Drei Jahre dauerte die Pause, von Frank Ruge elegant mit Video-Botschaften, die durchaus gut ankamen beider Oldtimerszene überbrückt. Aber nichts geht eben über ein Treffen vor Ort. Vom 2. bis 4. Februar 2023 war es endlich wieder soweit, die Bremen Classic Motorshow öffnete wieder ihre Tore. Und die Leute kamen, und wie! 40’000 Leute wurden erwartet, aber wer am Samstag versuchte, durch die Hallen zu schlendern, der sah sich einer Menge von Besuchern gegenübergestellt, welche diese Zahl auf jeden Fall als sehr wahrscheinlich erscheinen liess. Tatsächlich bestätigte die Messe inzwischen 46'407 Besucher für das Jahr 2023, eine 10-prozentige Steigerung gegenüber 2020.
Trotzdem wirkte kaum jemand gestresst, viele lächelnde Gesichter und fröhliches Lachen aus den Gängen zeigten, dass die Oldtimerszene in alter Grösse und Ausdauer zurückgekommen ist.
Freilich sind alle drei Jahre älter geworden, aber es fehlte auch nicht an Nachwuchs und jungen Menschen.
Die Bremen Classic Motorshow wurde gefeiert, sie war eine dreitägige Party für alle, die etwas mit mehr oder weniger alten Automobilen, Motorrädern, Fahrrädern oder gar Traktoren anfangen können.
Viel Enthusiasmus
In Bremen ging’s um die Freude am alten Blech und dieses musste nicht teuer sein. Tatsächlich gab’s kaum ein Auto zu bestaunen, das siebenstellig gehandelt wird. Und selbst sechsstellige Preise und Bewertungen waren eher die Minderheit. Die meisten Fahrzeuge lagen für die Besucher durchaus in erreichbarem Preisregionen.
Aber gekauft werden konnten sowieso nicht alle Autos. Die Clubs, die sich auch dieses Mal viel Mühe gaben, ihre Marken und Autos schön zu präsentieren, bestritten einen wesentlichen Teil der Messe. Und hier geht es wirklich um Enthusiasmus, denn Geld verdienen tut in den Clubs bekanntlich niemand.
Viel Freizeitarbeit ist nötig, um die schönen Kulissen und Plakate, die Fahrzeugbeschriftungen und Möblierung zu organisieren, zu gestalten und an die Messe zu schaffen. Und dann kommen noch die Fahrzeuge dazu, die zuerst einmal gefunden werden und dann noch transportiert werden müssen. Die Club-Leute hatten die Wartezeit genutzt und kamen mit spannenden Wagen nach Bremen.
Aufgefallen ist uns etwa der Citroën Bijou, ein Kunststoff-Coupé auf Basis des 2 CV, das in England in kleinsten Stückzahlen entstanden ist und hierzulande noch kaum je zu sehen war.
Oder die Lloyd LT 600 und LTK 600, die man ebenfalls nur selten zu Gesicht kriegt.
Beim Volvo-Club waren rare Kombis zu sehen, beim Isetta-Club ein Demonstrationsmodell des BMW 600. Man könnte noch lange aufzählen, denn fast jeder Clubstand bot etwas, wofür es sich auszuharren lohnte.
Hersteller ohne grosses Gehabe
Wer sich an die bombastischen Stände der grossen deutschen Hersteller von Essen orientiert, dem wären die Präsentation von VW/Audi oder Mercedes-Benz vielleicht kaum aufgefallen. Aber sowohl Volkswagen als auch Mercedes lehnten sich an das Messe-Thema “Biedermann und Brandstifter” zumindest ein bisschen an und zeigten schwächere Alltagsautos und schnelle Versionen auf ihren Ständen.
Bei VW waren es zwei Lupo, einmal als 3L Sparmobil und einmal als Cup-GTI. Daneben stand noch ein Spritsparter-Prototyp und der Nardo-W12 von 2001. Ums Eck fand man einen Audi TT Roadster, der immer mehr in Richtung Oldtimer reift und einen VW-Bus aus Legosteinen, der sicherlich bei den Kinder für am meisten Beifall sorgte.
