Ist Glyphosat nun krebserregend oder nicht? Die Frage ist für die weitere Zulassung des meistverkauften Pflanzenschutzmittels in der EU entscheidend. Das Problem: Gutachter diverser Gremien widersprechen sich. Daher ringt die EU-Kommission seit Monaten um die Entscheidung.

Immer wieder kommt in der Debatte um Glyphosat der Verdacht auf, dass einige der Forscher, die das Pflanzengift als weniger schädlich beurteilt haben, von dessen Hersteller Monsanto manipuliert worden sein könnten. Der Agrarkonzern macht mit dem Mittel ein sehr gutes Geschäft. Dass es in Europa weiter zugelassen ist, ist in seinem Interesse.

Dass an diesen Vorwürfen etwas dran ist, legen nun neue Enthüllungen der französischen Zeitung Le Monde nahe: Einem am 4. Oktober erschienenen Bericht zufolge wurden einige der Veröffentlichungen über Glyphosat zumindest zum Teil von Monsanto selbst geschrieben und bezahlt, ohne dass die finanzielle Abhängigkeit der Autoren öffentlich gemacht wurde. Die Autoren beziehen sich dabei auf Dokumente aus internen Mails. Monsanto aber widerspricht: "Diese Anschuldigungen sind falsch", teilte Monsanto International auf Nachfrage von ZEIT ONLINE mit. Das Unternehmen arbeite transparent und "hat seine Rolle in wissenschaftlichen Kollaborationen immer vollständig eingeräumt".

Schwere Manipulationsvorwürfe

Schon im Frühsommer waren E-Mails der Firma mit Sitz in den USA öffentlich geworden. Über mehrere Monate haben Journalisten von Le Monde diese seither ausgewertet. Ihr Ergebnis: Aus der Korrespondenz gehe hervor, wie Monsanto systematisch und zahlreich Wissenschaftler kontaktierte, damit sie im Auftrag der Firma Studien veröffentlichen, ohne die Verbindung zum Agrarkonzern bekannt zu machen – innerhalb der Wissenschaft ist so eine Form des Ghostwritings verpönt. Zudem soll der Konzern nach Recherchen der französischen Journalisten über eine Beratungsfirma Wissenschaftler engagiert haben, die in Fachzeitschriften positive Artikel über Glyphosat publizierten.

Beispielsweise habe eine Cheftoxikologin von Monsanto eine 46-seitige Studie an einen Korrektor der wissenschaftlichen Zeitung Journal of Toxicology and Environmental Health versandt. In dem Papier wird behauptet, der Kontakt zu Glyphosat habe keinen negativen Effekt auf die Fruchtbarkeit und Entwicklung von Embryonen. "Ich schicke dir hier schon mal die erste Hälfte", schreibt die Toxikologin in einer Mail an einen Wissenschaftler, der ihre Arbeit korrigieren soll. Im Anhang derselben Mail findet sich die Arbeit, in der ihr Name sichtbar durchgestrichen wurde. Der Artikel, der über den Schreibtisch von Monsantos Cheftoxikologin ging, erschien wenig später im Jahr 2012 ohne ihren Namen – nur vier weitere Autoren sind genannt, denen kein Bezug zu Monsanto nachzuweisen ist.

Laut Le Monde sei diese Art des Ghostwritings innerhalb des Unternehmens so verbreitet, dass seine Angestellten dieses Wort selbst mehrfach und vorbehaltlos in ihrem E-Mail-Verkehr benutzen würden.

"Vielleicht muss Glyphosat neu bewertet werden"

Dies könnte nun Folgen haben. EU-Politiker fordern aufgrund der Monsanto Papers, wie die E-Mails genannt werden, den Einfluss des Agrarkonzerns auf im Auftrag der EU erstellte Studien genauer zu überprüfen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa sowie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatten Glyphosat in der Vergangenheit mehrfach bescheinigt, eher nicht in bedenklichem Maße krebserregend zu sein. "Wir fordern eine Untersuchungskommission der Europäischen Union, um mehr über die möglicherweise gekauften Studien von Monsanto zu erfahren", sagte Éric Andrieu, Agrarexperte in der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament. "Vielleicht muss Glyphosat noch einmal neu bewertet werden."

Man habe Studien in Auftrag gegeben, um die Schädlichkeit von Glyphosat zu untersuchen, sagt Monsanto International auf Nachfrage von ZEIT ONLINE. "In einigen Fällen haben Monsanto und viele andere Registranten Verträge mit Laboren eines Dritten geschlossen, um Studien nach offiziellen Regularien durchzuführen." Nie aber habe man Wissenschaftler für Forschung mit einem vorab festgelegten Ergebnis bezahlt, lautet die offizielle Antwort. Alle Studien würden nach den OECD-Prüfrichtlinien durchgeführt, "was bedeutet, dass die Qualität, Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit und, sogar wichtiger, die Wiederholbarkeit einer Studie garantiert ist." Zusätzlich hätten Autoren und Co-Autoren von Monsanto-gesponserten Studien sowie den dazugehörigen Review-Artikeln ihre Zugehörigkeit stets deutlich offenbart.

Die Geschichte kommt zu einem politisch brisanten Zeitpunkt für Monsanto. Die EU-Kommission muss noch bis Ende des Jahres entscheiden, ob sie das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat weiter zulassen will und wenn ja, für wie viele Jahre. Frankreich hat sich bereits gegen eine Verlängerung der Zulassung entschieden, auch Österreich und Italien sind dagegen. Deutschland wird bei dieser EU-weiten Entscheidung also das Zünglein an der Waage spielen.

Augenblicklich aber, mitten in den Verhandlungen für eine Jamaika-Koalition, ist das Votum noch unklar: CDU und FDP haben sich bislang für eine weitere Zulassung des Herbizids ausgesprochen, die Grünen sind dagegen. "Die ökologische Agrarwende ist selbstverständlich auch in den anstehenden Gesprächen ein zentrales Anliegen", sagt der Gentechnikexperte der Grünen, Harald Ebner. Das Ergebnis der Bundestagswahl dürfte schließlich allen klargemacht haben, dass ein "Weiter so" der falsche Weg ist.