26.3.2021
Blog

Eine:r muss den Anfang machen – warum gendergerechte Sprache etwas verändert

  • Vom generischen Maskulinum fühlen sich nicht alle Geschlechter gleichwertig angesprochen
  • Perfektion darf (noch) kein Anspruch an gendergerechte Sprache sein
  • vom Hoff führt den Doppelpunkt ein
von
Charlotte Leuchter
Lesedauer: 4 Minuten
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Das generische Maskulinum bezieht alle mit ein. Wenn wir von Kunden, Politikern, Wissenschaftlern oder Ärzten sprechen, dann meinen wir nicht nur Männer. Alle anderen Geschlechter sind selbstverständlich mitgemeint – so zumindest die Meinung der Kritiker:innen des Genderns.

Doch Sprache ist eben nicht nur ein Mittel, um die eigene Wahrnehmung der Welt abzubilden, sie prägt und beeinflusst diese auch. Sprache formt Realitäten. Was nicht benannt wird, das ist nicht wichtig – so fühlt es sich jedenfalls oft an.

(Gendergerechte) Sprache beeinflusst auch unsere Arbeitswelt

Dass es nicht reicht „mitgemeint“ zu sein, lässt sich mittlerweile auch anhand vieler Studien empirisch beweisen. Psycholog:innen der Freien Universität Berlin fanden bei einer Umfrage unter 591 Grundschüler:innen zum Beispiel heraus, dass die Berufswünsche der Kinder maßgeblich durch die sprachliche Darstellung der jeweiligen Berufsgruppen beeinflusst werden. Wird in Unterrichtsmaterialien ausschließlich vom Ingenieur gesprochen, trauen sich deutlich weniger Mädchen zu, Ingenieurin zu werden.

Kein Wunder also, dass der Ruf nach einer gendergerechten Kommunikation in den letzten Jahren immer lauter wird. Die Vorteile überwiegen. Gendergerechte Sprache ist zeitgemäß. Sie ist inklusiver, repräsentativer und sie dekonstruiert Machtverhältnisse und Stereotypen. Und trotzdem: Immer, wenn Institutionen sich für eine geschlechtergerechte Sprache entscheiden, muss man nicht lange auf empörte Kritiker:innen warten. Sie erklären voller Entrüstung, warum Gendern ein Attentat auf Ästhetik, Schriftbild und Kommunikationskultur sei und warum Doppelpunkte, Gendersternchen oder Doppelnennungen nichts an Geschlechterungleichheiten änderten.

Und sie haben Recht. Jedenfalls beim letzten Punkt. Natürlich wird der Gender-Pay-Gap nicht an dem Tag aufgehoben sein, an dem jede Behörde, jede Universität, jede:r Journalist:in anfängt, Texte zu gendern. Auch werden wir dadurch nicht mehr Frauen in Führungspositionen sehen, oder mehr Männer die Kinderbetreuung übernehmen. Aber wenn die Nennung von Chef und Chefin dazu führt, dass mehr Mädchen sich vorstellen können, einmal ein Unternehmen zu führen, dann wird gegenderte Sprache indirekt eben doch mehr weibliche Führungskräfte hervorbringen.

Was bedeutet dieser sprachliche Wandel für die PR?

Veränderungen sind eine Konstante der Sprache. Noch nie war irgendetwas in unserer Sprache „schon immer so“. Im Duden finden sich Stichwörter wie „Hatespeech“, „Geisterspiel“, „Herdenimmunität” und eben auch „Gendersternchen“. Alles Wörter, die in der ersten Ausgabe im Jahre 1880 garantiert nicht aufgetaucht sind und die eine stetige Veränderung von Sprache eindrücklich beweisen.

Das dynamische Konstrukt Sprache ist das wichtigste Werkzeug in der PR. Texte sollen präzise, informativ aber eben auch fesselnd sein. Mindestens in puncto Präzision hat eine geschlechtergerechte Ansprache enorme Vorteile gegenüber dem generischen Maskulinum. Wenn in einer Pressemitteilung versprochen wird: „Alle Kunden können sich auf das neue Produkt freuen!“, dann schließt das nun mal viele Menschen aus. Studien zeigen, dass Frauen sich von Texten deutlich mehr angesprochen fühlen, wenn auch die Ansprache „Kundinnen” genutzt wird. Warum sollten wir diesen Vorteil nicht nutzen?

Ob dies nun durch Binnen-I, Gender-Gap, Doppelpunkte oder Paarnennungen geschieht, bleibt Geschmackssache. Alle Versionen haben Vor- und Nachteile. Während Sternchen, Doppelpunkte und Gender-Gaps sich immer wieder dem Vorwurf der schweren Lesbarkeit stellen müssen, beinhalten Paarnennungen und Binnen-I nur die weibliche sowie männliche Form und schließen diejenigen aus, die sich in einem binären Gendersystem nicht wiederfinden können. Wirklich inklusiv ist aber nur, was am Ende alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht einschließt.

Die Unentschlossenheit bei der Wahl einer konkreten Lösung zeigt sich auch in einer Umfrage unter Führungskräften aus Pressestellen und PR-Agenturen in Deutschland. 45 Prozent der Befragten haben keine einheitlichen Gender-Regelungen. Doch wenn gegendert wird, wird meist eine genderneutrale Sprache bevorzugt. Hier werden aus Student:innen ganz einfach Studierende, statt Mitarbeiter:innen spricht man von Beschäftigten und Lehrer:innen werden zu Lehrkräften.

Gendergerechtes Schreiben und Sprechen braucht Mut zur Veränderung und vor allem Übung. Wer etwas Neues wagt, riskiert Fehler. Der Anspruch an gendergerechte Sprache darf also nicht sein: Von heute auf morgen muss alles funktionieren. Was zählt, ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema und die Bereitschaft, etwas verändern zu wollen. Dieser Herausforderung stellen wir uns bei vom Hoff gerne. Ab sofort werden wir in unseren eigenen Texten den Doppelpunkt verwenden und zum Beispiel auch die Website dementsprechend überarbeiten. Denn auch wir wollen die Diskussion über Gendern und Gleichberechtigung in der Sprache weitertragen, um diesem wichtigen Thema die Aufmerksamkeit zu geben, die es verdient. Auch mit und vor allem in der Kommunikationsbranche.

verfasst von:
Charlotte Leuchter
Beraterin
+49 (0) 211 515805 – 16
c.leuchter@vomhoff.de