Kommentar
Debatte über Geflüchtete Ohne jede menschliche Wärme
Stand: 07.06.2018 21:29 Uhr
Familiennachzug und Abschiebung, BAMF-Affäre und Kriminalität: Beim Thema "Flüchtlinge" geht es immer weniger um die Menschen, meint Isabel Schayani. Die Debatte muss sachlicher werden, sonst wird sie unmenschlich.
Ein Kommentar von Isabel Schayani, WDR
Wenn man allein schon das Wort hört, verdrehen mehr und mehr Menschen ihre Augen. Das Thema "Flüchtlinge" spaltet und polarisiert. Man kann damit hervorragend Politik, zum Beispiel im bayrischen Wahlkampf, und vor allem Stimmung machen.
Man kann sich über das Versagen einer ohnehin verpennten und völlig überforderten Behörde empören. Die Temperatur steigt, der Innenminister schwitzt, elf Buchstaben machen es möglich: Flüchtlinge.
Momentan höre ich als Subtext in dieser bundesdeutschen Flüchtlingsdiskussion: "Wann gehen die eigentlich endlich alle wieder?" Die CSU denkt das auch gerne laut. Die AfD ja sowieso.
Kriminelle gibt es in jeder Gesellschaft
Aber jetzt kommt die andere Seite: Je aufgeregter die Debatte, je mehr Subtext, desto weniger geht es um die Menschen.
Zwei Beispiele: Erstens müssen wir lernen, dass unter den Flüchtlingen auch Kriminelle sind. Wir wundern uns. Dabei wissen wir natürlich, dass es die in jeder Gesellschaft gibt. Aber schon rücken die beiden Begriffe dicht aneinander: Flüchtlinge und Kriminalität. Aus Einzelfällen werden Sippenprobleme und die machen Angst - vor den Flüchtlingen.
Zweites Beispiel: Gestern hat die Bundeskanzlerin, eher en passant, in ihrer papiertrockenen Gebrauchslyrik etwas Bemerkenswertes gesagt. Natürlich werde man weiterhin nach Afghanistan abschieben. Dann kam der feine Nachsatz: Und zwar ohne Einschränkungen. Ab jetzt also nicht mehr nur Straftäter, junge Männer, sondern auch Frauen, Kinder, Familien? Ich traue keiner befristeten Waffenruhe mit den Taliban. Haben wir die Menschen im Blick?
"Ich möchte kein Flüchtling mehr sein"
Wissen Sie, die, um die es geht, spüren, dass das Wort "Flüchtling" keine menschliche Temperatur mehr ausstrahlt. Sie wollen am liebsten gar nicht mehr so heißen. Wer will schon ein Problem sein. Neulich sagte ein syrischer Kollege zu mir: "Isabel, wie lange ist man eigentlich in Deutschland ein Flüchtling? Ich möchte keiner mehr sein."
Die Debatte muss sachlicher werden, sonst wird sie menschenfeindlich.