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24-Stunden-Kontrolle in Deutschland Das müssen Autofahrer über den Blitz-Marathon wissen

Der 10. Oktober wird als "Tag der Radarfalle" in die Geschichtsbücher eingehen: In einer bislang einmaligen Aktion wird in ganz Deutschland geblitzt. Wo finden die Tempokontrollen statt? Ist das nur Abzocke? Der Überblick.
Geschwindigkeitsmesser: Viel Aufwand beim Blitz-Marathon in Deutschland

Geschwindigkeitsmesser: Viel Aufwand beim Blitz-Marathon in Deutschland

Foto: Patrick Seeger/ picture alliance / dpa

Hamburg - Für die einen ist es die ganz große Abzock-Aktion, für die anderen ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit: Am Donnerstag findet in Deutschland die größte Tempokontrolle statt, seit es Autos gibt - der bundesweite Blitz-Marathon.

Bei einer vergleichbaren Massenüberprüfung in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und den Niederlanden kontrollierte die Polizei im vergangenen Jahr rund 820.000 Autos. Ergebnis: Mehr als 30.000 Autofahrer wurden mit zu hohem Tempo erwischt, 338 drohte ein Fahrverbot. Jetzt wird erstmals an einem Tag im ganzen Land geblitzt.

Das sind die wichtigsten Fragen zur 24-Stunden-Kontrolle:

Wann geht es los?

Startzeit ist Donnerstag, 6 Uhr morgens, und dann wird bis zum Freitag, 6 Uhr morgens, durchkontrolliert. 24 Stunden. Diese Kontrolle betrifft also wirklich alle: Pendler, Pensionäre, Partyfreunde.

Wie groß ist der Aufwand?

Ziemlich groß. Beim ersten bundesweiten Blitz-Marathon sind 14.700 Polizisten im Einsatz, insgesamt wird an mehr als 8500 Stellen kontrolliert. In vielen Ländern beteiligen sich zusätzlich Mitarbeiter von Kommunen an der Großkontrolle.

Wo wird kontrolliert?

Die Geschwindigkeitsüberprüfung findet zeitgleich in ganz Deutschland statt. In einigen Bundesländern entschieden die Bewohner über die Standorte von Radarfallen mit, etwa in Hamburg oder Nordrhein-Westfalen. Tipps für sogenannte Wutpunkte wurden dort bis Anfang der Woche per Mail oder an einer Hotline entgegengenommen.

Geht das auch etwas genauer?

Ja. Die meisten Bundesländer verraten auf offiziellen Webseiten die Standorte der Blitzer. Es ist eine Großkontrolle mit Ansage. Auf diesen Webseiten werden die Kontrollpunkte verraten (einige Bundesländer veröffentlichen die Standorte erst im Laufe des Tages):

Wie teuer wird es, wenn man geblitzt wird?

Eine Geschwindigkeitsübertretung innerhalb einer geschlossenen Ortschaft mit 21 bis 25 km/h kostet beispielsweise 80 Euro, zusätzlich gibt es einen Punkt in Flensburg. Ab 31 km/h über der angegebenen Höchstgeschwindigkeit ist der Führerschein für mindestens einen Monat weg. Wer auf der Landstraße oder Autobahn 41 km/h zu schnell unterwegs ist, riskiert ebenfalls ein Fahrverbot.

Eine Staffelung sämtlicher Strafen finden Sie hier .

Warum die ganze Aktion?

"Wir bringen die Menschen zum Nachdenken. Rasen ist kein Kavaliersdelikt", sagt NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Ziel des Blitz-Marathons sei es, Autofahrer für das Einhalten von Tempolimits zu sensibilisieren. Jäger ist da einer Meinung mit seinem Amtskollegen Lorenz Caffier (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern. Mit der bundesweiten Aktion wird eine Vereinbarung der Innenminister von Bund und Ländern umgesetzt.

