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Der Thermoelektrische Effekt / Seebeck-Effekt (TEGs) (XI)


Im Juli 2010 zeigt das britische Telekommunikationsunternehmen Orange auf dem Glastonbury-Festival den Prototyp aufgerüsteter Gummistiefel, die mittels einer Stromerzeugungs-Sohle aus thermoelektrischen Modulen die Wärme der Füße des Trägers in Strom umwandeln.

Orange Power Wellies

Orange Power Wellies

Die innovative Öko-Handy-Ladetechnik, die unter dem Namen Orange Power Wellies bekannt wird, ist in Zusammenarbeit mit den Experten für Erneuerbare Energie der Firma GotWind entstanden.

Die Idde kommt an: Die Power Wellies werden vom Time Magazine in die Liste der 50 besten Erfindungen des Jahres 2010 aufgenommen. Immerhin sollen zwölf Stunden Tanzen genug Strom erzeugen, um ein Mobiltelefon eine Stunde lang betreiben zu können. Orange ist auch in anderen Bereichen des Mico Energy Harvesting aktiv, z.B. bei der Nutzung von Schall.


Im August 2010 berichten die Fachblogs über das Design eines neuen, sauberen Herds, der gleichzeitig als thermoelektrischer Holz-Strom-Generator fungiert. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Rocket Stove, einen der am meisten verbreiteten sauberen Öfen der Welt, an dem an der Seite ein Ventilator befestigt ist. Dadurch wird der Ofen zu einem sogenannten Zwangsluftofen, bei dem der Rauch wieder in die Flamme geführt wird, um den Ruß zu verbrennen.

Rocket Stoves reduzieren bereits alleine schon den Kraftstoffverbrauch um 40 – 50 % und brennen um etwa 50 – 75 % sauberer, als normale Öfen. Mit dem Ventilator verbrennen sie sogar um 95 % sauberer, wie Labor-Tests von BioLite (s.o.) und dem Approvecho Research Center ergeben, das die Rocket Stoves in den 1980er Jahren entworfen hat und seitdem vertreibt. Und ebenso wie bei den Öfen von BioLite wird der Strom für den Lüfter mit einem thermoelektrischen Generator generiert, der zudem zum Laden von Mobiltelefonen und Funkgeräten dienen kann.

Die Firma StoveTec, sich als eine Non-Just-for-Profit-Organisation nennt und als Vertriebspartner von Approvecho agiert, stellt das neue Gerät beim World Science Festival 2010 in New York City vor und plant, Anfang des nächsten Jahres mit der Vermarktung zu beginnen. In den vergangenen zwei Jahren hat die Organisation mehr als 70.000 Öfen an Dutzende von Entwicklungsländern ausgeliefert, wo sie zu erschwinglichen Preisen verkauft werden, während die Gewinne in die Mission reinvestiert werden, die Küchen der Welt mit sauberen Öfen auszustatten.


Eine Forschergruppe der University of Arizona um Charles Stafford und Justin Bergfield stellt im September 2010 ein thermoelektrisches Gerät ohne bewegliche Teile vor, das mit Hilfe des theoretischen Modells einer sogenannten molekularen thermoelektrischen Vorrichtung (molecular thermoelectric device) entwickelt wurde.

Das Gerät aus einem gummiartigen Polymer, das zwischen zwei Metallen als heiße bzw. kalte Elektroden eingelegt ist, nutzt den Welle-Teilchen-Dualismus, eine Regel der Quantenphysik, derzufolge sich winzige Objekte wie Elektronen entweder als eine Welle oder als Teilchen darstellen können. Die Wissenschaftler entdecken das Potential zur Umwandlung von Wärme in elektrischen Strom gemeinsam mit der Studentin Michelle Solis, als diese Polyphenylether untersucht, Moleküle, die sich spontan zu Polymeren zusammenschließen, d.h. zu langen Ketten von sich wiederholenden Einheiten.

