Hinrichtung gefangener Russen? UN-Kommissar hält Videos für authentisch

Filmaufnahmen sollen die Kapitulation von Russen im ukrainischen Makijiwka zeigen. Auf den Videos bleiben hingerichtete Russen zurück. War das Selbstverteidigung oder ein Kriegsverbrechen?

Nach der Kapitulation liegen russische Soldaten (an den roten Streifen erkennbar) in Makijiwka am Boden. Kurz darauf sind  sie tot.
Nach der Kapitulation liegen russische Soldaten (an den roten Streifen erkennbar) in Makijiwka am Boden. Kurz darauf sind sie tot.BBC/Twitter

Videos, die mutmaßlich die Hinrichtung russischer Gefangener durch ukrainische Militärs in dem kurz zuvor befreiten Ort Makijiwka belegen sollen, sind nach Angaben des UN-Menschenrechtsbüros in Genf authentisch. Wie der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk am Freitag mitteilte, sei eine Analyse von Expertinnen und Experten der UN-Menschenrechtskommission an Ort und Stelle zu diesem Ergebnis gekommen. Was genau passiert sei, müsse allerdings noch untersucht werden. 

Die schockierenden Videos kursierten am 20. November in pro-russischen Telegram-Kanälen, vier Tage nachdem die ukrainische Armee das in der Region Luhansk liegende Dorf als befreit gemeldet hatte. Eines der Videos zeigt eine Gruppe von mindestens zehn russischen Soldaten. Die Soldaten liegen mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden – mutmaßlich von ukrainischen Soldaten erschossen.

Kriegsverbrechen oder Selbstverteidigung?

Das russische Verteidigungsministerium bezeichnet die Tat als Kriegsverbrechen. Die ukrainische Armee sagt hingegen, es habe sich um einen Akt der Selbstverteidigung gehandelt. Einer der russischen Soldaten habe – statt sich wie die anderen vor ihm zu ergeben – das Feuer eröffnet.

Eine am 21. November von der britischen BBC veröffentlichte Analyse der Videos gibt Hinweise auf den möglichen Ablauf der Ereignisse. Demnach zeigt eines der Videos Drohnenaufnahmen vom Ort des Geschehens aus der Luft, datierend vom Sonntag, dem 12. November (oder einen Tag davor). Zu sehen sind die am Boden liegenden Hingerichteten. Diese Drohnenaufnahmen wurden, so die BBC, an jenem Sonntag von pro-ukrainischen Websites verbreitet.

Am 17. November tauchten demnach von ukrainischen Uniformierten aufgezeichnete Videosequenzen auf, die zeigen, wie als ukrainische Militärs erkennbare Männer sich dem Bauernhof in Makijiwka nähern. Aus einem Gebäude des Gehöfts kommen nach und nach kapitulierende russische Soldaten in Kampfmontur heraus und legen sich auf den Boden.

Laut BBC seien ukrainische Stimmen zu hören, die fragten, ob „alle raus“ seien.

Ein bewaffneter Mann richtet das Feuer auf die Person mit der Filmkamera. Im Hintergrund die russischen Soldaten, die sich ergeben haben.
Ein bewaffneter Mann richtet das Feuer auf die Person mit der Filmkamera. Im Hintergrund die russischen Soldaten, die sich ergeben haben.BBC/Telegram

Dann taucht hinter einer Wand ein schwarz gekleideter bewaffneter Mann auf und eröffnet das Feuer – offenkundig in Richtung Kamera. Daraufhin geht das Kamerabild in Zerrbilder über. Bei diesem Mann könnte es sich um einen russischen Kämpfer handeln, der nicht kapitulieren wollte. Wie dann die in ukrainischer Gefangenschaft befindlichen Russen zu Tode kamen, ist offenbar nicht filmisch dokumentiert, der Tathergang also noch unklar.

UN-Beauftragter Volker Türk: Alle Vorwürfe werden untersucht

Die Drohnenaufnahme von dem Bauerngehöft mit der im Hof liegenden Reihe Hingerichteter soll unter dem Titel „Das Ergebnis der Arbeit eines 120mm-Mörsers“ nach Berichten verschiedener Medien am 13. November vom ukrainischen Telegram-Kanal „Operative ZSU“ geteilt worden sein.

Der UN-Beauftragte Volker Türk sagte der dpa zufolge, es habe auch zuvor von beiden Seiten zahlreiche Vorwürfe über die Tötung von Soldaten gegeben, die nicht mehr am Kampf beteiligt gewesen seien. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Vorwürfe (...) in einer Art und Weise untersucht werden, die unabhängig, unparteiisch, gründlich, transparent, zügig und wirksam ist und auch so gesehen wird“, sagte Türk. Im Fall von Makijiwka hätten die ukrainischen Behörden eine kriminalpolizeiliche Untersuchung gestartet.

Wie Kriegsgefangene behandelt werden, regeln die universal geltenden Genfer Konventionen. Sie sollen in Zeiten von bewaffneten Konflikten jene schützen, die nicht an Kämpfen beteiligt sind. Gefangene sind demnach vor Gewalt, aber auch vor Einschüchterungen, Beleidigungen und öffentlicher Neugier zu schützen.

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