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Tornado-Tiefflüge Regierung entschuldigt sich bei G-8-Demonstranten

Kotau vor den Gipfelgegnern: Das Verteidigungsministerium hat sich heute im Bundestag für die Tornado-Tiefflüge während des G-8-Gipfels in Heiligendamm entschuldigt. Ob der Einsatz verfassungsgemäß war, darüber streiten Regierung und Opposition nach wie vor.
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Berlin - Christian Schmidt nahm den Einsatz stellvertretend auf seine Kappe. Er entschuldige sich für die Belästigung durch den zu tiefen Flug, sagte der Verteidigungsstaatssekretär heute im Bundestag. Der mit Wetterverhältnissen gerechtfertigte Tiefflug sei gegen die Vorschriften erfolgt und habe "unbestreitbar eine nicht unerhebliche Lärmbelästigung" dargestellt.

Einer der Tornados hatte bei einem Überflug des Lagers bei Reddelich die zulässige Mindestflughöhe von 500 Fuß (etwa 160 Meter) für eine Minute und 22 Sekunden um 119 Fuß unterschritten.

Auf Antrag der Grünen befasste sich der Bundestag heute mit dem Bundeswehreinsatz zum G-8-Gipfel. Die Opposition warf der Bundesregierung einen Verstoß gegen das Grundgesetz vor. Der Umfang des Einsatzes der Streitkräfte sei nicht mehr von der Verfassung gedeckt, sagten Abgeordnete von Grünen, FDP und Linken.

Christian Ahrendt von der FDP sprach von einem militärischen Ansatz bei der Beobachtung von Versammlungen, was ein "offener Verfassungsbruch" sei. Wolfgang Wieland von den Grünen erklärte, in Heiligendamm sei der von der Union propagierte Einsatz der Bundeswehr im Inneren erprobt worden. Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Birgit Homburger, sagte, die Verantwortung für die zusätzlichen Missionen würden jetzt auf die Landesbehörden von Mecklenburg-Vorpommern abgeschoben, weil sie die Flüge angefordert hätten.

Vor einer schleichenden Einbeziehung der Bundeswehr in polizeiliche Aufgaben warnte der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold. "Wir stehen dafür, dass dies nicht eintritt. Wir wollen und werden nicht zulassen, dass Artikel 35,1 ein Stück weit gedehnt wird und schleichende Prozesse eintreten." Als Beleg verwies er auf die Bewachung eines Krankenhauses durch Feldjäger, was klar gegen die Regeln der Amtshilfe verstoße. Er gab zu, dass es an diesem Punkt zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD Differenzen gebe.

Der Unionsvertreter Bernd Siebert sah dagegen keinen Anlass zur Kritik. Die Zusatzflüge seien vorgenommen worden, weil es bei den genehmigten Flügen technische Probleme und Sichtbehinderung durch das Wetter gegeben habe. Wenn dadurch Risiken entstanden wären, wäre das Ministerium unverzüglich darüber informiert worden.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte am Rande einer Sitzung des Vereidigungsausschusses in Berlin, er habe disziplinarische Vorermittlungen einleiten lassen . Jung deutete an, dass Eigenmächtigkeiten bei den Tornado-Einsätzen personelle Konsequenzen nach sich ziehen könnten.

Jung hatte zwei Erkundungsmissionen durch die Luftwaffe genehmigt. Tatsächlich wurden fünf weitere Missionen geflogen, das Ministerium wurde erst eine Woche nach Ende des Gipfels darüber informiert.

Dem Verteidigungsausschuss lag ein Bericht des Verteidigungsministeriums mit Kopien der Luftaufnahmen vor. Danach wurden die zusätzlichen Flüge unmittelbar zwischen der Einsatzleitung der Polizei und dem Kommandeur des Tornado-Geschwaders in Jagel in Schleswig-Holstein vereinbart.

ler/AP/dpa

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