WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wissenschaft
  3. Gesundheit: Bei zuviel Wasser säuft der Körper ab

Wissenschaft Gesundheit

Bei zuviel Wasser säuft der Körper ab

Verantwortliche Redakteurin
So viel Wasser ist gesund

Forscher des biomedizinischen Instituts der Monash-University haben mit einer Versuchsreihe nachgewiesen: Der Körper wehrt sich gegen zu viel Wasser. Ihre neue Faustregel ist denkbar einfach.

Quelle: Die Welt

Autoplay
Trinken, trinken, trinken! So lautete bisher der Rat vieler Ernährungsspezialisten. Doch neue Studien belegen: Zu viel Flüssiges ist genauso gefährlich wie zu wenig. Im Extremfall können Getränke in großen Mengen sogar tödlich sein.

Wer für viel Geld sehr nüchtern bleiben will, sollte sich durch die Hamburger „Le Ciel“-Bar trinken. Das „Royal Meridien“ an der Außenalster hat eine der größten Wasserbars der Republik. 19 verschiedene Tropfen findet man da.

Das teuerste Wasser kommt aus Norwegen, heißt Voss, der Liter kostet 15 Euro, die Kiste gibt's für 50 Euro. Madonna trinkt nur Voss, sagt man. Wieso? Das weiß Axel Herz, Barchef vom Meridien. „Beim Wasser gibt es riesige Unterschiede“, sagt er, „wie Wein muss man es blind verkosten, dann spürt man sie.“

Wasserbedarf: 1,5 Liter am Tag in flüssiger Form

Warum so viel Getue ums Nasse? Der Wassermarkt in Deutschland brummt wie kein zweiter. Trank der Deutsche vor 30 Jahren noch 12,5 Liter Mineralwasser im Jahr, schluckt er heute mehr als das Zehnfache: 2006 waren es 127,5 Liter. Ernährungswissenschaftler und Ärzte sehen den großen, nationalen Durst inzwischen mit Skepsis.

„Zwei bis drei Liter am Tag“, diese Faustregel aus den Gesundheitsblättchen ist überholt. Neue Erkenntnisse machen die Weisheit „Je mehr Wasser, desto besser“ ungefähr so wertvoll wie alles, was mit der Wasserspülung den Bach runtergeht. Inzwischen gilt unter Ernährungsspezialisten die Regel: Bei zu viel Wasser säuft die Gesundheit ab.

Die offiziellen Empfehlungen liegen weit unter den beschworenen zwei bis drei Litern täglich. So erachtet die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn 1,5 Liter am Tag als sinnvolles Maß für Erwachsene. Einen Teil seines Durstes stillt der menschliche Körper nämlich aus halbflüssigen und festen Nahrungsmitteln: aus Obst, Gemüse oder aus Suppe. Den Rest des Wasserhaushaltes bestreitet der Mensch aus seinen körpereigenen Stoffwechselprozessen – dabei fällt sogenanntes Oxidationswasser an, das ebenfalls den Körper speist. Unterm Strich kommen die Mediziner auf 2,6 Liter, die die Niere täglich durchspülen.

Bei diesen Richtwerten sollte jedoch berücksichtigt werden, dass die empfohlene Trinkmenge zwischen verschiedenen Studien teils erheblich schwankt. So empfiehlt das Institute of Medicine, dass Frauen täglich 2,2, Männer sogar 3 Liter Wasser in flüssiger Form trinken sollten.

Übermäßiges Trinken verringert den Salzgehalt im Körper

Dieser Prozess ist extrem empfindlich und führt dazu, dass Getränke in großen Mengen sogar tödlich sein können. Die Warnung gilt in erster Linie für Langstreckenläufer und Ausdauersportler: Sie müssen sich vor zu wenig Nassem genauso hüten wie vor zu viel. Der Grund: Überschüssiges Wasser lässt die Salzkonzentration der Körperflüssigkeiten kippen.

Dass die Übergänge von einem gesunden Salzhaushalt zum gefährlichen Natriummangel fließend sind, zeigten US-amerikanische Forscher vor drei Jahren bei einer Studie mit 500 Marathonläufern. Über ihre Ergebnisse berichteten sie in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ (NEJM). „Der Salzmangel verursacht nicht nur Muskelkrämpfe, sondern führt in gravierender Form sogar zu Bewusstlosigkeit“, schreibt der Mediziner Christopher Almond von der Bostoner Harvard University.