Polyphenylether Grafik

Polyphenylether (Grafik)

Das ‚Rückgrat’ eines jeden Polyphenylether-Moleküls besteht aus einer Kette von Benzolringen, die ihrerseits aus Kohlenstoffatomen aufgebaut sind – wobei die Kettenglied-Struktur eines jeden Moleküls als ‚molekularer Draht’ wirkt, durch den die Elektronen fließen können. In der Grafik sind die heiße und die kalte Elektrode als unten und oben sichtbare goldfarbene Strukturen dargestellt.

Anhand von Computersimulationen läßt man einen Wald von Molekülen ‚wachsen’, der zwischen zwei Elektroden eingebettet ist, und setzt dieses Gitter einer simulierten Wärmequelle aus. Er stellt sich heraus: je höher die Anzahl der Benzolringe in jedem Molekül ist, desto höher die Leistung, die erzeugt werden kann. Das Geheimnis der Fähigkeit der Moleküle, Wärme in Strom zu verwandeln, liegt dabei in ihrer Struktur: Wie Wasser, das eine Flußgabelung erreicht, spaltet sich der Elektronenfluß entlang des Moleküls in zwei Teile, sobald er auf einen Benzol-Ring stößt, wobei jeder Teil entlang einem der beiden Arme des Rings fließt.

Bergfield konzipiert die Benzolring-Schaltung daraufhin so, daß das Elektron auf dem einen Wege gezwungen wird, eine längere Strecke um den Ring zurückzulegen, als das andere. Dies bewirkt, daß die beiden Elektronenwellen außer Phase sind, wenn sie bei Erreichen der anderen Seite des Benzolrings wieder aufeinander treffen – wodurch sie sich in einem als Quanten-Interferenz bekannten Prozeß gegenseitig aufheben. Die Wellen-Interferenz ist ein Konzept, das von sogenannten Antischall-Kopfhörern her bekannt ist, die mittels destruktiver Interferenz Schall auslöschen, indem ein Signal erzeugt wird, das dem des störenden Schalls exakt entspricht, jedoch mit entgegengesetzter Polarität.

Wird die Schaltung nun einer Temperaturdifferenz ausgesetzt, führt dies zur Unterbrechung des Flusses der elektrischen Ladung und zum Aufbau eines elektrischen Potentials (Spannung) zwischen den beiden Elektroden. Die Wissenschaftler nehmen daher für sich in Anspruch, die ersten zu sein, welche die Wellennatur des Elektrons zu nutzen wissen und die ein Konzept haben, um diese in nutzbare Energie zu verwandeln.

Was auch sehr einfach praktisch umsetzbar sein soll: Man braucht zwei Metallelektroden mit nur einer einzigen Schicht dieser Moleküle zu bestreichen, um ein kleines ‚Sandwich’ zu erhalten, das als thermoelektrische Vorrichtung funktioniert. Dies soll zudem nicht ausschließlich nur auf die Moleküle zutreffen, die in der Simulation verwendet wurden, sondern auch bei jedem Gerät auf Quantenebene umsetzbar sein, wo eine Annullierung der elektrischen Ladung stattfindet, so lange es nur eine Temperaturdifferenz gibt.

Die Forscher erwarten, daß die mit ihrem Design erreichbare thermoelektrische Spannung etwa 100 mal größer sein wird, als was bislang in anderen Labors entwickelt worden ist. Als ZT-Wert soll eine Zahl von > 4 erzielbar sein. Auspuffrohre von Autos oder Fabrikkamine könnten mit dem Material weniger als 1 Millionstel Zoll dick beschichtet werden, um die sonst als Wärme verlorene Energie zu ernten und in Strom umzuwandeln. Mit einer sehr effizienten Umsetzung soll man mit der Abwärme eines Automobils 200 Stück 100 W Glühbirnen betreiben können – oder anders ausgedrückt, den Wirkungsgrad des Autos um über 25 % erhöhen, was ideal wäre für Hybridfahrzeuge, da diese ja bereits einen elektrischen Motor nutzen. So zumindest die Behauptungen der Entwickler. Leider ist nichts darüber zu finden, daß die Sache später weiterverfolgt worden ist.


