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Literatur

"Kein Blogger schickt Reporter nach Afghanistan"

Interview

Verleger Konstantin NevenDuMont über rebellische Redakteure, Erträge im Internet und Demokratiemüdigkeit

Das Sekretariat von Konstantin Neven Dumont hat zwei Türen. Nach links führt eine in das Besprechungszimmer mit afrikanischer Kunst und Ausblick auf die Büros der Redakteure. Mit Fernglas könnte man an ihren Bildschirmen mitlesen. Nach rechts führt eine Tür in sein Büro. Das Gespräch findet in beiden Räumen statt, doch nur in seinem Büro wirkt er locker und erzählt auch etwas von sich, zum Beispiel von seinem 40. Geburtstag, den er vor vier Wochen bis früh um 3 Uhr feierte. Am Tag des Besuchs ist in der "Berliner Zeitung" und der "Frankfurter Rundschau", die beide zu DuMont-Schauberg gehören, ein großer Artikel zu James Murdoch erschienen, dem Sohn des Medien-Moguls Rupert Murdoch.

Welt am Sonntag: Neben der 32-jährigen Yvonne Bauer und dem 36-jährigen James Murdoch sind Sie der dritte Verleger-Spross, der gerade in die Fußstapfen des Vaters tritt.

Konstantin Neven DuMont: Der Übergang ist seit 15 Jahren vorbereitet. Aber am Anfang war es schwierig. Ich kam von der Uni hier rein, und alle sagten: Aha, der hat den Job bekommen, weil er der Sohn ist. Die Kompetenz im Verlag musste ich mir erst erarbeiten.

Welt am Sonntag: Kennen Sie die beiden Artikel über James Murdoch?

Neven DuMont: Das ist haargenau der gleiche Text, oder?

Welt am Sonntag: Stimmt. In zwei verschiedenen Zeitungen Ihres Hauses. Und im "Kölner Stadt-Anzeiger" steht er auch.

Neven DuMont: Wobei die Überschneidung der Leserschaft gleich null ist. Es gibt natürlich Leute, die sich darüber aufregen, sagen, da gehe Vielfalt verloren. Aber Synergien müssen gehoben werden, das war ja Sinn und Zweck der Zukäufe.

Welt am Sonntag: Bei der "Berliner Zeitung" wurden Sie nicht nur freundlich empfangen.

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Neven DuMont: Wir lernen uns gerade kennen. Da sind zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander getroffen. So eine Integration bekommt man nicht geschenkt. Es muss Vertrauen geben, das bedarf noch großer Überzeugungsarbeit.

Welt am Sonntag: Ist Ihnen die Redaktion manchmal zu rebellisch?

Neven DuMont: Ich gebe zu, der offene Brief in der Zeitung vor ein paar Wochen hat mich geärgert. Wir haben uns jetzt darauf geeinigt, dass wir solche Fragen erst einmal miteinander klären. Aber generell mag ich Journalisten, die sich nicht alles gefallen lassen. Verleger brauchen Sparringspartner. Mir sind sie lieber als Kollegen, die den Mund nicht aufkriegen.

Welt am Sonntag: Ihr Vater gilt als nicht zimperlich. In einer Zeitung stand kürzlich etwas vom "Aufgeklärten Absolutismus kölscher Prägung".

Neven DuMont: Was? Wer sagt so was? Ich kenne wenige Verleger dieser Generation, die so viel Sinn für journalistische Arbeit haben. Und auch mir ist es wichtig, dass Ideen ausgetauscht werden, über die dann abgestimmt wird. Ich habe gehört, dass sich schon einzelne Redakteure zusammengesetzt haben, um nach Synergien in ihren Ressorts für unsere Gruppe zu suchen. Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Welt am Sonntag: Das sind schwierige Zeiten, oder? Ihr Vater hatte es leichter ...

Neven DuMont: Im Unterschied zu meinem Vater konnte ich nicht jedes Jahr Zuwächse erleben, sondern stark fallende Auflagen. Aber - und das ist grotesk - nicht die Gesamtreichweiten! Online und Offline zusammen erreichen heute mehr Menschen als damals.

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Welt am Sonntag: Aber das Problem sind die Erlöse ...

Neven DuMont: ... was nicht am Internet liegt. Es ist ein Problem des fehlenden Geschäftsmodells.

Welt am Sonntag: Hatte deshalb die "Netzeitung" keine Chance?

