Um kurz nach sechs an einem Sonntagmorgen, als der Krieg gerade eine Pause macht, schnürt Kai Rohrschneider seine Stiefel und läuft hinüber zur Kantine des Feldlagers. Drei Grad, dichte Wolken. Von den Bergen hinter den Mauern des Camps sieht er nichts, noch liegen die Ausläufer des Hindukusch im Nebel. Rohrschneider öffnet die Tür zur Kantine, nimmt sich einen Becher Tee und setzt sich an einen der langen Tische.

Noch drei Stunden, dann werden sie kommen.

Kundus im ausgehenden Winter 2010: Draußen vor den Toren des Bundeswehrlagers werden Rohrschneiders Soldaten in immer neue Fallen gelockt, Männer mit Panzerfäusten lauern ihnen auf, mit Sprengladungen und Maschinengewehren. Taliban ermorden Kinder und erzählen in den Dörfern, die Deutschen hätten sie auf dem Gewissen. Afghanische Polizisten, von den Deutschen ausgebildet, verkaufen ihre Uniformen an die Gegner. Wer Feind ist und wer Freund, kann niemand mehr sagen. An keinem anderen Stützpunkt in Afghanistan ist die Bundeswehr derart in der Defensive.