Neue Patente aus diesem Jahrzehnt stammen beispielsweise vom California Institute Of Technology (CalTech) in Pasadena (US-Nr. 6.563.039, 2001/2003; Nr. 6.673.996, 2002/2004), von der Firma Advanced Micro Devices Inc. (US-Nr. 6.809.793, 2002/2004) oder der Firma Caterpillar Inc. in Peoria, Illinois, die eine thermoelektrische Vorrichtung anmeldet, die zwischen der Brennkammer und dem Kopf oder auf der Zylinderbank eines Verbrennungsmotors positioniert ist (US-Nr. 7.287.506, 2006/2007).


Im Januar 2010 startet an der Purdue University ein weiteres TEG-Forschungsprojekt, das zu einer Verringerung des Kraftstoffverbrauchs bei Kraftfahrzeugen führen soll – indem Wärmeenergie aus dem Abgassystem in Strom umgewandelt wird. Geleitet wird das Projekt von Prof. Xianfan Xu, der bereits seit einer Dekade mit der Firma General Motors (GM) zusammenarbeitet. Die größte Herausforderung dabei sei Xu zufolge das System-Level-Design – wie man alles optimiert, um möglichst viel Wärme aus dem Abgas zu bekommen.

Das erste Ziel des mit 1,4 Mio. $ über drei Jahre von der National Science Foundation (NSF) und dem U.S. Department of Energy finanzierten Forschungsvorhabens ist es, einen Prototyp zu konstruieren, der den Kraftstoffverbrauch um 5 % senken kann. Mit zukünftigen Entwicklungen, die bei höheren Temperaturen arbeiten, soll die Einsparung dann auf 10 % verdoppelt werden.

TE-Forschung an der Purdue University

TE-Forschung an der
Purdue University

Die Forscher bei GM verwenden hierfür Skutterudite, deren Wärmeleitfähigkeit mittels Seltenerdelementen wie Lanthan, Cäsium, Neodym und Erbium reduziert werden kann, wozu sie die Elemente mit dem Skutterudit innerhalb eines Ofens vermischen. Da reine Seltenerdelemente aber relativ kostspielig sind, wird auch daran gearbeitet, sie durch Mischmetalle zu ersetzen.

Im November 2010 meldet die Purdue University, daß man zwischenzeitlich einen Prototyp entwickelt hätte, der hinter dem Katalysator sitzt und die Wärme der etwa 700°C heißen Gase erntet. Zufrieden sind die Forscher aber nicht. Ein effizienteres Design wäre nämlich, den Generator innerhalb des Katalysators einzubauen, was aber noch nicht machbar sei, da die Vorrichtung den dort herrschenden hohen Temperaturen nicht standhalten würde.

In einem weiteren Schritt, über den im Oktober 2012 berichtet wird, hatte das U.S. Army Research Laboratory (ARL) im Rahmen seiner zunehmend breiter angelegten Suche nach neuen, energieeffizienten Geräten im Laufe des Jahres die praktische Nutzung des TEG bei einen M1 Abrams-Panzer getestet, ohne jegliche Änderungen an seinem vorhandenen Motor oder Antriebsstrang.

Das eingesetzte 80 W Prototyp-System war von den Firmen GM, General Dynamics Land Systems und Creare Inc., einem Wärmeübertragungsexperten, sowie der internationalen Forschungsgruppe Research Triangle Institute entwickelt worden. Ob auch Purdue University daran beteiligt ist, ließ sich noch nicht herausfinden. Im nächsten Schritt soll das System nun auf volle Größe skaliert werden.

