Kommentar

Die Energie-Lobbyisten haben gewonnen

Das deutlich angenommene Energiegesetz macht das Energiesystem der Schweiz teurer, weniger versorgungssicher und auch nicht umweltfreundlicher. Die Lobbyisten haben ganze Arbeit geleistet.

Giorgio V. Müller
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Bezüglich Energiestrategie steht manches noch in den Wolken. (Bild: Christian Beutler / Keystone)

Bezüglich Energiestrategie steht manches noch in den Wolken. (Bild: Christian Beutler / Keystone)

Damit musste man rechnen: Bei der Energievorlage sind die Schweizer Stimmbürger und Stimmbürgerinnen den raffinierten Schalmeienklängen der breit abgestützten Phalanx der Profiteure erlegen. Das Energiegesetz ist mit deutlicher Mehrheit angenommen worden. Die Politik interpretiert den Entscheid als Bestätigung ihrer eingeschlagenen «Energiestrategie 2050». Und die Befürworter wiegen sich in der vermeintlichen Genugtuung, sie hätten den Weg zu einem umweltfreundlicheren Energiesystem geebnet und gleichzeitig noch einen Schlussstrich unter das leidige Kapitel Atomkraft gezogen. Die Vorlage hätte die demokratische Legitimierung der Energiestrategie der Schweiz sein können – sie ist es nicht.

Energiegesetz

58,2%
VolkJa
ja
Nein × 949 106
1 321 783 × Ja
0
30
40
50
60
70100
26/26 Kantone ausgezählt
sortieren
Aargau
48,2% Ja
nein
Appenzell A. Rh.
53,8% Ja
ja
Appenzell I. Rh.
56,0% Ja
ja
Basel-Landschaft
53,4% Ja
ja
Basel-Stadt
63,4% Ja
ja
Bern
55,5% Ja
ja
Fribourg
63,2% Ja
ja
Genf
72,5% Ja
ja
Glarus
43,7% Ja
nein
Graubünden
58,7% Ja
ja
Jura
62,7% Ja
ja
Luzern
58,5% Ja
ja
Neuenburg
69,6% Ja
ja
Nidwalden
50,6% Ja
ja
Obwalden
49,8% Ja
nein
Schaffhausen
51,2% Ja
ja
Schwyz
44,2% Ja
nein
Solothurn
50,6% Ja
ja
St. Gallen
52,2% Ja
ja
Tessin
56,7% Ja
ja
Thurgau
51,4% Ja
ja
Uri
51,7% Ja
ja
Waadt
73,5% Ja
ja
Wallis
63,4% Ja
ja
Zug
53,8% Ja
ja
Zürich
58,8% Ja
ja
Quellen:  Kantone, BFS

Die Realität sieht leider anders aus. Ein Ja zum Energiegesetz ist keine vollumfängliche Zustimmung zur «Energiestrategie 2050» des Bundesrates. Mit dem Energiegesetz wird die bundesrätliche Strategie nicht gelingen, denn die heiklen, aber entscheidenden Punkte werden nicht angesprochen, geschweige denn geregelt. Es ist zwar vernünftig, ein Generationenprojekt wie eine nationale Energiestrategie in Etappen anzugehen. Denn nach jedem Teilschritt muss die Ausgangslage neu beurteilt werden, haben sich doch bis dann die entscheidenden Rahmenbedingungen verändert.

Das neue Energiegesetz wurde als erster Teil der «Energiestrategie 2050» verkauft. Das ist Schönfärberei, denn damit wurden lediglich die Annehmlichkeiten definiert. Nun werden die einzelnen Fördermittel ausgebaut und das Heer der Profiteure verbreitert. In Umkehrung des Sprichworts «Erst die Arbeit, dann das Vergnügen» werden zuerst Präsente nach links und rechts verteilt, deren Kosten erst später beglichen werden müssen. Geschickt wurde bei den milden Gaben auch an die Kreise gedacht, die sich traditionell nicht für marktverzerrende und verschwenderische Subventionen starkmachen, damit sie gegen dieses üble Spiel nicht aufmucken. Das Verhalten der sich liberal gebenden Organisationen wie des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse und der FDP war von der Angst vor einer erneuten Abstimmungsvorlage getrieben; taktisch klug, in der Sache aber verheerend.

Das neue Energiegesetz ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, in der Schweiz aus der Energie- eine zweite Landwirtschaftspolitik zu machen. So wie unser Regime die Schweizer Bauern nicht fit für den Wettbewerb, sondern zu Experten für Fördermittel gemacht hat, so wird die eingeschlagene Energiepolitik auch die restlichen privaten Exponenten im Energiesektor nur zu besseren Subventionsjägern machen. Das könnte ja noch toleriert werden, wenn dadurch wenigstens die überlagerten Ziele erreicht würden. Doch die Energiezukunft der Schweiz ist an diesem Sonntag nicht nur teurer, sondern auch weniger sicher in Sachen Versorgung und nicht einmal umweltfreundlicher geworden. Alles andere, als selbst die Befürworter der Abstimmungsvorlage wollten.

Ja zum Energiegesetz – Und jetzt?

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