600 Mieter müssen sich nach Stundenplan waschen: „So schlimm war es nur nach dem Zweiten Weltkrieg“

Doch eine Mietminderung ist möglich

Quelle: BILD
Von: Jürgen Helfricht, Til Biermann und Michael von Bassewitz

Dresden – Nach Ende des Zweiten Weltkriegs suchten Menschen Kartoffeln auf Feldern, wuschen sich mit kaltem Wasser. In einer Wohnungsbaugenossenschaft in Dippoldiswalde (Sachsen, 14 000 Einwohner) erinnern sich jetzt einige Bewohner daran.

Ex-Bergmann Heinz Mattner (95) wohnt in einem der Genossenschaftsbauten. Warmes Wasser gibt es nur noch von 5 bis 22 Uhr. Nachts ist es bibberkalt. Grund für die Rationierung: Energiesparmaßnahmen!

Er sagt: „So schlimm war es nur nach dem Zweiten Weltkrieg. Was sollen Schichtarbeiter machen, die nachts von Arbeit kommen?“

In 600 anderen Genossenschaftswohnungen fließt warmes Wasser nur noch zwischen 4 und 8, 11 und 13 sowie 17 und 21 Uhr. Waschen nur nach Stundenplan!

Mit diesem Aushang informiert die Wohnungsgenossenschaft Dippoldiswalde seine Mieter über die Einsparungen

Mit diesem Aushang informiert die Wohnungsgenossenschaft Dippoldiswalde seine Mieter über die Einsparungen

Foto: Privat

Grund für die unterschiedlichen Zeitpläne: verschiedene Warmwasser-Systeme. Die Ankündigung des Radikalsparens kam per Aushang, eine Abstimmung soll es nicht gegeben haben. Doch es sei gut gemeint.

„Es geht nicht darum, die Mieter zu ärgern, sondern sich auf das einzustellen, was wir im nächsten Jahr vielleicht sonst nicht mehr bezahlen können“, so Genossenschaftsvorstand Falk Kühn-Meisegeier.

Wer hier wohnt, hat zu bestimmten Zeiten kein Warmwasser mehr

Wer hier wohnt, hat zu bestimmten Zeiten kein Warmwasser mehr

Foto: Picxell

Der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft, Axel Gedaschko, sagt zu BILD: „Beim Energiesparen ist sowohl die Vermieterseite mit einer energiesparenden Einstellung der Heizungsanlagen gefragt als auch die Mieterseite beim energiesparenden Verhalten in der Wohnung.“

Wie verfahren andere Gesellschaften? „Deutsche Wohnen“ und „Vonovia“ etwa planen laut eigener Aussage keine Rationierungen.

Versicherungskauffrau Mareike Wewezer (19): „Ich kenne so etwas nur von Oma und Opa, weiß nicht, wie ich meine zweijährige Tochter waschen soll.“

Versicherungskauffrau Mareike Wewezer (19): „Ich kenne so etwas nur von Oma und Opa, weiß nicht, wie ich meine zweijährige Tochter waschen soll.“

Foto: Picxell

Mietminderung ist möglich

Stimmen nicht alle Mieter der Warmwasserreduzierung zu, handelt es sich um einen Mangel an der Wohnung. Somit greifen Mangelrechte wie die Mietminderung. Betroffene sollten ihrem Vermieter mitteilen, dass sie der Reduzierung nicht zustimmen. Bleibt das Wasser trotzdem kalt, können Mieter die Miete sofort reduzieren. Laut Experten sollte man sich dabei an alten Urteilen orientieren. Als angemessen gelten 7,5 % Minderung.

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Quelle: BILD
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