Fakt ist, dass überhöhte Geschwindigkeit die Hauptursache für Unfälle ist. Laut Angaben des Deutschen Verkehrssicherheitsrats  (DVR) war 2012 bei der Hälfte der tödlichen Unfälle auf Autobahnen zu schnelles Fahren der Grund, bei den Unglücken auf anderen Straßen lag der Anteil bei 37 Prozent.

Die Zahl der Unfallopfer erreichte in Deutschland mit 3606 Toten im vergangenen Jahr zwar einen Tiefststand, aber nach Ansicht von DVR-Sprecher Sven Rademacher lag das weniger am vorbildlichen Verhalten der Autofahrer, sondern vielmehr an einer günstigen Witterung und an weiterentwickelten Sicherheitsstandards der Fahrzeuge.

Ist eine eintägige Großaktion überhaupt sinnvoll?

Laut NRW-Innenminister Jäger, in dessen Bundesland bereits Blitz-Marathons stattfanden, sprechen die Zahlen dafür. In Dortmund habe sich zum Beispiel seit November 2011 die durchschnittliche Überschreitungshöhe von 14 km/h auf jetzt 10 km/h verringert.

Der DVR ist von dem Konzept ebenfalls überzeugt. "Mit solchen Aktionen werden die Autofahrer auf Tempolimits aufmerksam gemacht", sagt Sven Rademacher. Den Vorwurf der Abzocke will er nicht gelten lassen: "Kontrollen finden ja auch an anderen Tagen statt, Raser können sich eigentlich nie in Sicherheit wiegen. Die Wahrheit ist doch ganz banal - wenn ich mich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halte, kann ich auch nicht abgezockt werden."

Sogar der ADAC, der sonst bei Kontrollen schnell Verrat am Autofahrer wittert, findet den Blitz-Marathon gut. "Das ist eine transparente Sache", sagt ADAC-Sprecher Andreas Hölzel, "die meisten Stellen, an denen geblitzt wird, werden im Vorhinein öffentlich gemacht." Den größten Lerneffekt lässt sich nach Ansicht von Hölzel erzielen, wenn die geblitzten Autofahrer nicht nur ein Knöllchen geschickt bekommen, sondern an Ort und Stelle angehalten und über ihr Vergehen aufgeklärt werden.

Und was sagen die Kritiker?

"Die meisten Autofahrer, die grundsätzlich zu schnell unterwegs sind, denken sich doch: 'Hauptsache, ich überstehe diese 24 Stunden' - und am nächsten Tag rasen sie weiter", glaubt der niedersächsische Landtagsabgeordnete Gerd Will (SPD). Er stand bereits dem ersten Blitz-Marathon in seinem Bundesland skeptisch gegenüber. "Das Problem ist doch", sagt er, "dass zu wenig regelmäßige Kontrollen stattfinden."

Als "pures Medienereignis" bezeichnet der Verkehrsexperte der Universität Duisburg, Michael Schreckenberg, den Blitz-Marathon. "Da schleichen die Autofahrer halt mal einen Tag lang", sagt er, "ein nachhaltiger Effekt wird damit nicht erzielt". Um die Straßen sicherer zu machen, müssen die Menschen seiner Ansicht nach direkter mit den Gefahren von überhöhter Geschwindigkeit konfrontiert werden.

"Es geht ja nicht nur um die Überschreitung von Tempolimits", sagt er: "Die Leute müssen kapieren, dass sie ihre Fähigkeiten am Steuer überschätzen und hinter jeder Kurve plötzlich ein Hindernis warten kann." Schreckenberg fordert deshalb mehr Kampagnen an den Schulen, "dort, wo die Fahrer der Zukunft sitzen", und wünscht sich Anreize für Fortbildungen. "Wer ein Seminar zur Verkehrssicherheit besucht, sollte zum Beispiel mit Preisnachlässen bei der Kfz-Versicherung belohnt werden."