Der Army zufolge sind thermoelektrische Systeme für den militärischen Einsatz besonders geeignet, weil sie keine beweglichen Teile besitzen, ein geringes Gewicht haben, verdeckt und leise arbeiten, eine hohe Leistungsdichte aufweisen und zudem noch niedrig amortisierte Kosten mit einer langen Lebensdauer ohne Wartungsbedarf verbinden.

Nur einen Monat später, im November 2012, ist zu erfahren, daß das ARL thermoelektrische System und Techniken nun auch bei dem Shadow Tactical Unmanned Aerial System (UAS) der Firma AAI (später: Textron Systems) untersucht, einer kleinen, unbemannten Drohne, die von der Army und dem Marine Corps für Aufklärung, Überwachung, Zielerfassung und Kampfschäden-Bewertung eingesetzt wird. Schließlich besteht zwischen der hohen Temperatur der Antriebssysteme von bis zu 1.100°C und der kalten Luft in großen Höhen eine beträchtliche Differenz.

Einer Meldung vom Juni 2013 zufolge habe das ARL-Team als erster Schritt des Projekts die Menge der Abwärme aus der Drohne berechnet und auf ein thermoelektrisches Modellsystem angewandt. Die Ergebnisse klingen vielversprechend genug, um mit den nächsten Schritten, der Miniaturisierung und Anpassung fortzufahren. Was daraus weiter geworden ist, ließ sich bislang aber nicht herausfinden.


Ebenfalls im Januar 2010 wird aus dem Boston College in Chestnut Hill berichtet, daß es Xiao Yan zusammen mit Kollegen von der University of Virginia gelungen sei, das extrem feine Nanopulver einer Metalllegierung aus Zirkonium, Hafnium, Kobalt und Zinn herzustellen, die dabei helfen könnte, die Reichweite eines Autos um bis zu 10 % zu erhöhen.

Um den thermoelektrischen Konverter zu konstruieren, werden die nur 5 – 10 Millionstel Millimeter feinen Körnchen behutsam zu einem größeren Block zusammengepreßt, wobei sich die Partikel zu 200 nm kleinen Körnern zusammen ballen. Damit kann die Wärmeleitfähigkeit des Materials um ein gutes Drittel gesenkt werden, während der Werkstoff zugleich seine guten elektrischen Eigenschaften beibehält. Die Ursache für die Steigerung der Effizienz um 60 % liegt in der feinen Korngröße. Bei einer Betriebstemperatur von 700°C rangiert der ZT-Wert des neuen Materials bei 0,8.


Im gleichen Monat melden auch Forscher der University of Michigan um Prof. Massoud Kaviany, daß sie einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines der vielversprechendsten thermoelektrischen Kandidaten gemacht haben. Die Forscher hatten Skutterudite untersucht, die mit bestimmten Elementen wie dem Metall Barium kombiniert die richtige Mischung von Eigenschaften zeigen, um als starke thermoelektrische Materialien eingesetzt werden zu können: Elektrizität gut und Wärme schlecht zu leiten.

Dabei konnten die Wissenschaftler bestimmte Konfigurationen der Atome in der Verbindung identifizieren, welche die thermische Leitfähigkeit der Materialien senken und damit deren Umwandlungseffektivität um 15 – 20 % zu verbessern. Die Arbeit liefert eine willkommene Orientierung für jene Experimentatoren, die versuchen, hocheffiziente thermoelektrische Materialien zu synthetisieren. Gefördert wird die Forschung vom Center for Solar and Thermal Energy Conversion der Universität sowie dem Office of Basic Energy Sciences des DOE.


Und auch seitens der Northwestern University in Evanston, Illinois, ist im Januar 2010 Neues zu erfahren. Hier haben  Materialwissenschaftler im Team der Professoren Mercouri G. Kanatzidis und Vinayak Dravid Steinsalz-Nanokristalle in Blei-Tellurid (PbTe) eingebracht und damit ein Material erzeugt, das die Wärme effizienter nutzen kann als bisher. Der hohe ZT-Wert von 1,7 läßt erwarten, daß das Material 14 – 15 % der Wärmezufuhr in Elektrizität umwandeln kann.

