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Krise in Schleswig-Holstein Carstensen gesteht unwahre Angaben über Boni

Der Druck auf Schleswig-Holsteins Regierungschef Carstensen wächst: Der CDU-Politiker hat einen SPIEGEL-Bericht bestätigt, unwahre Angaben zu den umstrittenen Millionenzahlungen an den HSH-Chef gemacht zu haben. Der Ministerpräsident erwägt jetzt, im Landtag die Vertrauensfrage zu stellen.

Kiel - Eine Lüge nennt er es nicht - doch dass seine Angaben nicht der Wahrheit entsprochen haben, hat Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) jetzt erstmals eingestanden. Damit bestätigt er einen Bericht des SPIEGEL. Im Zusammenhang mit der umstrittenen Sonderzahlung an HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher hat Carstensen eingeräumt, er sei möglicherweise über eine Formulierung in dem Brief an Parlamentspräsident Martin Kayenburg (CDU) "ein bisschen flott hinweggegangen", sagte Carstensen am Sonntag in Kiel.

Ministerpräsident Carstensen: "Ein bisschen flott"

Ministerpräsident Carstensen: "Ein bisschen flott"

Foto: CHRISTIAN CHARISIUS/ REUTERS

In dem Brief hieß es, der Präsidialausschuss der Bank habe die Boni in Höhe von 2,9 Millionen Euro "mit vorherigem Einverständnis der Spitzen der Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein" sowie den Spitzen der Regierungsfraktionen beschlossen. Carstensen sagte, er sei jedoch von Zustimmung der Fraktionsspitzen ausgegangen, weil er keine anderslautenden Signale gehabt habe.

Zugleich erhöhte Carstensen einen Tag vor der Abstimmung des Kieler Landtags über ein Vorziehen der Wahl den Druck auf die Sozialdemokraten: "Die SPD hat am Montag die Entscheidung." Alle anderen Entscheidungen lägen nicht mehr in der Hand des bisherigen Koalitionspartners.

Für den Fall, dass sich bei der Abstimmung keine Mehrheit für Neuwahlen findet, erwägt Carstensen offenbar entgegen erster Äußerungen doch, die Vertrauensfrage zu stellen. Wenn die Selbstauflösung des Landtages scheitern sollte, sehe er sich zu diesem Schritt gezwungen, sagte Carstensen dem "Deutschlandradio". Er betrachte sein Vorgehen nicht als fingiert, betonte der CDU-Politiker. Einen größeren Vertrauensentzug als die Rücktrittsforderungen der SPD könne es nicht geben.

SPD-Landeschef Ralf Stegner schloss eine Zustimmung zur Selbstauflösung des Landtages bei der Sitzung am Montag aus. Er will Carstensen zwingen, die Vertrauensfrage zu stellen. Einer Umfrage zufolge können CDU und FDP bei Neuwahlen derzeit auf eine Mehrheit hoffen.

Stegner griff Carstensen scharf wegen der HSH-Boni an. "Man weiß gar nicht, was man merkwürdiger finden soll: dass jemand dem Parlament die Unwahrheit sagt, oder aber dass er behauptet hat, dass er den Brief nicht richtig gelesen hat, der etwas mehr als eine Seite lang war", sagte Stegner der "Berliner Morgenpost. "Jemand, der die Koalition gesprengt und das Parlament belogen hat, sollte nicht daran denken, den Landtag aufzulösen, sondern der sollte eher zurücktreten", polterte der Chef des Landes-SPD.

SPD und CDU weisen sich gegenseitig die Schuld am Scheitern ihres Regierungsbündnisses zu. Stegner sagte der "Welt am Sonntag", das Parlament müsse sich nicht auflösen, es habe ordentliche Arbeit gemacht: "Der Ministerpräsident ist gescheitert, soll er doch zurücktreten." SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte im ZDF, Carstensen wolle aus taktischen Gründen gleichzeitig mit der Bundestagswahl abstimmen lassen. Es gebe aber keinen Grund für die CDU, "mitten im Galopp aus der Kutsche auszusteigen."

Der ordentliche Wahltermin ist der 9. Mai 2010. Nach einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR sprechen sich jedoch mehr als die Hälfte der Bürger für vorgezogene Neuwahlen aus. Würde sofort gewählt, käme die CDU auf 36 Prozent der Stimmen - 4,2 Punkte weniger als bei der Wahl 2005. Die FDP klettert dagegen um 8,4 Punkte auf 15 Prozent. Zusammen reicht das für eine Mehrheit im Landtag. Die SPD würde von 38,7 auf 24 Prozent abrutschen.

Der ehemalige Landeswirtschaftsminister Werner Marnette warf Carstensen vor, die Wähler durch Neuwahlen über die Risiken bei der HSH Nordbank hinwegtäuschen zu wollen. Die Wahrheit über die HSH Nordbank werde bis nach der Wahl zurückgehalten, sagte er SPIEGEL ONLINE.

beb/ddp/Reuters