Management-Innovation in Organisationen der Sozialwirtschaft

Innovation bezieht sich vornehmlich auf Fragen von Produkten, Dienstleistungen, internen Prozessen oder auch auf das Geschäftsmodell. In dieser Aufzählung fehlen Innovationen von Führung und Management oder: Management-Innovationen, Dabei steht die Frage im Zentrum, wie auch Management und Führung neu gedacht, revolutioniert und anders gemacht werden können.
Management-Innovation in Organisationen der Sozialwirtschaft

Inhalt:

Die Herausforderungen für Organisationen der Sozialwirtschaft waren und sind gravierend. So haben sich Organisationen der Sozialwirtschaft schon immer mit gesellschaftlichen Wandlungsprozessen befassen müssen, allein aufgrund ihres Auftrags – der Lösung sozialer Probleme. Aktuell jedoch kommen Herausforderungen hinzu, die die Organisationen, Verbände und natürlich die darin arbeitenden Menschen nicht nur inhaltlich, sondern auch bezogen auf ihre interne und externe Kommunikation, ihre Strukturen, Prozesse und Rituale und ebenso ihre Führung und Leitung infrage stellen.

Zu diesen Herausforderungen zählen insbesondere die Digitalisierung und damit einhergehend neue Organisationsstrukturen, sich verändernde Geschäftsmodelle, Fachkräftemangel, steigende Qualitätsanforderungen und zunehmende Ökonomisierung und Privatisierung sozialer Dienstleistungen. Ferner sind zunehmender finanzieller Druck, nicht hinreichende Vernetzung der Organisationen untereinander sowie eine ausbaufähige Innovationskultur sozialer Organisationen als Herausforderung zu nennen (vgl. bspw. Hodges, Howieson, 2016).

Dynamik und Komplexität

Die Anforderungen, die sich an Führungskräfte sozialer Organisationen stellen, sind damit mit Blick auf eine hochkomplexe und dynamische Gegenwart und Zukunft zu betrachten. Es stellt sich die Frage, wie Führungskräfte sozialer Organisationen die aktuellen Herausforderungen meistern und gleichzeitig die Organisation erfolgreich in die Zukunft führen können: Wie können Führungskräfte ihr Leitungs- und Führungshandeln reflektieren und ihr Handeln für die sich zukünftig stellenden Anforderungen weiterentwickeln?

Management-Innovation

Hier setzen Management-Innovationen an: In den Ausführungen zum St. Galler Management Modell heißt es, dass „Innovation zwar als zentraler Bezugspunkt von Management gesehen wird, aber nicht als etwas, was die Management-Praxis selbst zu einem Innovationsthema macht“ (Rüegg-Stürm/Grand, 2015, 256, Hervorhebung i. Orig.).

Unter Management-Innovation ist zu verstehen, dass die Management-Praxis, also das Führungs- und Leitungshandeln selbst, systematisch und konstruktiv-kritisch reflektiert werden muss, um Innovation, also neue Wege, im Führungs- und Leitungshandeln mit Blick auf die zukünftigen Herausforderungen, ermöglichen zu können. Dabei muss die Wertschöpfung der Management-Praxis selbst auf den Prüfstand gestellt werden:

„Inwieweit kann die etablierte Management-Praxis (…) den aktuellen und absehbaren Herausforderungen gerecht werden, die sich aus der Ko-Evolution von Umwelt und Organisation ergeben?“ (ebd., 258).

In Organisationen der Sozialwirtschaft stehen aktuell vor allem Maßnahmen zur persönlichen Entwicklung oder zur Entwicklung auf Teamebene im Vordergrund: Supervision, Konfliktlösung im Team, kollegiale Fallberatung und vieles mehr sind gerade im Sozialbereich etablierte und für bestimmte Themen wichtige Methoden, um die herausfordernde Arbeit bewältigen zu können.

Auf Ebene der Leitungskräfte hingegen sind entsprechende Auseinandersetzungen mit dem eigenen Handeln jedoch wenig etabliert.

Ressourcen für Management-Innovation

Management-Innovation bedarf spezifischer Ressourcen, wobei insbesondere Möglichkeiten für die gemeinschaftliche Reflektion „und für ein sorgfältiges experimentelles Weiterentwickeln der etablierten Management-Praxis“ (ebd., 259) wesentlich sind.

Aktuell geschieht Management-Innovation in Organisationen der Sozialwirtschaft beinahe ausschließlich über den Versuch der Aus- und Weiterbildung von „High Potentials“ mit einem Fokus auf aktuelle Management-Praktiken. Hier sind vor allem Master-Studiengänge sowie spezifische Weiterbildungen zu nennen, die versuchen „den Praktikern“ einen Methodenkoffer für Führung und Leitung an die Hand zu geben. Hier ist jedoch kritisch anzumerken, dass diesen Aus- und Weiterbildungen oftmals „ein individualistisches Organisations- und Management-Verständnis“ (ebd., 260) zugrunde liegt. Management-Innovation hängt aus dieser Perspektive von einzelnen „Leadern“ ab, die heldenhaft die Organisation auf dem Weg halten.