Die Forschungsgruppe kooperiert bei ihrer Arbeit mit dem Argonne National Laboratory sowie mit Kollegen der Nanyang Technical University und der University of Michigan. Finanziert werden die Forschungen vom Office of Naval Research, der National Science Foundation, der W. M. Keck Foundation und dem Bundesstaat Illinois.

Im September 2012 folgt die Meldung, daß es der Forschergruppe zwischenzeitlich gelungen sein, die Effizienz von Blei-Tellurid signifikant zu erhöhen, womit sogar Wirkungsgrade von bis zu 20 % in greifbare Nähe rücken. Verantwortlich für die rekordverdächtigen thermoelektrischen Eigenschaften ist der innere Aufbau des kristallinen Blei-Tellurids.

Neben der bisherigen Dotierung mit Natrium, wodurch sich die Wärmeleitfähigkeit reduziert, bauen Kanatzidis und seine Kollegen über ein spezielles Sinterverfahren kleine Nanopartikel aus Strontiumtellurid in ihr Material ein, um bei Wärmekontakt mehr Ladungsträger für eine höhere Stromausbeute erzeugen zu können. Damit gelingt es ihnen den ZT-Wert bei einer Temperatur von rund 640°C von 1,1 auf etwa 2,2 zu verdoppeln. Auf der Abbildung ist der struktureller Aufbau des optimierten Thermoelektrikums sowie das neue Materials in der Form zu sehen, wie sie beispielsweise in TEGs zum Einsatz kommt.

Der Schritt der Arbeitsgruppe wird als gigantischer Sprung auf dem Feld der Thermoelektrik betrachtet, da mit den neuen Fertigungsverfahren nun die Effizienz vieler thermoelektrischer Substanzen deutlich verbessert werden könnten, darunter auch weniger giftige als Blei-Tellurid.

Im April 2014 folgt der nächste Streich des Kanatzidis-Teams, das diesmal den schlechtesten bekannten Wärmeleiter überhaupt auswählt, Kristalle aus Zinn-Selenid, um herauszufinden, wie weit sich diese thermoelektrisch optimieren lassen. Der Theoretiker Christopher M. Wolverton hatte die elektronische Struktur des Zinn-Selenid berechnet und herausgefunden, daß dessen elektrischen Eigenschaften durch Dotierungsmaterialien verbessert werden können.

Nachdem die nanostrukturierten Kristalle aus Blei-Tellurid, die mit viel Aufwand zwei Jahre zuvor gezüchtet worden waren, einen ZT-Wert von 2,2 erreicht hatte, bestätigten die Messungen im Labor dem ebenfalls mit Natrium dotierten Zinn-Selenid nun einen ZT-Wert von 2,6 bei 650°C, was einen Weltrekord darstellt.

Der Grund für den überraschend hohen ZT-Wert liegt in der besonderen Schichtstruktur der Zinn-Selenid-Kristalle, die verhindert, daß sich Schwingungen in aufgeheizten Kristallen gut ausbreiten können. Bis zu einem ersten Thermo-Kraftwerk aus dem neuen Material wird es allerdings noch etwas dauern, da der hohe ZT-Wert bislang nur entlang einer Raumachse innerhalb des Kristalls auftritt. Wird der Kristall um 90° gedreht, sinkt der ZT-Wert deutlich auf 0,8. Als Lösung wird vorgeschlagen, einzelne Kristallschichten auf größeren Kristallen aus Zinn-Tellurid wachsen zu lassen.

Im Juni 2015 erhält Kanatzidis den mit 200.000 € dotierten Eni-Award des italienischen Energiekonzerns Eni S.p.A. in der Kategorie Renewable Energy für seine Forschungen zu thermoelektrischen Halbleitern, und im Januar 2016 wird ihm von der Chemie-Fakultät der Technischen Universität München (TUM) und der Jürgen Manchot-Stiftung die Wilhelm Manchot-Forschungsprofessur 2015 verliehen, um seine wegweisenden Arbeiten zu würdigen.

