Hooligan-Krawalle in Köln : Muskelspiel der rechten Fußballszene
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„Wir brauchen eine Bewegung, die radikal ist“, brüllt ein Hooligan Bild: Reuters
Die alten Hools sind zufrieden, SS-Siggi grinst, die Behörden haben sich sträflich verschätzt: Köln erlebt den größten und aggressivsten Aufmarsch seit Jahren.
Am Ende der Krawalle von Köln steht die Erkenntnis, dass die Sicherheitsbehörden das rechtsextreme Potential unter den gewaltgeneigten Fußballanhängern in Deutschland sträflich unterschätzt haben. Und dass die schon tot geglaubte Szene der Hooligans noch immer lebendig ist. Die Leute, die zumindest den gewalttätigen Teil des Geschehens im Fußball dominierten, bevor die wesentlich jüngere Ultra-Bewegung die Stadionränge besetzt hat.
Einer der Veteranen, der schon vor 30 Jahren „Ausländer raus gebrüllt“ haben, ist SS-Siggi: Der alternde Vorkämpfer der rechtsextremen Borussenfront grinste in Köln über das gesamte von künstlicher Sonne gegerbte Gesicht, auch Patrick Wieschke, der Landesvorsitzende der NPD in Thüringen, ist mit dem Auftritt der meisten unter den 4800 rechten Hooligans in Köln sichtlich zufrieden, die sich hinter der Internetinitiative „Hooligans gegen Salafisten“ zu einer Demonstration in Köln versammelt hatten.
Am Ende des Tages spiegelte sich der Breslauer Platz in den Wassermassen, mit denen es der Polizei schließlich noch gelungen war, die Gewalt des späten Nachmittags zu ertränken. „Na klar sind das alles Rechte hier, und die meisten von denen sind mit der Absicht hierher gekommen, sich zu zeigen, die haben Bock auf Gewalt“, sagte Wieschke eine Stunde zuvor im Angesicht eines Wasserwerfers bei der nassen Arbeit. Er stand in einer Häuserecke, blickte genüsslich auf die Eskalation, zog an einer Zigarette, und schob dann hinterher: „Aber ich bin aus politischen Gründen hier.“
Mit dem Auto aus Thüringen, ein paar Hools von Rot-Weiß Erfurt im Schlepptau, zwei versprengte Fans von Viktoria Frankfurt/Oder, und dann hatten sie zu der großen Gruppe aus Dortmund aufgeschlossen, die mit einer wehenden schwarz-gelben BVB-Fahne vor vier Stunden zum Platz hinter dem Hauptbahnhof gezogen war. Der hüftsteife, 61 Jahre alte SS-Siggi voran, der eigentlich Siegfried Borchardt heißt. Und dazu die übrigen jungen Funktionäre und Anhänger der nationalsozialistisch eingefärbten Bewegungspartei „Die Rechte“, die ihre Hochburg hier in Nordrhein-Westfalen hat.
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„Frei sozial und national“ skandierten sie, andere brüllten aus heiseren Kehlen schließlich „Ausländer raus.“ Aber das erst später. Denn eigentlich wollten sich die Teilnehmer dieser Demonstration gar nicht als Rechtsextremisten zu erkennen geben. Deshalb wedelten sie zu Beginn noch mit einigen schwarz-rot-goldenen Fahnen der von ihnen verhassten Bundesrepublik und schickten über die mobile Boxenanlage der Organisatoren eine Botschaft an die reichlich versammelten Journalisten: „Liebe deutsche Presse, nicht alle, die hier stehen, gehören dem rechten Rand an.“
Wieschke wusste, dass es eine Lüge war, SS-Siggi wusste es, inzwischen hatte es auch die Polizei verstanden, die das Areal weiträumig mit 1000 Beamten und schwerem Gerät schützte. Die rechtsmotivierten Hooligans waren von überall her gekommen, gleichwohl die meisten aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, aber auch aus Norddeutschland: vom Bodensee, von der rechtslastigen Hooligangruppe „Rotfront“ aus Kaiserslautern, Hools aus Mannheim, Pforzheim, Essen, Düsseldorf, Duisburg, Oldenburg, Bremen, Gelsenkirchen und Dortmund.
„Wir brauchen eine Bewegung, die radikal ist. Die Leute, die Spiegel und Bild lesen, haben die letzten 50 Jahre ihre Chance gehabt“, brüllte jetzt ein Hooligan aus Hamburg ins Mikro auf der improvisierten Bühne, vor der sich die – angesichts der großen Masse – euphorisierten Hooligans drängten. Das gefiel SS-Siggi, der mit Wonne applaudierte. Auch „Kategorie C“ war da; die Bremer Hooliganband hatte für diese neu gegründete Bewegung eigens einen Song getextet, und der geht so: „Heute schächten sie Schafe und Rinder, morgen vielleicht schon Christenkinder.“
Jubel brandete auf. Dann setzte sich die Masse in Bewegung, bildete einen Zug durch die Kölner Innenstadt, der nur ein paar hundert Meter weit kam. Auf der Turiner Straße flogen die ersten Flaschen aus der Menge auf Polizisten, das Echo von Böllern verfing sich in den Häuserschluchten, auch Journalisten wurden angegriffen, „Lügenpresse auf die Fresse!“. Der Krawall nahm seinen Lauf.
Der Sprecher der Kölner Polizei stand später neben einem von Hooligans umgekippten Mannschaftswagen und musste einräumen, dass man vor allem die Zahl der Hooligans deutlich unterschätzt habe. 1000, maximal 1500 habe man erwartet. Landes-Innenminister Ralf Jäger bestritt dies aber tags darauf im ZDF-Morgenmagazin. Man habe mit 4000 Teilnehmern gerechnet.
Noch vor wenigen Tage hatte Polizeisprecher Christoph Gilles auf Anfrage gesagt, dass er die Einschätzung der Kölner Antifa für völlig übertrieben halte: Dort war davon die Rede gewesen, dass dies hier möglicherweise zum größten rechtsextremen Aufmarsch werden könnte, den Westdeutschland seit Jahren erlebt hat. Sie sollte Recht behalten. „Die Teilnehmer der HoGeSa-Demonstration haben sich ausgesprochen aggressiv und gewaltbereit präsentiert“, resümierte Gilles schließlich, und die Polizei habe erkannt, dass hier „ganz eindeutig rechtsextremistische Strukturen erkennbar waren“.
Erst zu Monatsbeginn hatte die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei in Nordrhein-Westfalen eine Zahl zum „rechtsmotivierten Potenzial der gewaltbereiten Szene beider Bundesligen“ veröffentlicht: „Nach dieser Auswertung sind zirka 400 Personen (zirka 3,3 Prozent) der bundesweit erfassten ‚Gewalttäter Sport‘ dem rechtsmotivierten Bereich zuzurechnen“, heißt es in dem Jahresbericht der ZIS zur abgelaufenen Bundesligasaison 2013/2014.
Dass diese Einschätzung grundsätzlich falsch ist, wird der Polizei seit Sonntag klar sein. „Die 400 rechtsmotivierten gewaltgeneigten Fußballanhänger, von der die ZIS in ihrem Jahresbericht für ganz Deutschland spricht, gibt es schon alleine hier in Nordrhein-Westfalen“, sagt Claudia Luzar. Für die Konfliktforscherin der Fachhochschule Dortmund war Köln „eine regelrechte Machtdemonstration der rechten Fußballszene“.