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Hamburg

Missbrauchsverdacht in Kita

Immer mehr Eltern in Schnelsen erstatten Anzeige gegen den Erzieher Stefan H. In der Vergangenheit soll es mehrere Beschwerden gegeben haben

Große Sorgen an der kirchlichen Kindertagesstätte in Hamburg-Schnelsen: Ein Mann, der an der Kita am Kriegerdankweg zwei Jahre als Erzieher arbeitete, hat dort möglicherweise mehrere Kinder sexuell missbraucht. Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg sind mittlerweile elf Anzeigen von Eltern eingegangen. Das bestätigte die Polizei der "Welt". "Die betroffenen Kinder werden derzeit angehört", sagte Sprecherin Karina Sadowsky.

Der Erzieher Stefan H. war zwischen 2011 und Anfang 2013 in der Kita in Schnelsen angestellt. Im Februar wechselte der 29-Jährige in die evangelische Kindertagesstätte Glashütte nach Norderstedt und jobbte nebenbei auch als Babysitter. Doch dann entdeckte die Mutter eines vier Jahre alten Mädchens Anzeichen auf einen Missbrauch bei ihrer Tochter. Sie erstattete Anzeige gegen Stefan H. - nur wenige Stunden später wurde er fristlos entlassen. Am 27. Februar durchsuchte die Kriminalpolizei die Wohnung des Erziehers. Handy und PC wurden beschlagnahmt. Der beschuldigte Stefan H. hält sich derzeit bei seinen Eltern auf.

Die Eltern an den kirchlichen Kindergärten wurden umgehend über den Vorfall informiert. Zudem veranstaltete der Kirchenkreis Hamburg West/Südholstein drei Elternabende, um über Beratungsangebote zu informieren. Die Stimmung unter den Eltern ist trotz aller Bemühungen zu Offenheit und Transparenz angespannt. Mehrere Mütter sollen sich bereits in der Vergangenheit über Stefan H. beschwert haben. "Die Eltern sind verunsichert. Eltern und Mitarbeitende fragen sich, warum sie nicht kritischer und genauer hingeguckt haben", sagt Monika Rulfs, Sprecherin des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein.

Der mutmaßliche Täter ging offenbar sehr unauffällig vor. Niemand habe Verdacht geschöpft. "Er war ein ruhiger Mann mit einer sympathischen Ausstrahlung", sagt Uwe Büth, Geschäftsführer des Kita-Werks Niendorf-Norderstedt.

Hinter dem Auftreten von Stefan H. steckte vermutlich eine Strategie. "In Fällen von sexuellem Missbrauch sind die Täter in der Regel nicht unsympathisch. Auf den ersten Blick haben sie ein gutes Händchen für Kinder", sagt Christina Okeke vom Hamburger Verein Zündfunke, der Eltern und Kinder in Missbrauchsfällen berät. Auf den zweiten Blick würden sich die Ebenen aber schnell verwischen. Etwa dann, wenn der Täter in die Rolle des Kumpeltyps schlüpfe.

In der Schnelsener Kita, in der 80 Kinder betreut werden, gehen die Verantwortlichen von mehreren Taten aus. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch Kinder betroffen sind, die nicht zur Gruppe des Erziehers gehörten", sagt Monika Rulfs. "Wir ermutigen die Eltern, mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten." Verdachtsfälle sollten gemeldet werden. Die Ermittlungen in Hamburg führen derzeit das Landeskriminalamt sowie die Hamburger Staatsanwaltschaft.

Die Ermittlungen zu möglichen Vorfällen in der Kita Glashütte (100 betreute Kinder) führt die Staatsanwaltschaft Kiel. "Wir ermitteln zügig, werden zum Schutz der Kinder aber keine Einzelheiten mitteilen", sagt Manfred Schulze-Ziffer, Sprecher der Kieler Staatsanwaltschaft. Ermittlungen seien in solchen Fällen schwierig. "Wenn Kinder als Zeugen vernommen werden, kann es aufgrund des Erinnerungsvermögens immer zu Problemen kommen." In manchen Fällen könne es zudem vorkommen, dass traumatisierte Kinder nicht als Zeugen aussagen können. Zeigt sich der Täter geständig, verzichte die Staatsanwaltschaft dann auf die Anhörung der Opfer.

Die Verantwortlichen in Norderstedt gehen aber nicht davon aus, dass es zu Missbrauchsfällen kam. Dennoch müssen die Kinder auf Drängen einer Mutter derzeit in langer Sportkleidung am Turnen teilnehmen. Weitere Präventionsmaßnahmen sind geplant.

Beim Beratungsverein Zündfunke sind solche Maßnahmen nicht gerne gesehen. "Wenn das Kind die Aufgeregtheit der Erwachsenen spürt, kann es nicht offen über das Geschehene sprechen", erklärt Christina Okeke.

Gemeinsam mit dem Kita-Werk macht Zündfunke den Eltern Angebote, Verunsicherungen zu thematisieren und zu reflektieren. Schnellschüsse bei den Maßnahmen zur Prävention soll es nicht geben. "Wer zu schnell reagiert, macht oft das Falsche", sagt Beraterin Okeke. Wichtig sei es, die Eltern umfassend zu informieren. "Die Verunsicherung der Eltern ist unsere größte Herausforderung", sagt Christina Okeke. "Je besser die Eltern informiert sind, umso genauer können sie in Missbrauchsfällen hinschauen."

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