Die jüngste Meldung stammt vom November 2016 und besagt, daß die thermoelektrische Leistung des mit Natrium dotierten Zinn-Selenid zwischenzeitlich auch über einen breiten Temperaturbereich von Raumtemperatur bis zu 500°C funktioniert.


Die in Osaka beheimatet Firma TES New Energy Co. (Thermo Electric Systems and New Energy) ist eine Ausgründung des National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST) vom Mai 2010, deren Kerntechnologie die Stromerzeugung mittels einer Kaskaden-Technologie aus thermoelektrischen Modulen ist, und zwar aus Abwärme in einem breiten Temperaturbereich zwischen 100°C und 1.000°C.

Die Firma verfolgt dabei die vernünftige Ansicht, daß Effizienz nicht alles ist, und konzentriert sich auf CaCo-Oxid, einer speziellen Oxid-Verbindung, im Jahr 2000 entdeckt wurde und als relativ preiswert und umweltfreundlich gilt.

Im Juni 2011 beginnt die TES mit dem Verkauf eines Camping-Kochtopfs, der über einen USB-Anschluß im Griff nebenbei auch Handys aufladen kann. Der HC-5 (auch Hatsuden-Nabe genannt) kostet 280 $ und kann mit seinem Output von 400 mA bei 5 V ebenso problemlos MP3-Player wie Smartphones aufladen. Bis der Akku eines iPhone voll geladen ist, bedarf es aber mindestens 3 - 5 Stunden Wasserkochen.

Den Strom erzeugen Streifen einer speziellen thermoelektrischen Keramik, die in den Topf eingearbeitet sind und ihre Energie aus der Temperaturdifferenz zwischen dem Topfboden (550°C) und dem kochenden Wasser (100°C) beziehen. Die Idee zu der alternativen Stromerzeugung soll Kazuhiro Fujita nach der Erdbebenkatastrophe vom März gekommen sein, als er - ohne selbt betroffen zu sein - im Fernsehen sah, wie Erdbebenopfer versuchen, sich über offenem Feuer Essen zuzubereiten.

Billinge und Bozin

Billinge und Bozin


Im Dezember 2010 berichten Physiker des Brookhaven National Laboratory um Emil Bozin und Simon Billinge über ihre Feststellung, daß sich eine Klasse thermoelektrischer Materialien auf der Nanoskala als Reaktion auf Änderungen der Temperatur ganz unerwartet verhält. Die Entdeckung eines neuen Phasenübergangs in ,Gegenrichtung’ kann dabei helfen, die starke thermoelektrische Reaktion dieser Materialien zu erklären und dazu beitragen andere nützliche Thermoelektrika zu identifizieren.

Die Wissenschaftler, die mit Kollegen der Columbia University, des Argonne National Laboratory, des Los Alamos National Laboratory, der Northwestern University und der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich zusammenarbeiten, hatten Blei-Chalkogenide (Blei gepaart mit Tellur, Selen oder Schwefel) unter Verwendung neu verfügbarer experimenteller Techniken und theoretischer Ansätze untersucht, die es ihnen ermöglichen, das Verhalten einzelner Atome im Nanometerbereich zu ,sehen’ und zu modellieren. Mit diesen Werkzeugen konnten sie subtile Änderungen in atomaren Anordnungen beobachten, die für herkömmliche Strukturen unsichtbar waren.

