1. Nachrichten
  2. Unterhaltung
  3. Kino & TV
  4. FOCUS-Fernsehclub
  5. „Die Armutsindustrie“: Arbeitslos? Und hopsasa!

„Die Armutsindustrie“: Arbeitslos? Und hopsasa!
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
ARD-exclusiv
WDR Früher war René T. Feinblechner bei Porsche. Nun stellt er Trampoline für den deutschen Markt her.
  • FOCUS-online-Autor

Deutschland macht Freudensprünge: Mit Trampolinen und Puzzle-Arbeiten bastelt sich die Politik ihre Statistik schön.

Es ist Wirtschaftskrise, und Deutschland macht juchzend Luftsprünge. Hopsasa! So geht’s rauf und runter und rauf und runter. Und rauf: Zumindest für jene Firma aus Stuttgart-Feuerbach, die Trampoline herstellt. „Qualität – made in Germany“ steht auf den Produkten. Und weil sich schwäbische Qualität besser verkauft als chinesische hat der smarte Unternehmer die Produktion zurückverlagert aus Fernost nach Nahschwaben. Schön ist das. Eine Erfolgsgeschichte aus deutschen Landen. Leider nur für den Unternehmer.

Auf chinesischem Lohn-Niveau


„ARD-exclusiv“ ordnet diese Heimkehr-Geschichte ein in den Beitrag „Die Armutsindustrie“. Denn der Herr Unternehmer mit dem Trampolin trampelt herum auf den Arbeitslosen des Landes. 50 Ein-Euro-Jobber ermöglichen es der Firma, hierzulande auf chinesischem Lohn-Niveau zu produzieren. „Aus dem Mangel an Arbeit“, so stellt der öffentlich-rechtliche Wirtschaftsbericht fest, „ist ein Geschäft geworden“.

Das Beschäftigungs-Los


Es ist ein Geschäft, das Arbeitslose einem Härtetest unterzieht. Sie werden getestet, wie viel Frustration, welches Maß an Langeweile, was an Sinnlosigkeit sie ertragen können. Aus Arbeitslosen gesetzten Alters werden urplötzlich Lehrlinge. Da schickt die Agentur für Arbeit den 51 Jahre alten Berufskraftfahrer zum Praktikum, um „Erfahrung“ zu sammeln. Sein eigentliches Problem, dass er nie schreiben gelernt hat, bleibt ungelöst. Der Kraftfahrer mit 27 Jahren Berufserfahrung, er lernt Kartons zu packen.

Selbstverständlich kann es sinnvoll sein, Langzeitarbeitslose wieder heranzuführen an einen Alltag, der lästigerweise mit Aufstehen beginnt. Und es klingt ja auch ganz plausibel, wenn der Herr der Praktikanten über den Lernerfolg des Praktikums philosophiert. „Kartons packen“, befindet dann der Chef, „ist nicht so einfach“. Auf die schlichte Nachfrage des ARD-Teams, wer vor den Praktikanten diese lehrreiche Tätigkeit ausgeführt habe, muss der Unternehmer erst ein klein wenig nachdenken. Dann fällt ihm die Antwort ein: Vor den Arbeitslosen hat ein Team fester Mitarbeiter die Kartons gepackt.

Pillen gegen „Pillepalle“

Pillen gegen „Pillepalle“
FOCUS Online

Sehr schön fängt das ARD-Team solche Schweigepausen ein, die zeigen, wie schwer es ist, Sinnleere mit Sinnsprüchen zu füllen. Denn Gründe zum Schweigen gibt es genug. Etwa bei des Landes größter Beschäftigungsgesellschaft „Neue Arbeit“. Die lässt – gemeinnützig – nicht nur Trampolins bauen. Da wird in Holz gemacht und in Metall, wird gewaschen und gebügelt. Da wird geputzt. Und es wird gepuzzelt.

Die Dekra lässt Arbeitslose gebrauchtes Spielzeug überprüfen und reparieren. Im zehntägigen Wett-Puzzeln quälen sich die Übergangbeschäftigen. Nur um am Ende festzustellen, dass zwei, drei Teilchen fehlen. Und das Spielzeug nur mehr für den Müllkübel taugt. Nebenan wird gehäkelt für Frühgeborene. Oder am hauseigenen Zeitungsblättchen gewerkelt – ein Tag echter Arbeit verteilt auf zwei Wochen. Da erzählt einer, der vom Arbeitsamt zum Witzseitemachen geschickt worden war, dass ihn die Sinnlosigkeit in Depressionen gestürzt hat. Irgendwann braucht’s dann Pillen gegen das „Pillepalle“.

Wett-Puzzeln für die Statistik


Das Gemeinnützige an all dieser unnützen Arbeit? 1,6 Millionen Arbeitslose werden als Praktikanten, als Prüf-Puzzler und „Pillepalle“-Redakteure aus der Arbeitslosenstatistik herausgepuzzelt. Dem Land nützt das herzlich wenig. Denen, die das Land regieren – und von September an weiterregieren wollen – nützt es sehr viel. Puzzeln für die Politik: auch ein schönes Prinzip.

Sie waren einige Zeit inaktiv, Ihr zuletzt gelesener Artikel wurde hier für Sie gemerkt.
Zurück zum Artikel Zur Startseite
Lesen Sie auch