400’000 Steinchen sollen nötig gewesen sein, um den T2 Camper nachzubauen, das Ergebnis überzeugte.
Bei Mercedes-Benz Bremen, wo Autos aus eigener Produktion gezeigt wurden, stand unter anderem einer der C43 Limousinen, eine AMG-Version der sonst eigentlich braven C-Klasse.
Ansonsten glänzten die Hersteller durch Abwesenheit, weder Porsche noch Ford oder Opel waren werksmässig vertreten, internationale Autobauer fehlten sowieso. Allerdings fehlten sie gar nicht so sehr, denn es gab ja genügend anderes zu sehen.
Junge im Aufwind
Die Bremen Classic Motorshow setzte bewusst, wie auch schon in früheren Jahren, nicht ausschliesslich auf über 30 Jahre alte Autos, sondern heisste auch Youngtimer willkommen, gab ihnen sogar ein eigenes Forum. Und so stiess man denn bei der “jungen Generation” etwa auf einen Renault Twingo von 1994, einen Audi RS4 von 2001 oder einen Porsche Boxster von 1997.
Diese jungen Klassiker traten durchaus mit selbstbewussten Preisen auf, Preisen, die manchem älteren Klassiker heute schon nicht mehr zugetraut werden.
Der Renault Twingo war genauso wie ein Fiat Panda 750 jedenfalls schon bald verkauft, ein zweiter Twingo im Parkhaus (dazu später) fand ebenfalls schnell einen neuen Besitzer.
Aber es waren nicht nur die jungen Autos, die schon früh mit “Verkauft”. oder “Sold”-Schildern beschriftet waren, auch Corvette, Käfer, Lotus Elan, Ford Granada, Glas V8 und Co gingen schon vor Ende des Wochenendes an neue Besitzer.
Artenschutzgebiet
Eine besonders sympathische Sonderschau war den Autos der “roten Liste” gewidmet, Fahrzeugen, die zwar durchaus in grossen Mengen produziert wurden, die aber praktisch komplett von der Strasse und selbst von Oldtimerveranstaltungen verschwunden sind.
Hier gab es z.B. einen frühen viertürigen Alfa Romeo Alfasud 1.2, einen Audi 100, einen VW Typ 3 Variant oder einen VW Golf I zu sehen, aber auch einen Simca 1501, einen Fiat 1500, einen Peugeot 504 oder einen Renault 16, um einige Beispiele zu nennen.
Eine aufwändig gestaltete Tafel erklärte, warum gerade diese Autos inzwischen schützenswert geworden sind, auch wenn sie keine hohen Notierungen an Versteigerungen erreichen.
Schwach und stark
Die zentrale Sonderschau lief unter dem Thema “Biedermann und Brandstifter”.
Gezeigt wurden jeweils Paarungen von einfachen Alltagsmodellen und Sport-Evolutionsversionen, die daraus entstanden waren. Johannes Hübner führte mehrmals durch die Ausstellung und erklärte die Zusammenhänge.
Zu sehen waren zwei Varianten des Ford Capri, ein Baby-Benz 190E und die Evo-II-Variante als Homologationsmodell für die DTM dazu, ein schmalbrüstiger Renault 5 und den Turbo II mit Mittelmotor, ein Peugeot 205 als Viertürer und die Mittelmotorvariante T16 für die Gruppe B, ein schmales Audi Coupé und der Sport quattro daneben sowie die Paarung BMW 1502 und 2002 turbo.
Diese Ausstellung sorgte sicher für manche Diskussion der Fans und mancher, der vielleicht einen Vierzylinder-Capri fuhr, hätte damals nur zu gerne den RS 2600 gehabt.
Handwerk an der Arbeit
Es wurde in Bremen nicht nur präsentiert, sondern auch richtig gearbeitet.
Die VW-Käfer-Freunde aus Wolfsburg jedenfalls werkelten an einem ziemlich rostigen Volkswagen und liessen sich dabei über die Schulter schauen.
Der Fahrzeugmarkt im Parkhaus
Tradition hat der Oldtimermarkt im anschliessenden Parkhaus. Gegen kleines Geld könnten verkaufswillige Oldtimer- und Youngtimerbesitzer ihren Wagen zum Kauf anbieten.
