Mafia wäscht ihre Milliarden mithilfe von Windparks

Europol warnt: Die italienische Mafia investiert im großen Stil in Ökostrom-Anlagen – vor allem, um ihre Milliarden zu waschen. Sie hat dabei einen unschlagbaren Vorteil gegenüber ehrlichen Anbietern.
Die italienische Mafia tritt heute im Gewand des seriösen Geschäftsmanns auf. Vito Nacastri, 57, gelernter Elektriker aus dem Ort Alcamo im Westen Siziliens, mauserte sich über die vergangenen Jahre zu einem der führenden Wind- und Solarkraft-Unternehmer in Italien. Die Presse verpasste ihm schon den Spitznamen „Herr des Windes“.
Im April aber war Nacastri sein Imperium sehr plötzlich los. Seinen rasanten Aufstieg soll er nicht aus eigener Kraft geschafft haben, sondern mithilfe der organisierten Kriminalität, vermutet die italienische Polizei. Daraus schließt sie: Die Mafia hat Wind- und Sonnenstrom als Geschäftsfeld entdeckt.
Die Polizei beschlagnahmte bei Nacastri Vermögenswerte in Höhe von stolzen 1,3 Milliarden Euro. Dabei handelte es sich um Anteile an 43 Firmen, 98 Immobilien, sieben Fahrzeuge sowie 66 Finanzbeteiligungen.
Die Behörden werfen ihm vor, Beziehungen zur Cosa Nostra in Catania, Messina und Palermo zu pflegen. Auch mit der ‘Ndrangheta in Kalabrien soll er in Kontakt gestanden haben. Nacastri, das Zentrum des mafiösen Wind-Geschäfts: „Nacastri scheint die Hauptperson im Betrug mit Windfarmen in Italien zu sein“, sagt ein Ermittler.
Green Economy ist Boomsektor
Green Economy, das Geschäft mit der sauberen Energie, ist eine der neuen vielversprechenden Tummelplätze für schmutziges Geld. Die Mafia aus Sizilien, die kalabrische ’Ndrangheta, die Camorra aus Neapel und verschiedene Clans aus Apulien: Sie alle suchen nach Wegen, um ihre illegal erworbenen Milliarden reinzuwaschen und sogar noch zu mehren.
Wind und Sonne sind aus Schurkensicht aus mehreren Gründen geradezu ideal. Während die italienische Wirtschaft auch auf dem Bau lahmt, einem klassischen Tummelplatz der Clans, so sind die erneuerbaren Energien ein Boomsektor.
Dafür sorgen auch üppige staatliche Fördermittel: Bis 2020 sollen in Italien nach Regierungsplänen jährlich 900 Millionen Euro an Subventionen fließen.
Die Förderung soll dem Land nicht nur neue Energiequellen erschließen, sondern auch Jobs schaffen. Doch die finanziellen Anreize locken nicht nur Unternehmer mit weißer Weste an, sondern auch Mafiaclans.
„Heimtückische Bedrohung“
Europas Polizei schlägt deswegen Alarm. Es gebe vermehrt Hinweise darauf, dass sich die organisierte Kriminalität Italiens im Feld der erneuerbaren Energien tummele, schreibt die Polizeibehörde Europol in einem Lagebericht zu Italien an das EU-Parlament. Unter anderem gehe es dabei um Windfarmen.
„Solche Projekte bieten attraktive Chancen, um von großzügigen staatlichen und europäischen Subventionen sowie Steuervergünstigungen zu profitieren. Abgesehen von der Aussicht auf finanzielle Gewinne sind solche Projekte geeignet, um kriminelles Geld über legale Firmenstrukturen zu waschen.“
Und die Windkraft lockt nicht nur in Italien mit Subventionen, sondern auch hierzulande: „Es gibt Verbindungen nach Deutschland in Bezug auf Windparkprojekte. Wie sie im Detail aussehen, ist noch nicht gesichert“, sagt die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier zu dem Bericht.
Nacastri selbst wurde aus dem Verkehr gezogen, bevor er Strom aus seinen Parks verkaufen konnte, und er investierte nach Erkenntnissen der italienischen Polizei nur in Italien. Dennoch:
Die italienischen Mafiaclans stellten eine „heimtückische Bedrohung“ für ganz Europa dar, warnt Europol: „Die Aktivitäten mögen im Vergleich zu anderen kriminellen Gruppierungen weniger sichtbar sein. Aber das Bild an Informationen, das sich auf Basis unseres Netzwerks an Kontakten in Europa ergibt, ist klar.“ Abseits ihrer Heimat setzten die Clans alles daran, nicht aufzufallen.
Grundstücke, Restaurants, Hotels
Es ist auch ein Phänomen der Krise, dass die Mafiaclans es derzeit leicht haben. Viele Unternehmen in Europa, und besonders in Südeuropa, stecken aufgrund der Schuldenkrise und der angespannten Kreditversorgung durch Banken in akuter Liquiditätsnot.
Die organisierte Kriminalität hingegen weiß gar nicht, wo sie ihr vieles Geld anlegen soll. Die Mafia, die ‘Ndrangheta und die Camorra verdienen dank des Handels mit Kokain, Schutzgelderpressung und dem Verkauf von gefälschten Markenprodukten Milliarden. Deswegen expandieren sie zunehmend auch in die Realwirtschaft.
Denn sie sind mit dem Problem konfrontiert, die gewaltigen Summen wieder verdeckt in den Wirtschaftskreislauf zu schleusen. Um die Herkunft des Geldes und die Identität des eigentlichen Nutznießers zu verschleiern, nutzen sie verschachtelte Strukturen.
„Die Mafia kann nur dort investieren, wo Transparenz schwer zu erreichen ist, wo man Firmen leicht verschachteln kann“, sagt Hohlmeier. „Wir müssen endlich nachvollziehbar machen, woher das Geld kommt, wie es verdient wird.“
Die Clans aber erwerben weiter Immobilien, Grundstücke, Restaurants, Hotels und Finanzbeteiligungen. Über Bestechung von Entscheidungsträgern sichern sie sich die Zuschläge in öffentlichen Ausschreibungen. Gegenüber der ehrlichen Konkurrenz haben die Mafiaclans erhebliche Vorteile: Dank ihrer Rücklagen können sie auch einmal Verluste ausgleichen – und so dank tiefer Preise Wettbewerber einfach aus dem Feld drängen.