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Verfassungsänderungen in Bayern: „Populismus und Symbolik“
Bayerns Bürger sollen bei den Landtagswahlen im September gleich fünf Verfassungsänderungen absegnen. Nötig sei keine davon, findet der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter.
Wenn sich die Bayern am 15. September in die Wahlkabinen begeben, haben sie nicht nur über den künftigen Landtag und die Bezirkstage zu bestimmen. Sie sollen auch, wenn sie schon mal da sind, diverse Verfassungsänderungen absegnen. Insgesamt sind es gleich fünf an der Zahl, und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezeichnet sie allesamt als „überaus wichtig“. Die Änderungen, so tönt er, gehörten „zu den bedeutendsten in der jüngeren bayerischen Geschichte“. Mit ihnen wolle man "klare politische Signale setzen" und nichts weniger als "Bayerns Zukunftsfähigkeit sichern".
Tatsächlich sind Verfassungsänderungen im Freistaat ohne Plebiszit nicht möglich. Doch man kann nicht behaupten, dass sich bisher jemand groß dafür interessieren würde. Das Vorhaben befinde sich „außerhalb der emotionalen und intellektuellen Reichweite der bayerischen Bevölkerung“, sagt der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. Aus seiner Sicht ist das weder verwunderlich noch schlimm. Im Gegenteil: Anzusiedeln sei die Aktion ohnehin bloß „im Bereich von Populismus und Symbolik“. Inhaltlich sei nichts an den Ergänzungen strittig, man benötige sie aber auch nicht. Und gemessen an der Würde der Verfassung könne man „sich über den ganzen Vorgang nur wundern“.
Bei sämtlichen neuen Passagen handelt es sich um Banalitäten und Selbstverständlichkeiten. „Staat und Gemeinden fördern den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl“, heißt eine davon. Eine andere hält fest, dass der Staat den Gemeinden „im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit eine angemessene Finanzausstattung“ gewährleistet. Dann soll festgelegt werden, dass der Staat „gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern“ zu fördern und zu sichern habe. Als ob die Schuldenbremse im Grundgesetz nicht genügt, soll sie nun auch in der Verfassung des Freistaats verankert werden. Und schließlich wollen die Politiker auch noch festgeschrieben haben, dass die Staatsregierung den Landtag über EU-Angelegenheiten unterrichten muss und wenn dadurch das Gesetzgebungsrecht betroffen ist, die Stellungnahmen der Volksvertreter „maßgeblich zu berücksichtigen“ hat.
Auf den Weg gebracht haben diese grundstürzenden Dinge alle Landtagsfraktionen mit Ausnahme der Grünen. Natürlich teile man die Zielsetzungen, beeilt sich deren Landesvorsitzender Dieter Janecek zu versichern. Aber es ergebe keinen Sinn, damit die Verfassung zu belasten. Gleiche Chancen im Land etwa sollten das Ziel jeder Politik sein. Es nütze nichts, bloß Absichtserklärungen in die Verfassung zu schreiben, sagt die Grünen- Spitzenkandidatin Margarete Bause. Man müsse die Dinge auch umsetzen. Politikwissenschaftler Oberreuter sieht das ähnlich. „Das Ehrenamt kann ich auch würdigen, ohne dass es in der Verfassung steht“, sagt er. Allerdings neige die Politik auch im Bund dazu, „allem Möglichen Verfassungsrang zu geben“. Dadurch würden die Texte „immer länger und immer mehr zum Dickicht“. Angesichts von derart ausgeweiteten "Verfassungs-Katalogen" stelle sich inzwischen oft schon die Frage, ob das, was nicht drinsteht, keinen Respekt verdient".
Bayerns SPD-Spitzenkandidat Christian Ude sieht die Verfassungsänderungen ebenfalls distanziert - obwohl die Landtags-SPD ihnen zugestimmt hat. Das meiste davon, sagt er, sei "nur deklamatorisch, da es ohnehin schon gilt oder nicht einklagbar ist". Und das Wichtigste an der Sache sei für ihn ohnehin, dass es nicht zur Abstimmung über eine sechste Verfassungsänderung kommt. Beim Aschermittwoch vor zwei Jahren hatte Ministerpräsident Horst Seehofer nämlich noch eine weitere Passage angekündigt, wonach sich künftig alle Migranten "zu unserer Werteordnung zu bekennen und als erstes die deutsche Sprache zu lernen" hätten. Davon sei die CSU nach dem Bekanntwerden der NSU-Morde aber erfreulicherweise wieder abgerückt.
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