Die Vielfalt war auch im Jahr 2023 gross, Mercedes-Benz, Opel, Porsche, Audi, BMW und viele andere Hersteller waren vertreten. Auch Vorkriegsautos waren zu finden. Ein Gang über die mehreren Etagen verlangte zwar nach einem wärmenden Mantel, aber sorgte dafür gar nicht selten für warme Herzen.
Raritäten und Trouvaillen
Wer durch die acht Hallen pilgerte konnte viele Raritäten finden, auch wenn Flügeltürer und andere Hochpreisexoten fehlten.
Aber wer hat schon einmal einen Fiat 850 Lucciola gesehen, eine viertürige Variante des 850 von Francis Lombardi?
Oder wem ist die Kombiversion des Champion 500 G ein Begriff, die in geradezu homöopathischen Mengen gefertigt wurde?
Auch einen Costin GT Prototype hatten wohl viele Versucher vorher noch nie gesehen und auch der MG SA Saloon gehört nicht zur Alltagskost.
Und wann hat man hierzulande schon einen VW Gol X aus Brasilien genauer betrachten können? Auf der Vorderachse sitzt ein Vierzylinderboxermotor, die Form erinnert an den Golf.
Manches Auto musste man sich sogar erst noch vorstellen.
Das sogenannte “Göttinger Ei” nämlich soll auf einem restaurierten Mercedes-Benz 170 H Chassis neu auferstehen. Der Schlörwagen war eines der frühen aerodynamisch optimierten Automobile der Vorkriegszeit und wird jetzt durch einen Kreis von Enthusiasten fast von Null neu kreiert. Immerhin gibt es gutes Fotomaterial, aber auch so wird bei manchem Konstruktions-Kniff noch eifrig gerätselt.
Jenseits der Originalität
Dass sich die Szene doch ändert, sah man an einigen Restomod-Fahrzeugen, die ebenfalls zu bewundern waren.
Ob es dabei nun um einen Lada mit Audi-RS3-Motor, einen aufgemotztes Audi 100 Coupé oder Amerikaner mit Niederquerschnittsreifen ging, die Meinung darüber war wohl geteilt, aber die Andersartigkeit toleriert.
Auch für Zweiradfreunde
Schon seit langem kümmert sich die Bremen Classic Motorshow auch um zweirädrige Klassiker und die Motorrad-Sonderschau gehört immer zu den Hauptattraktionen.
Dieses Mal ging es um die Gegenüberstellung von Zwei- und Viertakt-Motorrädern und auch hier war wohl manches Krad zu sehen, das man sonst höchstens aus Büchern kannte.
Mit der Zweirad-Sonderschau war es aber nicht getan, es waren natürlich auch käufliche Motorräder zu sehen, langsamere und schnellere und selbst dem Fahrrad wurde genügend Platz eingeräumt. Gerade hier gab es dann besonders klingende Namen wie Bianchi oder Colnago zu bewundern, aber auch Zweiräder aus deutscher Fertigung.
Viel Unterhaltung und Information
In Bremen ist auch an der Messe nicht alles bierisch ernst. So konnte man den aus einer Fernsehserie stammenden Amalfi bewundern oder bei einer Whisky-Degustation Gedanken über das Gesehene machen.
Und wer irgendwo etwas wissen wollte, wurde an den Ständen stets aufmerksam begrüsst und es blieben jeweils kaum Fragen offen, ob es nun um Versicherungsfragen ging oder um geplante Restaurierungsobjekte.
Es war eine tolle Messe, darüber waren sich eigentlich alle einig. Ein Eintrittspreis von EUR 18.00 darf für das durch die ungefähr 730 Aussteller Gebotene auch als sehr fair gesehen werden. Und natürlich freut man sich jetzt schon auf die nächste Ausgabe im Februar 2024.
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Im Jahre "19993" (in Worten: Neunzehntausendneunhundertdreiundneunzig) restauriert!? Erfreulich, dass es in der Zeit noch Menschen mit handwerklichen Fähigkeiten gibt!
Sorry, konnte ich mir nicht verkneifen! -:)