Bei einem Phasenübergang wie dem Schmelzen oder dem Frieren kommt es zu einer strukturellen Umlagerung von Atomen,. Eine zusätzliche Kühlung führt manchmal zu weiteren strukturellen Übergängen, wenn sich Atome im Kristall umlagern oder verschieben, um die Gesamtsymmetrie zu senken. Die Entwicklung solcher lokalisierten Atomverzerrungen beim Abkühlen ist normal. In Blei-Chalkogeniden entdecken die Wissenschaftler statt dessen das entgegengesetzte Verhalten: Bei der niedrigsten Temperatur gab es keinerlei atomaren Verschiebungen – diese treten dafür beim Erwärmen auf.

Nach Ansicht der Forscher ist es dieses zufällige Spiegelverhalten, das der Schlüssel für die Fähigkeit der Materialien ist, die Übertragung von Wärme zu blockieren und diese dafür in Elektrizität umzuwandeln. Die neue Erkenntnis wird es Forschern ermöglichen, neue und kostengünstige Materialien für thermoelektrischen Einsatz zu identifizieren.


Einen thermoelektrischen Kochtopf ‚erfinden’ auch sechs Schüler des St. Thomas of Canterbury College in Christchurch, Neuseeland, die zudem selbstbewußt genug sind, ihre Innovation The Lion zu nennen. Sie kommen damit im März 2011 in die Presse.

Aufmerksamkeit erregen die Schüler, da sie im Rahmen des Business-Programms Young Enterprise Scheme (YES), das junge Gründer fördert, ein eigenes Unternehmen aufziehen. Dabei werden 10 Prototypen gebaut, bevor das Endprodukt seine Gestalt findet. Die Entwicklung wird durch das Kuratorium der Schule unterstützt, das den Innovatoren 1.000 $ pumpt.

Der kleine Generator hat einen flachen Boden mit einem Gefäß an der Oberseite und wird wie ein Deckel auf einen Topf mit kochendem Wasser gesetzt. Anschließend wird das Gefäß mit kaltem Wasser gefüllt, und die Differenz zwischen seiner Temperatur und der Wärme aus dem Topf erzeugt genug Energie, um kleine elektronische Geräte mit Strom zu versorgen. Im Verkauf soll das Teil später 50 $ kosten. In Produktion scheint es bislang aber nicht gegangen zu sein.


Im Mai 2011 wird in der Fachpresse von einer Entwicklung an der schwedischen Linköping University in Norrköping berichtet, bei welcher der Polyethylendioxythiophen (PEDOT) als Thermoelektrikum genutzt wird. Um damit aus Wärme elektrischen Strom zu erzeugen, reichen bereits eine hauchdünne Schicht des Kunststoffes und ein Temperaturunterschied von 30°C aus.

Die Chemiker um Xavier Crispin und Olga Bubnova nutzen Strom leitende Kunststoffe, wie sie bereits für flexible und biegsame Elektronikbauteile oder Solarzellen verwendet werden, und fügen dem Material bei der Herstellung eine eisenhaltige Lösung bei. Anschließend wird mit dem noch flüssigen Material eine Glasplatte hauchdünn beschichtetet.

Crispin-Polymerfolie

Crispin-Polymerfolie

Das fertige Modul wird auf einer Seite auf etwa 50°C aufgeheizt, während die andere Seite bei einer Raumtemperatur von gut 20°C verhältnismäßig kühl bleibt. Die gegenwärtige Ausbeute von einigen Mikrowatt bei einem ZT-Wert von 0,25 ist allerdings noch sehr gering, reicht aber schon aus um kleine Sensoren beispielsweise für Wasser- oder Luftanalysen zu betreiben. Eine zukünftige Steigerung ist nicht ausgeschlossen.

Die ersten Patentanmeldungen für eine thermoelektrische Vorrichtung erfolgen im April 2013 (US-Nr. 20130276850 & 20130276851, veröffentlicht 2013). Neben Crispin werden als Erfinder Magnus Berggren und Hui Wang genannt, Patentinhaber ist das schwedische Forschungsinstitut Acreo Swedish ICT AB in Kista. In diesem Jahr erhält Crispin vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen Zuschuß in Höhe von 13 Mio. SEK.

