In der guten alten, sprich: filmreifen Zeit hat sich die Polizei bei der Verbrecherjagd noch die Hände schmutzig gemacht. Um Verdächtige zu überwachen, brachte sie heimlich Peilsender und Wanzen an deren Autos an. Genau genommen tut sie das, wenn nötig, auch heute noch. Aber mittlerweile, so viel Wortspiel zu muss sein, werden die Bugs zum Feature: Wie das US-Magazin Forbes herausgefunden hat, helfen Autohersteller und Ausrüster zumindest der US-Polizei seit stolzen 15 Jahren beim Orten und Abhören. Alles, was sie dazu brauchen, haben die Fahrzeuge ab Werk an Bord.

Wie jetzt freigegebene Gerichtsdokumente belegen, benötigen die Ermittler in vielen Fällen keine eigenen Überwachungswerkzeuge mehr. Das Onstar-System zum Beispiel, das General Motors für Navigation, Wartung und die Internetverbindung von Autos verwendet, lässt sich zum Orten, aber auch zum Mitschneiden von Gesprächen innerhalb des Fahrzeugs ausnutzen und aus der Ferne aktivieren. Auch Telemetrie- und Satellitenradio-Anbieter wie SiriusXM und ATX wurden einfach per Gerichtsbeschluss aufgefordert, Autoinsassen abzuhören oder Fahrzeuge zu orten, laut Forbes mindestens seit dem Jahr 2001.

In einem zeitgemäßen Kriminalfilm würde der Polizist also nicht mehr im Schutz der Dunkelheit unters Auto kriechen und die Wanze befestigen, sondern zu einem Richter gehen, sich ein Stück Papier unterschreiben lassen und dann den Autohersteller bitten, ein paar Knöpfe zu drücken. Der Polizistenberuf wird etwas leichter, der des Drehbuchautoren herausfordernder.

Rollende Sendezentralen

In naher Zukunft werden sich die Strafverfolger in jedem Neuwagen sogar aussuchen können, wie beziehungsweise anhand welcher Daten sie ein Auto überwachen. Connected cars sind schließlich längst auf jeder Elektronikmesse zu sehen. Sie senden permanent Sensordaten an die Hersteller, kommunizieren untereinander übers Internet, bieten Onlineentertainment, navigieren mithilfe von GPS, besitzen Diebstahlschutzfunktionen, wie man sie aus Smartphones kennt, und Notrufsysteme wie eCall, die technisch nichts anderes sind als eingebaute Mobiltelefone.

In der Oberklasse ist das alles schon Standard, jetzt beginnt der trickle down, die langsame Ausbreitung in die weniger teuren Fahrzeugklassen. Früher oder später sind alle neuen Autos vernetzt und es stellt sich die Frage, ob und wie man als Autofahrer diesem Trend überhaupt entkommen kann.

Eine Antwortet findet sich in der Geschichte der Mobiltelefone. Als sich herumgesprochen hatte, dass Smartphones perfekte Überwachungswerkzeuge sind, kamen einige Hersteller auf die Idee, Datenschutz- und -sicherheit zu einem Geschäftsmodell zu machen. Wer es sich leisten kann und Wert auf größtmöglichen Schutz vor Spionen und Schnüfflern legt, kann sich heute deshalb Cryptophones von verschiedenen Anbietern kaufen. Die Firma Silent Circle ist jedoch mit dem Versuch, mit dem BlackPhone ein massenkompatibles und dennoch auf Sicherheit und Privatsphäre ausgelegtes Smartphone zu vertreiben, an der fehlenden Nachfrage gescheitert.

Eine neue Art von Auto-Tuning?

So ähnlich wird es vermutlich auch auf dem Automarkt sein. Angesichts der Kosten, die mit der Entwicklung, dem Bau, dem Vertrieb und letztlich dem Kauf eines Autos verbunden sind, muss man wohl davon ausgehen, dass es kein Serienmodell geben wird, das gänzlich unvernetzt ist und keinerlei Daten zum Hersteller oder ins Internet überträgt. Abgesehen davon, dass es streng genommen ab 2018 in der EU auch gar nicht mehr erlaubt wäre, denn dann müssen alle Neufahrzeuge das eCall-System unterstützen.

Vorstellbar sind zwei Alternativen für jene, die bereit sind, auf all die Bequemlichkeiten und Dienste zu verzichten, die das connected car mit sich bringt: Sie können sich einen Oldtimer kaufen, aus der Zeit, als "smart" noch nicht gleichgesetzt wurde mit "inklusive Internetanschluss". Oder sie gehen zu einem Tuning-Spezialisten, der keine Spoiler anbaut, sondern Autos von allem befreit, das sendet. Nach dem Cryptophone käme so das Cryptocar.