Für echte Management-Innovation muss hingegen ein „gemeinschaftlicher kommunikativer Effort unterschiedlichster Management-Communities“ (ebd., Hervorhebung i. Orig.) geschaffen werden. Man muss sich gegenseitig „befruchten“, sich über seine Führungstätigkeit in Netzwerken austauschen, man muss seine Führungstätigkeit in Gemeinschaft reflektieren (vgl. auch Herzka, 2013, 115).

Als Maßnahmen, um Management-Innovation zu ermöglichen, führen Rüegg-Stürm/Grand (vgl. ebd., 262ff) verschiedene Möglichkeiten an. Genannt werden:

  • Praktiken kreativer Fremd- und kritischer Selbstbeobachtung,
  • eine gemeinsame Reflexions-Sprache,
  • die Erfahrungen der verantwortlichen Manager-Communities,
  • stabilisierende Rahmenbedingungen,
  • maßgeschneiderte Bildungsprogramme,
  • die Nutzung gesellschaftlicher Kontroversen für Management-Innovation.

Die angesprochenen Wege, Management-Innovation zu ermöglichen, sind voraussetzungsreich und damit oftmals schwer zu realisieren. So sind zum einen „sorgfältig konzipierte Kommunikationsplattformen für die erforderlichen Reflexionsanstrengungen und zum anderen langfristig angelegte Reflexions- und Innovationspartnerschaften zwischen unterschiedlichen Organisationen“ (ebd., 264, Hervorhebung i. Orig.) notwendig, um fruchtbare Management-Innovation zu gestalten.

Netzwerke nutzen

Für Führungskräfte in sozialen Organisationen ist hervorzuheben, dass die für Management-Innovation notwendigen Netzwerke oftmals bereits vorhanden sind. Netzwerke der Führungskräfte untereinander bestehen bereits. Diese sind entweder institutionalisiert als „Netzwerktreffen“ von Führungskräften unterschiedlicher Organisationsteile (Häuser, Abteilungen…) eines Trägers organisiert oder informell über „Menschen, die man kennt und mag“. Das sind wunderbare Voraussetzungen für eine Implementierung der o.g. Maßnahmen. Problematisch mit Blick auf Management-Innovation ist jedoch, dass in diesen Netzwerken oft über „das Falsche“ gesprochen wird. Die Netzwerke befassen sich mit für die Führungsarbeit bedeutsamen Sachthemen: Was sind die nächsten Schritte zur Umsetzung der Strategie, wie reagieren wir auf den Fachkräftemangel, wer plant die nächste Weihnachtsfeier?

Ein intensiver, reflektierender Austausch über die eigene Führungsarbeit findet jedoch kaum statt:

  • Wie führe ich?
  • Wo sind Potentiale meiner Führungsarbeit?
  • Welche neuen Wege der Zusammenarbeit in unserer Organisation können wir in Zukunft gehen?
  • Wer kann mich und uns dabei unterstützen?
  • Wie geht es mir in meiner Führungsrolle?
  • Was macht mir Angst?
  • Wo sind persönliche Grenzen?
  • Wie kann ich mich auf neue Anforderungen intensiv und angemessen vorbereiten?
  • Welche sind dies überhaupt für meinen und unseren Bereich?

Kollegiales Coaching

Management-Innovation in sozialen Organisationen muss zu einer Form intensiven, kollegialen Coachings (vgl. näher bspw. Lippmann, 2013, 94ff) werden. Dies bedarf wiederum Vertrauen der Führungskräfte untereinander. Es bedarf offener Räume und Möglichkeiten, in denen auch unangenehme Themen angesprochen und (ggf. mit einer externen Begleitung) diskutiert werden können. Dadurch werden aber auch mögliche blinde Flecken, offene Flanken und schwarze Löcher sichtbar.

All die angesprochenen Maßnahmen kosten Zeit und die schon angesprochenen Ressourcen, die im operativen Führungsalltag kaum vorhanden sind. Hier bedarf es einer Einsicht in die Notwendigkeit, vom Management zur Führung, zum Leadership im Besten Sinne zu kommen um damit als Führungskraft verstärkt an der Organisation und weniger in der Organisation zu arbeiten. Damit rückt Management-Innovation in der Prioritätenliste nach oben.

Management-Innovation stärkt Selbstorganisation

Abschließend ist anzuführen, dass wenn Führungskräfte auch in Organisationen der Sozialwirtschaft damit beginnen, weniger in und mehr an der Organisation sowie an ihrem eigenen Führungsverhalten zu arbeiten, notwendigerweise (Frei-)Räume für die Selbstorganisation innerhalb der Organisationen entstehen. Neben dem, dass sich dadurch das Potential der Mitarbeitenden entfalten kann, besteht die begründete Hoffnung, dass mit der zunehmenden Dynamik und Komplexität aufgrund der gesellschaftlichen Transformationsprozesse auch auf operativer Ebene besser umgegangen werden kann.


Und wie gelingt Dir ganz persönlich Deine Weiterentwicklung als Führungskraft? Mit wem tauscht Du Dich aus? Wie gelingt es Dir, neue Ideen in Dein Führungshandeln einfließen zu lassen? Freue mich auf Kommentare hier und in den sozialen Medien.

Zum Weiterlesen:

In einem vorherigen Beitrag habe ich bereits geschrieben, warum wir dringend „Management-Innovationen in sozialen Organisationen“ brauchen. Diesen Beitrag kannst Du hier lesen. Und hier noch die im Beitrag oben angeführte Literatur:

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