Nach einem Gerichtsurteil schien der Weg für die geplante Biogasanlage im Großbettlinger Gatter frei. Doch nun ist das Projekt nach einer Gesetzesänderung für den Investor Refood nicht mehr profitabel genug.

Nürtingen - Weder naturschutzrechtliche Bedenken noch der Regionalplan konnten die geplante Nürtinger Biogasanlage stoppen. Ausgebremst hat das Projekt jetzt eine Änderung im Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG). Vor rund einem Jahr strich die Bundesregierung den Bonus zur Aufbereitung von Biogas zu Erdgas. Dadurch und angesichts der derzeit niedrigen Energiepreise erscheint das Vorhaben für den Investor Refood momentan nicht wirtschaftlich genug. Deshalb liegt die Biogasanlage nun erst einmal auf Eis.

 

Stadtwerke hätten dennoch investiert

Das Unternehmen unter dem Dach des westfälischen Rethmann-Konzerns wollte gemeinsam mit den Stadtwerken Nürtingen an der Markungsgrenze zu Großbettlingen eine industrielle Anlage zur Vergärung von Speiseresten bauen. Pro Jahr sollten bis zu 45 000 Tonnen Biomasse zu Biogas umgewandelt werden. Vorgesehen war, das aufbereitete Gas in das örtliche Erdgasnetz einzuspeisen. Die Anlage, die 20 Prozent des Erdgasbedarf Nürtingens decken soll, hat ein Investitionsvolumen von 18 Millionen Euro.

Der Stadtwerke-Chef Volkmar Klaußer bedauert die Entscheidung von Refood. Er beurteilt das Vorhaben trotz der veränderten Rahmenbedingungen immer noch als wirtschaftlich. Die Renditevorgaben der Firma Refood wären freilich nicht zu erfüllen, so Volkmar Klaußer. Gemeinsam mit dem Partner sei man so verblieben, die Biogasanlage ruhen zu lassen – in der Hoffnung, dass sich die Rahmenbedingungen wieder verbessern. Das Projekt „totzureden“, so der Refood-Sprecher Marcel Derichs, wäre jedenfalls verfehlt. „Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben“, so formuliert es der SWN-Geschäftsführer Klaußer.

Standort liegt in einem geschützten Grünzug

Die Biogasanlage hatte in den vergangenen Jahren in der Nachbarschaft Nürtingens viel Unmut ausgelöst. Weil sich keine Alternativen anboten, entschied sich Nürtingen für das Großbettlinger Gatter. Die Fläche liegt an der Grenze zur Gemeinde Großbettlingen. Ein erster Standort in einem Wäldchen fiel weg, nachdem dort der geschützte Baumfalke entdeckt worden war. Das Baufeld wurde deshalb aus dem Hain heraus um wenige hundert Meter auf eine Kuppe verlegt.

Weil die anvisierten 2,2 Hektar in einem regionalen Grünzug liegen, lehnte der Verband Region Stuttgart den Standort ab. In einem von der Stadt Nürtingen beantragten Zielabweichungsverfahren erteilte das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch eine Ausnahmegenehmigung. Unter Abwägung der Vor- und Nachteile ist demnach der Bau einer Biogasanlage grundsätzlich möglich, so die Behörde – sofern das Projekt die Hürden im Baugenehmigungsverfahren nimmt. Die Region klagte daraufhin gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums. Anfang 2013 gab das Verwaltungsgericht jedoch der Stuttgarter Behörde Recht. Auf ihrem Weg zum Baugenehmigungsverfahren hat die EEG-Novelle die Biogasanlage jetzt allerdings eingeholt.

Nachbarn in Großbettlingen atmen auf

Die Nachbargemeinde atmet nun erst einmal auf. Die Menschen dort sind gegen die Biogasanlage, weil sie von einer vor ihre Nase gesetzten Biogasanlage Geruchsbelästigungen und eine Beeinträchtigung des Landschaftsbilds befürchten. Der Streit über die Biogasanlage hatte das Verhältnis zwischen Nürtingen und Großbettlingen belastet. „Ich will keine Schadenfreude zum Ausdruck bringen, aber wir sind froh, dass sich die Lage nun so entwickelt hat“, sagt der Großbettlinger Bürgermeister Martin Fritz. Für eine endgültige Entwarnung sei es aber noch zu früh.