Im Dezember 2013 veröffentlicht das Team den Bericht über einen weiteren Durchbruch. Dazu der Hintergrund: Herkömmliche Kunststoffe oder Polymere sind elektrische Isolatoren. In den späten 1970er Jahren wurde von Alan J.Heeger, Alan G. MacDiarmid und Hideki Shirakawa allerdings eine neue Klasse von Polymeren entdeckt, die Elektrizität wie Halbleiter und Metalle leiten – wofür die drei Wissenschaftler im Jahr 2000 den Nobelpreis für Chemie erhalten.

In dem von Crispin geleiteten Projekt, in welchem zwanzig Forscher aus fünf Universitäten in Schweden, Australien, Belgien, Norwegen und Dänemark zusammenarbeiten, gelingt es nun zu beweisen, daß sich Polymere auch wie Halbmetalle verhalten können. Die früheren Experimente, die ergeben hatten, daß leitfähige Polymere thermoelektrisch sein können, deuteten bereits darauf hin, daß es sich um Semimetalle handelte, ohne daß jedoch ein Beweis dafür vorgelegt werden konnte.

Nachdem mehrfache Gegenprüfungen die selben Ergebnisse zeigen, daß sich das Polymer, in diesem Fall eine dotierte Variante des Kunststoffs PEDOT, genau wie ein Halbmetall verhält, und die Forscher ein Verständnis für dieses Phänomen entwickeln, sollen die Entwicklungen vorangetrieben und ein neues Forschungsfeld in der organischen Elektronik eröffnet werden, da diese Polymere sowohl einfach als auch kostengünstig herzustellen sind.


Ebenfalls im Mai 2011 präsentieren Wissenschaftler der University of Missouri um Patrick Pinhero einen flexiblen Solar-Film, der – zumindest theoretisch – mehr als 90 % des verfügbaren Lichtspektrums erfassen kann. Im Vergleich dazu sind die traditionellen Methoden der Photovoltaik dagegen höchst ineffizient, da sie einen Großteil des verfügbaren elektromagnetischen Sonnenspektrums vernachlässigen.

Pinheros Team entwickelt eine dünne, formbare Folie aus kleinen Antennen, die in Anlehnung an die Nanotechnologie Nantennas genannt werden. Diese bestehen aus mikroskopisch kleinen, rechteckigen Spiralen aus Gold-Nanodraht mit einem Durchmesser von etwa 1.000 Atomen, welche in einem Druckprozeß auf die Folie aufgebracht werden. Trifft die elektromagnetische Welle einer bestimmten Wellenlänge auf die Nantennas, wird in der Struktur eine stehende Welle im Terahertz-Bereich erzeugt, die in elektrischen Strom umgewandelt werden kann. Über die Größe der Nantenna-Struktur läßt sich das System auf die Absorption verschiedener Wellenlängen abstimmen.

Die Folie ist ursprünglich konzipiert worden, um industrielle Abwärme zu ernten und in nutzbare Elektrizität zu wandeln. Nun wird in Zusammenarbeit mit Kollegen am Idaho National Laboratory und der University of Colorado daran gearbeitet, das Konzept so weit zu erweitern, daß die Nantennas die Energie eines möglichst großen Bereichs des Sonnenspektrums aufnehmen – vom nahen Infrarotbereich bis hin zu den optisch sichtbaren Regionen.

Das Team umfaßt zudem Vertreter der in Cambridge, Massachusetts, beheimateten und 1998 gegründeten Firma MicroContinuum Inc., welche sich um die Entwicklung eines Herstellungsverfahrens kümmert, mit dem der neuartige Energy-Harvesting-Film kostengünstig und in großen Mengen produziert werden kann. Mit der Produktion der ersten funktionierenden Prototypen wird in fünf Jahren gerechnet. Die Entwicklung wird u.a. vom DOE gefördert. Mehr darüber findet sich unter Felder und Wellen (s.d.).


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