Neven DuMont: Im Prinzip wurde die "Netzeitung" jahrelang querfinanziert. Aber ich bin der Meinung, dass sich auch der digitale Auftritt selbst rechnen muss. Man hätte das noch vier Jahre weiterfinanzieren können, aber das Geschäftsmodell hat einfach überhaupt nicht funktioniert. Webseiten, die mit Zeitungen zusammenhängen, haben den Vorteil, dass es sich bei den Online-Auftritten um eine Zweitverwertung handelt. Diesen Back-up hatte die "Netzeitung" nicht.

Welt am Sonntag: Ist das also die Lehre daraus: Ein Onlineprodukt muss mit Papierprodukt verbunden sein?

Neven DuMont: Ob das so einfach ist, weiß ich auch nicht. Das Schwierige ist, die Online-Personalkosten zu refinanzieren. Das hat man über die Jahre nicht geschafft. Jetzt sind aber Zeiten, in denen man sich von solchen Produkten, so schwer es auch fällt, lösen muss.

Welt am Sonntag: Bleiben Online-Angebote kostenlos?

Neven DuMont: Qualitätsjournalismus kostet Geld. Dieses Bewusstsein müssen wir noch bei den Lesern erzeugen. Aber ich freue mich, dass auch andere Verlage mit Bezahlmodellen experimentieren.

Welt am Sonntag: Was ist Ihre Bezahl-Alternative?

Neven DuMont: Wir werden im kommenden Jahr im Freemium-Bereich experimentieren ...

Welt am Sonntag: ... Free-was?

Neven DuMont: Ja, das ist wieder so ein schreckliches Denglisch-Wort. Aber es bedeutet schlicht, dass weiterhin viel online steht, das kostenlos ist. Aber es gibt darüber hinaus Inhalte mit Mehrwert, eben Zusatzinformationen oder Filme, für die man eben bezahlen muss.

Welt am Sonntag: Sie glauben, Leser zahlen dafür?

Neven DuMont: Es ist zunächst ein Test. Es gibt ja inzwischen so viele Studien über die Zahlungsbereitschaft der Nutzer ... Mal sind es zehn Prozent, mal 60 Prozent.

Welt am Sonntag: Haben Sie denn etwas wie eine verlegerische Vision?

Neven DuMont: Ich will vor allem etwas tun, um der Demokratiemüdigkeit zu begegnen. Ich kenne einen 18-jährigen Jungen, der fest in der "World of Warcraft" festhängt. Ich möchte versuchen, auch solche jungen Leute zurück in die Debatte um die Zukunft des Landes zu ziehen. Ich will gesellschaftspolitische Meinungsbildung fördern. Das sind wir unserem demokratischen System schuldig. Dazu brauchen wir Qualitätsjournalismus.

Welt am Sonntag: Sind Sie selbst im Internet aktiv?

Neven DuMont: Ich habe ein Profil bei Facebook, diskutiere in Foren und Blogs, habe einen Videoblog. Dort kommentiere ich selbst und gehe auch auf diejenigen ein, die mich oder uns kritisieren.

Welt am Sonntag: Was ist, wenn ein Blogger Ihre Einsparungen kritisiert?

Neven DuMont: Dann erinnere ich daran, dass Blogger keinen Reporter nach Afghanistan schicken oder aufwendige Recherchen finanzieren. Das können dann weiter die traditionellen Verlage machen ...

Welt am Sonntag: Wie sieht Ihr Sparplan aus?

Neven DuMont: Behutsam. Bei der letzten Krise 2001 haben viele die Rasenmähermethode angewandt. Man konnte sehen, dass es auf die Qualität schlägt. Vor allem die US-Medien haben da was verbockt, haben am falschen Ende gespart.

Welt am Sonntag: Aktuell sparen Sie an den Mieten für Berliner Parlamentsredaktionen.

Neven DuMont: Wir prüfen alle Möglichkeiten und werden sie erst einmal mit den Kollegen besprechen. Sicher ist der Weg vom Berliner Verlag zu Parlament und Ministerien so weit nicht.

Welt am Sonntag: Die einzelnen Blätter bleiben noch bestehen?

Neven DuMont: Bei allen Schwierigkeiten in einzelnen Märkten haben unsere Blätter eine gute wirtschaftliche Perspektive. Unsere Strategie lautet: Qualität. Und letztlich wird sich nur Qualität durchsetzen. Das hat auch die Geschichte der Zeitung in Deutschland gezeigt.

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