch in der Klinik

Am Montag befand sich nur noch ein verletzter Passagier im Krankenhaus. Er werde noch einige Tage in der Klinik verbringen müssen, sagte der Deutschland-Geschäftsführer der dänischen Reederei DFDS, Heikki Tapionlinna. Alle übrigen hätten inzwischen die Heimreise angetreten. Eine letzte Gruppe von elf Personen sei abends von Sonderburg nach Palanga in Litauen geflogen worden, sagte Tapionlinna.

Über das weitere Vorgehen soll laut Seenotleitstelle am Montagnachmittag entschieden werden. "Wir müssen abwarten, wie lange es dauert, das Schiff in einen Zustand zu bringen, in dem es geschleppt werden kann", sagte DFDS-Sprecher Jakobsen. Seinen Angaben zufolge kann eventuell noch bis zu einer Woche vergehen, ehe die "Lisco Gloria" auf den Haken genommen werden kann.

Unklar ist auch, in welchen Hafen die Fähre geschleppt werden soll. Es komme auf die Schwer der Schäden an und ob das Schiff in dem Hafen auch repariert werden solle, so Jakobsen. Kiel, wo "Lisco Gloria" am Samstag abgelegt hatte, böte sich zwar an, doch kommt laut Jakobsen "grundsätzlich jeder größere Hafen in der Ostsee" infrage.

Dort sollen dann Behördenvertreter und Versicherungsunternehmen an Bord kommen und die endgültigen Untersuchungen zur Unglücksursache beginnen. Derzeit vermutet die Polizei vermutet einen technischen Defekt am Kühlaggregat eines Lkw als Brandursache.

Unterdessen bemüht sich die Reederei um einen Ersatz für die "Lisco Gloria" auf der Route Kiel-Klaipeda (Litauen). "So schnell wie möglich" solle ein Charterschiff dort zum Einsatz kommen, sagte Jakobsen. Derzeit ist auf der normalerweise von zwei Schiffen befahrenen Linie nur die "Lisco Maxima" im Einsatz.

Das Bundesverkehrsministerium will zunächst die Untersuchungen zum Fährunglück abwarten, bevor über Konsequenzen nachgedacht werde, sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) werde sich ausdrücklich noch beim Havariekommando in Cuxhaven bedanken, das die nächtliche Rettungsaktion "hervorragend" koordiniert habe.

kng/dpa/dapd