Wenige Tage vor dem Parteitag in Dresden ist das SPD-Führungsduo Sigmar Gabriel und Andrea Nahles deutlich auf Distanz zum Politikstil seiner Vorgänger gegangen. „Der Wähler hat einfach kein klares Bild mehr davon, wofür wir stehen“, sagte der designierte Parteichef Gabriel. Man dürfe „nicht sagen, es war alles richtig, was wir gemacht haben, die Leute waren nur zu dumm, es zu verstehen“.
Die voraussichtliche Generalsekretärin Nahles kritisierte, in den Augen der Wähler habe die SPD ihr „Herz verloren“. „In unserer Regierungsrhetorik haben wir uns ständig gerechtfertigt, statt mehr auf die Menschen einzugehen“, sagte sie.
Gabriel und Nahles stellen sich beim SPD-Parteitag (13. bis 15. November) in Dresden zur Wahl. Gabriel kritisierte insbesondere, dass die SPD in ihrer Regierungszeit die Finanzmärkte dereguliert und „die Hürden für Heuschrecken gesenkt“ habe. Zwar sei die Partei stolz darauf, dass mit der Agenda 2010 die Arbeitslosigkeit gesenkt und neue sozialbeitragspflichtige Arbeitsplätze geschaffen wurden.
„Aber wir können nicht stolz darauf sein, dass es immer mehr Beschäftigungsverhältnisse gibt, von denen man nicht leben kann“, sagte Gabriel dem „Spiegel“.
Nahles griff indirekt auch den ehemaligen Parteichef Gerhard Schröder und den scheidenden Vorsitzenden Franz Müntefering an: „In den vergangenen Jahren hat es bei uns eine Art Kündigungskultur gegeben. Wenn einem an der Spitze etwas nicht gepasst hat, hat er eben gekündigt oder damit gedroht. Damit muss Schluss sein. Als Vorsitzender muss man gewinnen wollen, aber auch mal verlieren können.“ Zu künftigen rot-roten Bündnissen sagte Gabriel: „Es gibt keinen prinzipiellen Grund, nicht mit der Linkspartei zu koalieren. Es gibt aber auch keinen prinzipiellen Grund, es immer zu tun.“
Berlins Regierender Bürgermeister und designierter Parteivize Klaus Wowereit (SPD) wirbt um die Rückkehr ehemaliger Sozialdemokraten von der Linkspartei zur SPD – auch um Oskar Lafontaine. „Die Frage geht an Oskar. Einen Aufnahmeantrag müsste er im Saarland stellen“, sagte Wowereit der „Bild am Sonntag“.
Die SPD- Entscheidung, nach der Wende 1990 die Aufnahme von SED-Mitgliedern abzulehnen, sei möglicherweise ein strategischer Fehler gewesen. Eine Fusion von SPD und Linken steht für Wowereit nicht auf der Tagesordnung. „Diese Frage beschäftigt mich nicht“, sagte der Regierende Bürgermeister.
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