Schon wieder gibt es Probleme beim Netzanschluss der Windenergie. Der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet scheint noch immer mit dem steigenden Anteils Erneuerbarer Energien zu kämpfen. Nahezu täglich müsse der Konzern das Stromnetz stabilisieren, heißt es in einem Bericht der BILD-Zeitung. Danach musste der Stromnetzbetreiber im ersten Halbjahr 2013 an 177 von 181 Tagen in das Netz eingreifen, um es vor Ausfällen und Überlastung zu schützen. Insgesamt soll es 502 Eingriffe gegeben haben, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Firmenangaben. Bei den Eingriffen wurden unter anderem Kraftwerke heruntergefahren und Windräder gestoppt.
Schon im März hatte Tennets Deutschland-Chef Martin Fuchs darauf hingewiesen, dass die Stromnetze massiv überlastet seien. Das einzig wirksame Gegenmittel, sei der zügige Netzausbau. Dafür müsse mit Gesamtinvestitionen in Höhe von etwa 21 Milliarden Euro gerechnet werden. Tennet hat nach eigenen Angaben inzwischen Investitionsentscheidungen über 5,5 Milliarden getroffen. Dennoch ist bei den Niederländern seit der Übernahme vom E.On-Konzern 2010 einiges schief gelaufen.
Schon kurz danach musste Tennet in einem Schreiben an verschieden Bundesministerien eingestehen, dass aufgrund fehlender personeller, materieller und finanzieller Ressourcen der rechtzeitige Anschluss für Offshore-Windparks nicht möglich sei.
Das Unternehmen ist neben Amprion, TransnetBW und 50Hertz einer von vier Übertragungsbetreibern in Deutschland. In den Tennet-Netzbereich fallen die Offshore-Windparks in der Nordsee. Tennet hatte bereits vor Monaten eingeräumt, es sei vom Kapitalbedarf für den Netzausbau überfordert.
Die Probleme des Unternehmens sind vor allem politisch brisant. Die Offshore-Windkraft spielt in den Plänen der Bundesregierung eine zentrale Rolle für die Abkehr von der Kernenergie. Ein Windpark mit 400 Megawatt Leistung könnte Strom für 445.000 Haushalte produzieren. So rechnet es die Windenergieagentur WAB vor. Politisches Ziel sind bis 2020 10.000 Megawatt, was einem Strombedarf von 11.400.000 Haushalten entspricht.
Gelingt es nicht, die Windparks auf hoher See ans Netz zu bringen, gerät der Zeitplan in Gefahr. Fallen die Netze aufgrund von Störungen immer wieder aus, gilt das gleiche. Die wiederkehrenden Probleme haben die Bundesregierung auf jeden Fall schon alarmiert und die Regierung in Den Haag aufgerufen, zu unterstützen. Der niederländische Staat ist der alleinige Eigentümer von Tennet und nicht gewillt, den Deutschen ihre Energiewende zu finanzieren.
Als Alternative werben Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) für eine sogenannte Bürgeranleihe zum Ausbau des Stromnetzes. Darauf hatte sich die Regierung gemeinsam mit den vier Netzbetreibern Anfang Juli geeinigt. Die Mindesteinlage soll bei etwa tausend Euro liegen. Insgesamt soll die Bürgerbeteiligung bis zu 15 Prozent der Investitionssumme von über 20 Milliarden Euro bringen.
Die Verbraucherzentralen warnen aber bereits vor dieser Form des Investments. Wer in eine Bürgeranleihe investiere, trage das Risiko eines Totalverlustes und könne den Kredit, der er dem Unternehmen Tennet gebe, nie kündigen, heißt es. Die Laufzeit sei unbefristet, so dass die Anleihe nur an der Börse verkauft werden könne. Bis zum Baubeginn soll der jährliche Zins bei drei Prozent liegen, danach bei fünf Prozent. Tennet begründet den Verzicht auf ein festes Ende der Laufzeit damit, dass nur so eine Rendite in der genannten Höhe in Aussicht gestellt werden können. Das Risiko der Bürgeranleihe liege zwischen relativ sicheren Anlagen wie dem Festgeld und risikoträchtigeren wie Aktien. Es sei wahrscheinlich, dass Tennet die Anleihe nach 20 Jahren zurückkaufe.
Weitere Negativ-Schlagzeilen aus dem Hause Tennet werden die Bürger zusätzlich kaum motivieren, ihr Geld in den Ausbau der Stromnetze zu investieren. Tennet macht bisher keine Angaben dazu, wie viele die Anleihe zum Stromtrassenausbau seit dem Start gezeichnet haben. Anfang August war von rund 250 die Rede gewesen.
Mit Material von Reuters