Die Forscher bestimmten bei den Marathonläufern direkt nach einem Lauf den Natriumgehalt im Blut. Außerdem verglichen sie das Körpergewicht der Teilnehmer nach dem Zieleinlauf mit dem vor Beginn des Wettkampfs. Zusätzlich sollten die Probanden angeben, wie häufig sie unterwegs die Toilette aufgesucht hatten. Das Ergebnis verblüffte: Bei mehr als 13 Prozent der Läufer lag der Natriumspiegel nach dem Lauf deutlich unterhalb des Normwertes, ergab die Auswertung. Je mehr die Sportler durch übermäßiges Trinken während des Laufs zugenommen hatten, desto gravierender war der Mangel. Um das Sinken des Körpersalzspiegels zu vermeiden, sollte jeder Läufer sein Gewicht vor und nach einem Lauf bestimmen, empfiehlt der Mediziner Benjamin Levine. Wiegt der Läufer anschließend viel mehr als vor der Strapaze, hat er schlicht viel zu viel getrunken.

Viel Tee: Gesundheitsgefährdendes Hausrezept

Anzeige

Auch für Patienten mit Atemwegsinfektionen ist zu viel Flüssiges schädlich. Bei Bronchitis und Lungenentzündung sollte man sich vor großen Mengen Tee eher hüten, schreiben Mediziner der australischen Universität Queensland im „British Medical Journal“ und widerlegen damit das Hausrezept, bei Halsschmerzen reichlich zu trinken.

Viel Tee macht eher noch kränker. Denn sind die unteren Atemwege entzündet, bildet der Körper reichlich Vasopressin, das ist ein Hormon, das Wasser speichert. Trinkt man zusätzlich noch große Mengen, kann dies zu Flüssigkeitsüberlastung und Hyponaträmie führen.

Aber nicht alle Menschen sind gleich. „Die empfohlenen 1,5 Liter täglich sind nur ein Richtwert“, erklärt Professor Friedrich Manz von der Deutschen Gesellschaft für Kinderernährung. Männer brauchten mehr als Frauen, denn sie schwitzen mehr. Ein gestresster Mensch ist durstiger als ein entspannter. Auch die Ernährungsgewohnheiten spielen eine Rolle: Obst und Gemüse liebende Vegetarier brauchen weniger Flüssiges als diejenigen, die sich meist von Brot und Fleisch ernähren.

Wasser und Tee statt gezuckerter Brausen

In jedem Glas Cola steckt ein Riesenlolli

Dass in Getränken oft zu viel Zucker ist, ist mittlerweile ja bekannt - doch wieviel steckt wirklich drin? Dieser Frage ging auch der Amerikaner Henry Hargreaves nach und hat eine ganz eigene Methode entwickelt.

Quelle: Reuters

Darüber hinaus ist für den täglichen Flüssigkeitsbedarf entscheidend, welches Getränk man sich gönnt. Die meisten enthalten zu viele Kalorien. Am besten trinkt man Wasser oder Tee. Das bekommen vor allem die Amerikaner am eigenen Leibe zu spüren. Einer Studie kam Anfang dieses Jahres zu dem Schluss, dass jeder Amerikaner, älter als zwei Jahre, ein Fünftel seiner Kalorien in flüssiger Form zu sich nimmt. Er flößt sie sich zum Beispiel mit süßen, klebrigen Säften ein, sagen die Ernährungswissenschaftler in einer vom Unilever Health Institute unterstützten Studie.

Für Deutschland gibt es keine direkt vergleichbare Zahl. Fest steht dennoch, dass jeder Deutsche mit Süßgetränken wie Colas oder Limonaden jährlich reichlich Kalorien zu sich nimmt, Statistiker zählen fast neun Kilogramm Zucker pro Kopf. Vor allem Kinder machen die Drinks dick, warnen Experten. In den Schulen will Gesundheitsminister Horst Seehofer deshalb jetzt wieder Milch als Getränk einführen – anstelle von Cola und Fanta. Für den Wasserhaushalt ist das nicht die beste Lösung: Milch ist ernährungsphysiologisch kein Getränk.

Ältere Menschen sollten auf ihren Wasserhaushalt achten

Zu wenig zu trinken ist aber auch gefährlich – vor allem dann, wenn der Körper sich nicht mehr einwandfrei reguliert, wie zum Beispiel bei einigen alten Menschen. Obwohl hierzulande keine südländische Wasserknappheit herrscht, kommt es immer wieder vor, dass ältere Menschen lebensbedrohlich austrocknen. Vergangenes Jahr zählte die Barmer Ersatzkasse in Darmstadt 300 Fälle dieser Art. Rund 300 alte Menschen, denen möglicherweise die ein Klinikaufenthalt hätte erspart werden können, sagt Regionalgeschäftsführer Klaus Brecht.

Ein uralter Handgriff soll deshalb künftig sicherstellen, ob ein Mensch zu wenig getrunken hat: der Hautfaltentest. Auf den sollen sich jetzt auch Pflegekräfte wieder besinnen und kneifend prüfen, dass die Haut ihrer Schützlinge geschmeidig ist. Ein sicheres Zeichen: Hier wurde brav getrunken.

Wie viel sollte man am Tag trinken? Hier finden Sie die Antwort.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema

Themen