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Dieselskandal Daimler muss Hunderttausende Autos zurückrufen

Im Dieselskandal steigt der Druck auf Daimler: Verkehrsminister Andreas Scheuer ordnete den Rückruf von knapp 240.000 Autos in Deutschland an. Europaweit sind es sogar gut drei Mal so viele.
Daimler-Transporter Vito (Archivbild)

Daimler-Transporter Vito (Archivbild)

Foto: Wolfgang Kumm/ picture alliance / dpa

Wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einen amtlichen Rückruf von deutschlandweit 238.000 Daimler-Fahrzeugen veranlasst. Europaweit seien sogar 774.000 Fahrzeuge betroffen, teilte das Ministerium am Montag mit - neben dem schon zurückgerufenen Transporter Vito auch C-Klasse-Modelle und der Geländewagen GLC. Zuvor hatte sich Scheuer in Berlin mit Daimler-Chef Dieter Zetsche getroffen.

Dem Verkehrsminister zufolge hat Daimler erklärt, dass mit "maximalem Abarbeitungstempo und in kooperativer Transparenz mit den Behörden die vom Bund beanstandeten Applikationen in der Motorsteuerung beseitigt werden". Scheuter hatte Zetsche bereits Ende Mai zu einer Krisensitzung einbestellt, nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Rückruf von rund 4900 Exemplaren des Vito angeordnet hatte.

Daimler will den von Scheuer angeordneten Rückruf zwar zunächst umsetzen, zugleich aber juristisch dagegen vorgehen. "Offene Rechtsfragen werden noch im Widerspruchsverfahren geklärt", teilte der Konzern im Anschluss an das Treffen mit. Aus Sicht der Behörden hat Daimler in den Fahrzeugen von Mercedes-Benz unzulässige Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung verwendet. Der Autobauer sieht das anders und hat deshalb schon gegen den Rückruf-Bescheid für den Vito Widerspruch angekündigt.

Daimler muss für die zum Rückruf beorderten Autos offenbar keine Ordnungsstrafe zahlen. Auf die Frage, ob ein früher von Scheuer angedrohte Ordnungsgeld von 5000 Euro pro Fahrzeug vom Tisch sei, antwortete Zetsche nach dem Gespräch: "Ja."

Nach SPIEGEL-Informationen bot Daimler dem Ministerium vor dem jüngsten Treffen nun den Rückruf bestimmter Modelle an, forderte im Gegenzug aber eine Art Amnestie: Man wollte die Rückrufe beim Vito und den anderen gemeldeten Modellen offenbar nur akzeptieren, wenn das KBA im Gegenzug auf weitere Prüfungen verzichtet.

Der Daimler-Aktienkurs   geriet nach Bekanntwerden des neuen Rückrufs nachbörslich unter Druck. Die Papiere, die im regulären Handel bereits um mehr als 1 Prozent nachgegeben hatten, verloren im Frankfurter Handel zuletzt weitere 1,6 Prozent im Vergleich zum Xetra-Schlusskurs.

Die Belegschaft will Antworten

Unter den Daimler-Beschäftigten sorgen die Diesel-Vorwürfe offenbar zunehmend für Unruhe. "Ihre größte Sorge ist, dass rund um das Thema Abgas noch viel mehr auf den Tisch kommen könnte als bisher bekannt", sagte der Betriebsratsvorsitzende des Motorenwerks in Untertürkheim, Wolfgang Nieke, den "Stuttgarter Nachrichten" und der "Stuttgarter Zeitung" laut einer Vorabmeldung. Zetsche habe anfangs gesagt, dass bei Daimler nicht betrogen werde - darauf hätten sich die Beschäftigten verlassen. Bei geplanten Betriebsversammlungen um den 20. Juni wollten die Beschäftigten Antworten hören.

"Es kann nicht sein, dass ein Autokonzern nach dem anderen mit jahrelanger Verzögerung und erst nach Detektivarbeit entlarvt wird", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. "Diese Salamitaktik kostet immer mehr Verbrauchervertrauen und führt zu einem beträchtlichen Wertverlust bei den geschädigten Autobesitzern." Scheuer müsse "die Daumenschrauben anziehen". Daimler solle Garantien abgeben, dass die Umrüstungen sinnvoll seien und keinen Schaden nach sich zögen.

Video: Die Folgen des Diesel-Urteils

SPIEGEL TV
dop/dab/dpa/Reuters